"Wir werden insgesamt weniger"

Herbstsynode des Dekanats Schweinfurt (II/2016)

In Erwartung der Synodalen: Großer Saal des Martin-Luther-Gemeindehauses

Schweinfurt, 22. Okt. 2016. Am Samstag tagte die zweite Halbjahressynode 2016 des evangelischen Dekanats Schweinfurt mit etwa 60 Synodalen samt Gästen im Martin-Luther-Gemeindehaus.

Am Anfang stand eine Andacht von Pfarrer Dr. Wolfgang Weich (SW-Christuskirche), die um den bekannten Slogan „Ich bin da. (Wer noch?)“ kreiste. So habe sich bereits Gott dem Mose am brennenden Dornbusch vorgestellt, und auch Jesus habe immer wieder diese seine Gegenwart betont. Er sei darum auch auf dieser Synode mit dabei und sowieso „bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“.

Im Zentrum der Tagung stand der Lagebericht von Dekan Oliver Bruckmann. Er begann mit einer nüchternen Situationsanalyse: „Wo stehen wir als Kirche im Dekanatsbezirk Schweinfurt?“ Vor fünf Jahren hätten die 27 Kirchengemeinden noch 2170 Gemeindeglieder mehr gezählt. Das bedeute einen Rückgang um fünf Prozent auf jetzt 42413. Einige, vor allem kleinere Kirchengemeinden würden ums finanzielle Überleben kämpfen, da vorhandene Rücklagen aufgebraucht seien. Andererseits gebe es erfreulicherweise zurzeit kaum vakante Pfarrstellen. Sogar sieben Theologiestudierende habe das Dekanat vorzuweisen. Nur könnten diese die ab 2019 bevorstehende große Ruhestandswelle vieler Geistlicher nicht kompensieren.

Mehrfach betonte der Dekan, dass es die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu beachten gelte. Die Gemeindegliederverluste gingen nicht nur auf Kirchenaustritte zurück, sondern seien auch der demografischen Entwicklung in Unterfranken geschuldet. Wegzüge würden nicht durch Zuzüge aufgefangen. Laut Bayerischem Landesamt für Statistik soll bis 2030 die Bevölkerung im Landkreis Schweinfurt um 4,1 Prozent abnehmen: „Wir werden insgesamt weniger.“ Lediglich der Anteil älterer Menschen in unserer Gesellschaft steige spürbar. Die aber zahlten keine oder weniger (Kirchen-)Steuern, weshalb die finanziellen Ressourcen weiter abnehmen würden. Unter den Kirchenmitgliedern würden hingegen jüngere Menschen fehlen.

„Wenn aber Geld und Stellen und Gebäude weniger werden, dann sehe ich unsere Chance und Aufgabe darin, uns auf Wesentliches zu konzentrieren.“ Denn „kleiner heißt nicht schlechter“. Bruckmann nannte in seinen Zukunftsperspektiven vorrangig die Gewinnung eines klaren Profils, an dem sich Menschen gerne orientieren würden. „Was macht unsere Veranstaltungen zu kirchlichen Angeboten?“ Alles, was kein kirchliches Profil zeige, habe dabei nur sekundären Wert. Nachdruck müsse auf einer lebensrelevanten Religionspädagogik liegen, die den SchülerInnen das Gefühl vermittle, voll akzeptiert zu sein, und sie motiviere, als Jugendliche der Kirche verbunden zu bleiben. Sodann gelte es den Dekanatsbezirk als Netzwerk zu begreifen und die Arbeit der Dienste und Werke, etwa des Evangelischen Bildungswerkes oder des Kindertagesstättenverbundes, stärker zu nutzen. Denn dadurch bliebe den Mitarbeitenden mehr Zeit zur Wahrnehmung ihrer eigentlichen seelsorgerlichen, diakonischen oder spirituellen Aufgaben. „Im Netzwerk profitieren alle von der Stärken und Kompetenzen aller.“ Dazu gehöre auch eine bessere Vernetzung mit der Diakonie, konkret mit deren ambulanten Diensten, die wesentlich stärker als kirchliches Angebot begriffen werden müssten.

Was den Unterhalt von kirchlichen Immobilien anbelangt, konzedierte der Dekan, dass zwar der Erhalt der Kirchengebäude oberste Priorität genieße. Doch werde man sich von zu teuren Pfarrhäusern trennen und für die PfarrerInnen bedarfsgerechte Dienstwohnungen anmieten müssen. Auch nicht genügend ausgelastete Gemeindesäle sollten zur Disposition stehen: „Was muss notwendig in eigenen Räumen stattfinden und wofür könnten benachbarte Kapazitäten mitgenutzt werden?“ Als Gemeinde mit sozusagen Modellcharakter nannte er Bad Kissingen: Dort habe der Kirchenvorstand beschlossen, alle Pfarrhäuser – ausgenommen das der Ersten Pfarrerin – zu veräußern.

Am Ende rief der Dekan dazu auf, in den Gemeinden Eigenverantwortung wahrzunehmen und das begrenzte Kirchturmdenken aufzugeben. Anzustreben seien Gemeindekooperationen, worüber sich gerade die drei Mainbogen-Gemeinden Sennfeld, Gochsheim und Schwebheim in engem Austausch befänden, ferner die Bildung von Regionen mit attraktiven Stellenangeboten und eine gute Vernetzung mit den Diensten und Werken. Letztlich kämen aber schöne Gottesdienste und begleitende Seelsorge selbst bei Nichtmitgliedern immer gut an.  (VORTRAG im Wortlaut s. u. pdf-Datei)

In der anschließenden Aussprache bedauerte der Vorstand des Diakonischen Werkes, Pfarrer Jochen Keßler-Rosa, dass Diakonie oft nur als Dienstleistung erfahren, aber nicht mit Kirche zusammengebracht werde. Vor allem nicht-kirchlichen Mitarbeitenden würden verpflichtende Angebote für religiöse Weiterbildung und Wertevermittlung gemacht. Die aufgeworfene Frage, wie Gemeinden rasch miteinander ins Gespräch kommen könnten, beantwortete Synodale Ilse Heusinger (SW-St. Salvator) lapidar kurz: „über den eigenen Schatten springen“. Sie habe selbst miterlebt, wie die St. Salvator-Gemeinde nach vielem Zögern sich mit St. Johannis zu einer Pfarrei zusammenschloss und seitdem viele Vorteile erfahre: „Einer allein kann nicht alles leisten.“

Im Verlauf der halbtägigen Sitzung stellte Helmtrud Hartmann vom Diakonischen Werk Schweinfurt das Kooperationsprojekt „Tischgemeinschaften“ am Beispiel der Kirchengemeinde Ebern – in Zusammenarbeit mit der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit des Diakonischen Werkes Haßberge – vor: Einmal wöchentlich werden dort ältere Grundsicherungsbezieher ohne Familienanbindung zu „Gemeinsam kochen und essen“ eingeladen und ihnen dadurch Hilfe zur Selbsthilfe vermittelt. Hartmann würde dieses Projekt gerne auch in Gemeinden des Dekanats Schweinfurt implementieren.

Ferner gab es Informationen über die diesjährige Besuchsreise von acht Dekanatsdelegierten zu den vier evangelisch-lutherischen Partnergemeinden in Rio de Janeiro. Die beiden Mitreisenden, Dekanatsmissionspfarrerin Christhild Grafe (SW-Kreuzkirche) und Pfarrerin Christiana von Rotenhan (SW-St. Lukas), würdigten die inzwischen 28 Jahre bestehende Partnerschaft: „Sie verbindet sich mit Gesichtern.“

Unter dem letzten Tagesordnungspunkt „Regularien“ fand unter anderem die Nachwahl für den ausgeschiedenen Präsiden Frank Finzel statt. Mehrheitlich wurde Herbert Ludwig (Kirchengemeinde Schwebheim) gewählt, der nun zusammen mit Ute Lutz (Kirchengemeinde Werneck) und dem Dekan das Synodenpräsidium bildet.