Wiedereinweihung des evangelischen Gemeindehauses
Obereisenheim, 22. September 2013. „Burden down, Lord“, deutsch: „Von der Last befreit, Herr“, sang der Kirchenchor, besser gesagt der Gesangverein Liederkranz Obereisenheim e.V., so richtig mit Schwung. Man freut sich über jeden neuen Gospelsong, zumal wenn er trefflich zur Situation passt:
Seit sechs langen Jahren wurde nämlich in Obereisenheim der Gemeindehausumbau geplant, 2011 endlich der Bauantrag gestellt. Eigentlich sollte alles schon vor einem Jahr fertig sein. Das was bei der Umsetzung dann schief ging, würde freilich ein ganzes Buch füllen. Endlich durfte aber nun die Kirchengemeinde, von einer Teillast befreit, stolz ihr – fast – neues Gemeindezentrum feiern. 36 Jahre nach der ersten Einweihung, Herbst 1977, wurde die zweite Eröffnung begangen.
Ja „gäbe es die letzte Minute nicht, so würde niemals etwas fertig“. Mit diesem Ausspruch von Mark Twain brachte es Hausherr Pfarrer Ivar Brückner in seiner Begrüßung auf den Punkt: Stress war tatsächlich bis zur letzten Minute angesagt, um am 17. Sonntag nach Trinitatis, dem traditionellen Kirchweihsonntag, die erste öffentliche Begehung des Hauses zu ermöglichen.
Doch wie es sich gehört, wurde zuerst Gottesdienst in der Kirche nebenan gefeiert, musikalisch reich ausgestaltet durch schon erwähnten Gesangverein, ferner durch den evangelischen Posaunenchor und Orgelklänge. Gastprediger Dekan Oliver Bruckmann legte die schwierige Geschichte von der Begegnung Jesu mit einer heidnischen (kanaanäischen) Frau aus (Matthäus 15,21-28). Seiner Meinung nach passt sie nicht in das herkömmliche Bild von Jesus, zumal Nicht-Juden nicht zu seiner Zielgruppe der verlorenen Schafe des Hauses Israels gehörten und er sich hier recht abweisend, ja ausländerfeindlich zeigt.
Freilich hielt der Dekan damit der Gemeinde den Spiegel vor und fragte: „Sind wir nur für die da, die evangelisch getauft sind und unsere Veranstaltungen besuchen?“ Und unter Bezug auf das Gemeindehaus: „Gehört derjenige, der es für eine Veranstaltung buchen will, auch zu uns?“ Die gegenüber Jesus hartnäckig bleibende, unangepasste Frau solle als „unser Vorbild“ dienen: Sie habe so viel Glauben und erwarte alles von Jesus. Ergo: „Die da draußen, die Fremden, die selten zu uns kommen, können einen starken Glauben haben.“ Dies belege die im Dekanat Schweinfurt durchgeführte Befragung aus der Kirche Ausgetretener: 42 Prozent hätten bekundet, auch ohne Kirche Christ sein zu können.
Bruckmanns Schlussappell: „Lasst uns als Gemeinde für Menschen wie diese Frau offen, einladend bleiben!“ Das Gemeindehaus möge als „Botschaftsgebäude“ dienen, worin Gottes Gesandter Jesus die Gute Botschaft unter die Leute bringe, und somit zeigen, „dass Gott mitten unter uns alle Menschen anrühren kann und ihnen hilft.“
In den Fürbitten erbaten die diversen Gruppen Gottes Segen für ihre Veranstaltungen: dass dort jetzt wieder Chor- und Posaunenchorproben möglich seien, der Seniorenkreis darin schöne Stunden verbringen und auch Kindergottesdienst stattfinden könne.
Noch mit dem Lied „Komm, bau ein Haus, das uns beschützt“ im Ohr, schritten Pfarrer und Dekan, gefolgt von der Gemeinde, zur offiziellen Segnung des „Ernst-Borger-Hauses“. Dann wurden Eingang und Grußwortreigen freigegeben. Der Würzburger Landrat Eberhard Nuß bekundete seine Freude, dass ein „echtes Gemeinschaftshaus“ geschaffen worden sei, unter dessen Dach Jung und Alt zusammengeführt würden. Ähnlich der Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib (SPD), der den Akzent, anknüpfend an die Predigt des Dekans, auf das „offene Haus, mitten im Leben, mitten im Dorf“ legte, das immer „eine Antenne nach außen haben“ möge. Andreas Hoßmann, 1. Bürgermeister von Eisenheim, und Raimund Fischer vom Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken, kamen auf das Kostengesamtvolumen von 600.000 Euro für die „In-Wert-Setzung“ des Gemeindehauses zu sprechen und dass sie den Umbau mit 100.000 Euro aus dem Fonds „Dorferneuerung“ gefördert hätten. Überhaupt habe sich der Markt Eisenheim „vom Weinbauerndorf zum schmucken Weinort gemausert“ und sei inzwischen auch touristisch erschlossen. Ein bisschen Eigenwerbung gehörte eben am Wahlsonntag dazu.
Nicht minder in höchsten Tönen lobte Architekt Norbert Boldt sein Werk: Nun befänden sich unter einem Dach Pfarrbüro mit Amtszimmer im Basement, Gemeindezentrum im Erdgeschoss und Jugendräumlichkeiten oben, wohin das neue Treppenhaus führe. Von „aufwändig energetisch saniert“, „zeitgemäß umgestaltet und erweitert“, „schadstofffrei“ und „teurem Brandschutz“ handelte seine Rede.
Demgegenüber gab sich die Vertrauensfrau des Kirchenvorstandes, Susanne Triebel, recht nüchtern: Zwar gehe am heutigen Sonntag ein langer, harter Wahlkampf zu Ende, doch der Umbau des Gemeindehauses sei ein noch längerer Weg gewesen, der immenses Durchhaltevermögen erforderte. Sie dankte den Helferinnen und Helfern, die über 700 Stunden ehrenamtlich leisteten, insbesondere Gottfried Kraus, Marion Beck-Winkler und natürlich Pfarrer Brückner, die die Bautätigkeiten intensiv begleiteten.
Auch Brückners Schlusswort enthielt kritische Spitzen, etwa als er den Vergleich mit dem Debakel um den Berliner Flughafenbau und das Sprichwort bemühte: „Wenn du große Sorgen haben willst, dann baue um.“
Zwar ist die Gemeinde nicht nur an die Grenze ihrer Nerven, sondern auch an die ihrer finanziellen Möglichkeiten gekommen – „und vielleicht darüber hinaus“ (der Dekan), aber namhafte Zuschüsse von der Landeskirche und bereits mehrere 10.000 Euro an Spenden sind sicher eine weitere Erleichterung der Last, - nicht zu vergessen Gottes Hilfe, dessen Ständige Vertretung sich ja in diesem Botschaftsgebäude befindet: “Burden down, Lord“.