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         Mit gespannter Erwartung im vollen Löhe-Haus-Saal: die Synodalinnen und Synodalen |
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Schweinfurt, 25.10.2008. „Man“ tagte im Seniorenzentrum Löhe-Haus. Hausherr Pfarrer Jochen Keßler-Rosa betonte, ein guter Anlass, die Tagung hier stattfinden zu lassen, sei sowohl das 60-jährige Bestehen des Diakonischen Werkes Schweinfurt als auch das Jubiläum des Namenspatens: "200 Jahre Pfr. Wilhelm Löhe". Diesmal gab’s leider keinen Dekansbericht und glücklicherweise keine ellenlange Finanzdebatte mit Zahlenwerk und Sorgenfalten über fehlendes Geld. Das Präsidium gab lediglich bekannt, dass der Dekanatshaushalt für dieses Rechnungsjahr 333.213,00 Euro betrage.
Vielmehr stand inhaltliche Arbeit auf der Tagesordnung dieser Themensynode. Dekan Oliver Bruckmann hatte den renommierten Professor Dr. Herbert Lindner, vormals Leiter der Gemeindeakademie Rummelsberg und Fachmann für Gemeindeentwicklung, zu dem aktuellen und brisanten Thema „Analyse der Kirchenvorstandswahl 2006“ gewinnen können. Um konkrete Erkenntnisse, Konsequenzen und Impulse für die Weiterentwicklung des Dekanates und seiner Gemeinden war es dem Vortragenden und den immer wieder in Gruppen arbeitenden HörerInnen zu tun.
Zunächst stellte Prof. Lindner die KV-Wahlergebnisse in der Evang.-Luth. Landeskirche in Bayern von 1990 bis 2006 graphisch dar: In diesem Zeitraum sei die Wahlbeteiligung von 21 „nur“ auf 18 Prozent gesunken, wobei das Dekanat Schweinfurt mit 17,7% (2006) genau diesem Durchschnittswert entspreche.
Folgende empirische Beobachtungen machte Prof. Lindner:
1. Je größer eine Gemeinde, desto geringer die Wahlbeteiligung.
2. In Diasporagebieten sind in der Regel die Bindungskräfte an die evangelischen Gemeinden schwächer. Dort lässt sich ein deutlicher Rückgang der Wahlbeteiligung registrieren.
3. Zur Wahl gehen mehr Männer, als üblicherweise im Gemeindeleben auftauchen.
4. Die Wahlbeteiligung ist vom Alter abhängig: Mit 8,5% liegt sie bei den 20- bis 35-Jährigen am niedrigsten, während die höchste Beteiligung mit 26,1% bei den 66-Jährigen zu verzeichnen ist. In der „Dynamik des Lebenslaufes“ gibt es demnach Phasen der Ferne (Latenz) und Nähe zur Kirchengemeinde.
5. Für über 35-Jährige wird die Gemeinde wieder bedeutsamer. D.h., Menschen „aus dem Tal des Mittelalters“ tauchen nun wieder auf, aber es bleiben Rückkehrverluste.
6. Die tatsächlich Wählenden liegen (prozentual gesehen) deutlich über dem Altersdurchschnitt der Wahlberechtigten.
7. Analog dazu sind die faktisch Gewählten mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren (prozentual) älter als die Kandidierenden.
8. Zwar gibt es mehr Kandidatinnen (54%), trotzdem werden mehr Männer in den KV gewählt, was auf die (konservative) Tendenz zur Beibehaltung des Überkommenen schließen lässt.
9. Meist werden gesellschaftlich höher Stehende gewählt, während Arbeiter die geringsten Chancen haben, in den KV zu kommen.
Gespannt war das Plenum auf Professor Lindners Auswertung für das Dekanat Schweinfurt:
Er betonte, dass dessen Gemeinden die Vielfalt der Landeskirche widerspiegelten, wie allein schon die Bandbreite der KV-Wahlbeteiligung zwischen 8,3% (SW-Auferstehungskirche) und 54,1% (Rothhausen) zeige. Zwischen 2002 und 2007 habe das Dekanat aber 3000 Glieder aufgrund von Wegzug oder höherer Altersstruktur verloren, was eineinhalb Pfarrstellen entspreche. Dieser Trend werde sich fortsetzen. Dem äußeren Wachstum der Kirchengemeinden würden daher deutliche Grenzen gesetzt, die im Hinblick auf Baumaßnahmen und Personalfragen zu beachten seien und zu einem Miteinander herausforderten.
Lindners Devise: Aufgabenteilung und Zusammenarbeit statt Einzeldenken! Je früher sich eine Gemeinde vernetze, desto länger werde sie selbstständig bleiben. Die allumfassende Universalgemeinde werde es nicht mehr geben. Die einzelnen Gemeinden sollten Schwerpunktaufgaben definieren und miteinander Gebäude- und Personalplanungen abstimmen. Ferner sei auf die Verlinkung von Religionsunterricht, Kita-Arbeit und Sonderseelsorge mit der Gemeindearbeit zu achten.
Schließlich forderte Lindner verbindliche Standards ein: So gelte es, neu Zugezogene innerhalb eines Monats zu kontaktieren und zwei Drittel von ihnen auch zu besuchen. Die Konfirmierten der Vorjahre müssten in den laufenden Konfirmandenunterricht eingebunden werden, um nicht der Gemeinde verlustig zu gehen. Dazu sollte es im Dekanat mindestens ein Konfi-Camp geben. Auch habe die Pfarrerin bzw. der Pfarrer die Pflicht, einmal im Jahr ein Gespräch mit jeder/m KirchenvorsteherIn zu führen. Generell sei die „Geh“-Struktur in der Gemeindearbeit zu verstärken: Gemeinden müssten wie Leuchttürme nach außen strahlen.
Lindners hehres Ziel: eine 20-prozentige Wahlbeteiligung im Jahr 2012.
Trotz akribischer Analyse des Zahlenwerkes erbrachte die äußerst fruchtbare Tagung aber auch, dass sich Kirche weniger durch die KV-Wahl, sondern eher durch engagierte MitarbeiterInnen und freiwillig Tätige entwickelt. Möglicherweise ist ja manches untypische KV-Wahlergebnis in einer Gemeinde durch Gottes Bodenpersonal mitbedingt.
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(V. r.) Dekan Bruckmann, Diakonie-Vorstand Keßler-Rosa und Hausleiter Gundel bei der Eröffnung der Synode | Anstrengende Moderatorinnen-Tätigkeit: Frau Beck-Winkler und Frau Lutz, die beiden Damen vom Präsidium |
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      Dekan Bruckmann stellt Professor Dr. Lindner vor. | Absolute Gemeindekompetenz charmant, aber verbindlich vorgetragen: apl. Prof. Dr. Herbert Lindner |