Frühjahrssynode des evangelischen Dekanats Schweinfurt
Schweinfurt, Sa. 14. April 2018. Überlastete Apostel. Sie können nicht alles schaffen: nicht gleichzeitig predigen und sich sozial engagieren, sprich diakonisch handeln. Die Aufgaben müssen auf verschiedene Schultern verteilt werden: der Dienst am Wort und die Bedienung bei Tisch. Deshalb berufen die Zwölf sieben Diakone, um den Engpass zu beheben. Nur gemeinsam klapptʼs. Es gibt allemal mehr zu tun, als Einzelne tun können.
Diese biblische Episode (Apostelgeschichte 6) stand am Beginn der Frühjahrssynode 2018 des evangelischen Dekanats Schweinfurt im Gemeindehaus in der Friedenstraße. Sie leitete zugleich zum Tagungsthema über: Weiterarbeit am sog. PuK-Prozess, den die evang.-luth. Landeskirche in Bayern im letzten Jahr initiiert hat.
Die Abkürzung steht für „Profil und Konzentration“. Gefragt wird: Was trägt angesichts der rasanten Veränderungen des Lebensumfeldes und der Lebensfragen zum Profil der Kirche und der einzelnen Gemeinden bei? Worauf müssen sie sich in Zukunft konzentrieren, also: Welche Aufgabenschwerpunkte sind zu setzen? Aber auch: Was kann Kirche zukünftig weglassen, um Zeit und Mittel für zentralere Belange zu haben? Denn das biblische Beispiel zeigt: Nicht alle können alles machen. Erforderlich sind vernetztes Denken, Dezentralisierung, Kooperation und Fusion. Und es kann auch nicht alles so bleiben, wie es ist – allein schon finanziell und personell nicht. Gebot der Stunde ist, Überholtes und Überlebtes („Das haben wir immer schon so gemacht!“) durch Neues, Kreatives zu ersetzen. Doch darf die Neuausrichtung nicht auf Geld und Stellen beschränkt werden. Leitendes Prinzip im PuK-Prozess ist vielmehr, den kirchlich-gemeindlichen Ressourceneinsatz konsequent auf das Ziel zu orientieren, „dass Menschen mit ihren heutigen Lebensfragen einen einfachen Zugang zur Liebe des Mensch gewordenen Gottes finden“. Beziehungen zu Gott, aber auch unter den Menschen gilt es verstärkt zu ermöglichen.
Dabei ist kein Aktionismus angesagt, sondern es ist von den Aufgaben und Bedarfen auszugehen. Kirche muss zu den Menschen hingehen und darf nicht warten, dass sie zur Kirche kommen. Ferner ist ein Denken und Planen in mehrdimensionalen Räumen erforderlich, etwa im Raum des Dekanats, im ökumenischen Großraum, aber auch im digitalen Raum. Denn die neuen Medien sind auf dem Vormarsch. Gemeindebriefe sind bald Auslaufmodelle.
Dekan Oliver Bruckmann und Diakoniewerk-Vorstand Pfarrer Jochen Keßler-Rosa stellten exemplarisch das Zusammenspiel von kirchlichem und diakonischem Handeln anhand mehrerer Kirchengemeinden vor. Beispiel Gochsheim, eine der größten Dekanatsgemeinden mit alter Tradition (Kirchweih!): Dort gibt es 1,5 Pfarrstellen für 2936 evangelische Gemeindeglieder, die aber nicht nur im Kernort – zentral die Kirche in einer Gadenanlage –, sondern in einem weit größeren Diasporagebiet wohnen. Pfarrerehepaar Monika Roth-Stumptner und Wolfgang Stumptner betreut seelsorgerlich auch die Evangelischen in Grettstadt, Ober- und Untereuerheim, Weiher und Dürrfeld.
All dies wäre ohne enge Kooperation mit der Diakonie nicht leistbar. So besucht und pflegt die Diakoniestation Gochsheim täglich 90 Menschen, bietet Hilfen im Alltag und unterhält einen Stützpunkt für „Betreutes Wohnen zu Hause“. Die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit (KASA) ist mit dem f.i.t.-Energieberatungsprojekt vor Ort. Des Weiteren bietet die Diakonie Seniorenfahrten an. Es gibt Flüchtlings- und Integrationsberatung, ein Begegnungscafé und das Projekt „starke Eltern“. Will sagen: Kirche und Diakonie gehen notwendend (!) - notwendigerweise – in der Erfüllung ihres Auftrages Hand in Hand – wie in biblischen Tagen!
Illustrativ ist eine neuere Umfrage: „Was fällt ihnen spontan ein, wenn Sie ‚evangelische Kirche‘ hören?“ Es ergab sich – ohne Antwortvorgaben – die Rangreihenfolge „Glaube, Gebet, Spiritualität“, „Kasualien“, „Gemeinde und Gemeinschaft“, „Gottesdienste“. Gleich danach, an fünfter Stelle, folgen die Stichworte „Diakonie, Kindergärten“. Bei vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten zeichnete sich im Ranking sogar ein klarer Vorsprung der diakonischen Aufgaben ab: „Arme, Kranke und Bedürftige betreuen“, „sich um Probleme von Menschen in sozialen Notlagen kümmern“. Erst nach diesen beiden diakonischen Prioritäten wurden kirchliche Belange genannt wie „Gottesdienste feiern“ oder „Raum für Gebet, Stille und persönliche Besinnung sein“.
In Kleingruppen tauschten die rund 50 anwesenden Synodalinnen und Synodalen ihre eigenen Hoffnungen und Befürchtungen aus: „Wie könnten unsere Gemeinden in zehn Jahren aussehen?“ Es ergab sich folgendes positive wie negative Stimmungsbild – in Stichworten und Fragen: weiter fortschreitender Säkularisierungsprozess und Mitgliederschwund; kleiner werden ist aber nicht schlimm; Angst vor Veränderung; Gefahr, dass Kirche eine reine Eventkirche wird. Was kommt, wenn die alten, treuen Gemeindeglieder nicht mehr leben? Wie geht es nach der Jugendarbeit mit den Erwachsenen kirchlich weiter? Verstärkte Entwicklung von Kontakten, personalen Beziehungen, Gemeinschaftsgeist und Willkommenskultur. Sind nicht die Menschen die wertvollste Ressource? Kirche braucht nicht nur Profil, sondern vor allem Gesicht.
Thematisch eng verknüpft mit dem kirchlichen „Profil und Konzentration“-Zukunftsprozess ging es im anschließenden Regularienteil der Synode unter anderem um eine neue Gebäudekonzeption: Jede Kirchengemeinde muss aktuelle Daten über ihre sämtlichen Immobilien und deren Nutzung erheben: Ist deren weitere Bewirtschaftung rentabel und finanzierbar oder eine Vermietung beziehungsweise Veräußerung anzuraten? Ferner wurde den Synodalen der Haushaltsplan 2018 des Dekanats zur Kenntnis gegeben.
Nun gilt es zu sehen, wie in den Gemeinden weitergedacht, vor allem aber, welche konkreten, konstruktiven Schritte gegangen werden, in biblischer Diktion: wie sich Apostel und Diakone finden und arbeitsteilig Zeugnis geben von der Liebe Gottes. Dessen unverzichtbaren Beistandes vergewisserte sich die Synode mit dem gemeinsamen Lied: „Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft“.