Abbruch des evangelischen Wohnheims in der Friedenstraße
Schweinfurt. Am 10. Oktober 2012 wurde offiziell Abschied gefeiert. Noch einmal trafen sich frühere Lehrerinnen, Studierende, Hausdamen, Bedienstete sowie Mitarbeitende des Kirchengemeindeamtes und Mitglieder des Kuratoriums der Gesamtkirchengemeinde Schweinfurt im Speisesaal und Aufenthaltsraum des Untergeschosses. Das ehemalige Wohnheim der evangelischen Fachakademie in der Schweinfurter Friedenstraße wird in Kürze abgerissen, um neue Räume für die Kirchenverwaltung zu schaffen.
1953 zusammen mit dem angrenzenden Evangelischen Gemeindehaus erbaut und Juni 1954 eröffnet, wurde es nach dem Vater der Inneren Mission „Johann-Hinrich-Wichernhaus“ genannt. Zunächst diente es als Jugendwohnheim „zur Sicherung der jungen Generation“. Es bot für auswärtige junge Arbeiter und Angestellte, aber auch für durch Vertreibung und Flucht Entwurzelte „eine echte Heimstatt für das fehlende Elternhaus“ und steuerte zugleich der Wohnungsnot im Nachkriegs-Schweinfurt, wie Dekan Oliver Bruckmann in einem nostalgischen Rückblick ausführte. Das für 80 Bewohner ausgelegte Haus stand allen 16- bis 25-Jährigen offen, egal welchen Beruf oder Religion sie hatten. Freilich lag dem ersten Heimleiterehepaar, Diakon Friedrich Linse mit Frau, die Förderung des geistlichen und seelischen Lebens dieser jungen Menschen am Herzen.
Anfang der 60er Jahre - inzwischen waren die „Insassen“ (so Pressewortlaut) Lehrlinge, Betriebspraktikanten, Werk- und Ingenieurstudenten - machte das Wichernhaus Schlagzeilen: „Jugendwohnheim – kein Hotel!“ Evangelikale Kritiker fragten, was dort überhaupt noch evangelisch sei.
Nach seinem Umbau wurde dort 1965 das vierte bayerische Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnen-Seminar samt Internat etabliert und der Gustav-Adolf-Kindergarten nahebei als Seminarkindergarten ausgewiesen. Nun war es, unter Mitträgerschaft des Pfadfinderinnen-Dienstes auf Schloss Schwanberg, ein Haus zur zweijährigen Ausbildung von 44 jungen Damen für ihren Dienst in 200 evangelischen Kindergärten ganz Ober- und Unterfrankens.
Aus diesem Kindergärtnerinnen-Seminar erwuchs 1968 die Fachschule für Sozialpädagogik, die 1972 staatliche Anerkennung fand. Nach ihrer Auslagerung in einen Neubau in der Geschwister-Scholl-Straße (1977) mit später erfolgter Umbenennung in „Fachakademie“ diente das Gebäude als deren Studentenwohnheim. 1980/1 wurde es für 1,2 Mio. Mark modernisiert: Aus den Lehrsälen entstanden Aufenthaltsräume. Maßgeblichen Anteil an diesem entscheidenden Umbruch hatte der damalige Dekan Johannes Strauß.
Ehepaar Schenk versah in jenen Jahren treu die Hausmeisterdienste sowohl in der Fachakademie als auch dann im Wohnheim. Seit dieser Zeit bis auf den heutigen Tag war dort ebenfalls Käthe Kaiser eine wichtige Mitarbeiterin. Sie bereicherte mit ihren ganz persönlichen Erinnerungen die Abschiedsfeier und bedankte sich sogar für die Arbeit: Im Haus habe ein guter Geist geherrscht. Zuletzt nutzten es nur noch wenige Studierende anderer Fachrichtungen und Auszubildende.
Somit sei zwar eine Ära zu Ende gegangen, betonte Dekan Bruckmann, aber die erinnerungswürdige Geschichte bleibe erhalten. Trotz der für manche schmerzlichen Zäsur: Wenigstens der ehemalige Wohnheimname „Johann Hinrich Wichern“ existiert weiter. Seit der Wiedereinweihung der generalsanierten Fachakademie für Sozialpädagogik der Evang.-Luth. Gesamtkirchengemeinde Schweinfurt am 5. Okt. 2012 trägt diese ihn nunmehr.
Vom 2. November bis zum 15. Dezember 2012 fand ein „Abriss-Flohmarkt“ in der Friedenstraße 23 statt (Do., Fr., 14.00-18.00 Uhr; Sa., 10.00-14.00 Uhr). Viele Schätze hatten sich im Lauf der Jahre hier angesammelt, die gegen ein kleines Entgelt erworben werden konnten: vom Bauernschrank bis zum Nachtkästchen, von der Großkücheneinrichtung bis zur Kaffeemaschine, von der Toilettenschüssel bis zum Wasserhahn … Alles musste raus.