Mutter der Spätaussiedler

1994-2014: 20 Jahre Café Kontakt

Der Frauenchor "Harmonie" begrüßte den Frühling: "So sei gegrüßt viel tausendmal"

Schweinfurt, 29. März 2014. Der Saal platzte aus allen Nähten. Neben gut 120 Sitzplätzen gab es Stehplätze en masse. Ja, wer und was wurde nicht alles aufgeboten an jenem Samstag im Martin-Luther-Haus, um gebührend das Jubiläum "20 Jahre Café Kontakt" zu feiern. Ein Highlight jagte das nächste. Den Anfang machte Dekan Oliver Bruckmann, der in seiner Grußwortreminiszenz an 1994 den Beginn seiner Pfarrerzeit in Deggendorf resümierte, wo er den großen Zustrom von Zuwanderern aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, besonders aus Kasachstan und der Ukraine, hautnah miterlebt hatte. „Unsere ganze Gesellschaft hat sich geändert“, betonte er, und auch den Gottesdienst hätten auf einmal 30, 40 Leute mehr besucht. „Wir sind zusammengewachsen bzw. zusammen gewachsen!“

In Schweinfurt habe einen wesentlichen Beitrag daran der Evangelische Frauenbund geleistet. Inklusion sei eben mehr als nur Integration, sondern bedeute gemeinsames Leben, gemeinsam eine Gesellschaft bilden. „Wir brauchen einander! Wir sind auf einem guten Weg.“ Bruckmann dankte all denen, die ihr Herz dafür einsetzen, vorrangig natürlich Heike Gröner, der Vorsitzenden des Evangelischen Frauenbundes Schweinfurt.

Sie wurde an diesem Nachmittag noch mit viel mehr Lob überhäuft und gab entsprechend viel Lob und Dank zurück. Auch sie erzählte von 1994: wie sie nach einem Gottesdienst Spätaussiedler kennen gelernt und spontan die Idee zur Gründung des Cafés Kontakt gehabt habe: ein Projekt der Begegnung von Einheimischen mit Spätaussiedlerfamilien mit vielerlei Hilfestellungen und Orientierungsangeboten. Man traf sich zunächst im Mesnerhaus, dann im Martin-Luther-Haus.

Ein Mann der ersten Stunde war Gottlieb Eirich, dem OB Sebastian Remelé vor nicht allzu langer Zeit den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen hat. In seiner bewegenden Ansprache erzählte er, wie er, geboren 1925 in der Sowjetrepublik der Wolgadeutschen, 1993 als „Spätaussiedler in sein Vaterhaus Deutschland zurückgekehrt“ sei, sich dann gleich federführend in der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland-Ortsgruppe Schweinfurt engagiert und auch von Anfang an im Café Kontakt mitgewirkt habe. Frau Gröner bezeichnete er als „Mutter der Spätaussiedler“ und „leuchtendes Vorbild durch ihr soziales Engagement“.

Diese erinnerte anschließend in einem Lichtbildervortrag an Stationen und Aktionen des Cafés Kontakt, an Bildungs- und Hilfsangebote wie Sprach- und Computerkurse, Hausaufgabenbetreuung, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie die einer Logopädin, an viele Ausflüge in geselliger Runde, an politische Gespräche etwa im Bayerischen Landtag oder im Europäischen Parlament Straßburg, an die Etablierung des Mehrgenerationengartens am Oberen Marienbach, der inzwischen zu den interkulturellen Gärten Bayerns zählt, und und und. Wer Frau Gröner begegnet, kann sich nur schwer ihrem werbenden, gewinnenden Wesen entziehen. Von daher wächst ihre Arbeit immer noch weiter, die Mitgliederzahl im Evangelischen Frauenbund hat so gut wie die 1000er-Marke erreicht. „Gutes gemeinsam tun“, so lautet sein Motto.

Als sich Stunden später die Reihen zu lichten begannen und nun wirklich alle einen Sitzplatz gefunden hatten, gesellte sich noch CSU-Bezirksrat und Fraktionschef im Schweinfurter Stadtrat Stefan Funk mit einem Grußwort hinzu: „Was 20 Jahre hält, ist nicht nur gut, sondern sehr gut“, meinte er euphorisch. Wenn man als Fremder in eine Stadt komme, wolle man als Erstes wissen, was da geboten wird und wo’s lang geht. Dies zu leisten, sei in Schweinfurt das Verdienst von Heike Gröner. Mit einem überschwänglichen Lob auf die Stadt Schweinfurt, „wo man gut leben kann“, schloss er.

Am Ende müssen noch eigens die musikalischen Beiträge gewürdigt werden. Denn selten wird in zwei Stunden ein solch kompaktes, aber auch disparates Programm, geradezu ein Wechselbad an Hörerlebnissen geboten: - von Chopin- und Rachmaninov-Sonaten, vorzüglich am Klavier und auswendig von der zwölfjährigen Alina dargeboten, bis zur Polka der Tanzgruppe „TeamSpirit“, - vom Lied „Kapitän, immer lächeln“ des Schweinfurter Kinderchors bis zum Evergreen „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ des Frauenchors Harmonie, beide unter Leitung von Olga Baluyev, - von einer melancholischen, russischen Weise, gesungen von der Sopranistin Margarita Afanasiev unter Akkoredon-Begleitung von Ewald Lange, bis zur Gitarren- und Mandolinengruppe des über 90-jährigen Leopold Kinzel mit: „Nach meiner Heimat zieht’s mich wieder“. Schade nur, dass es im übervollen Saal nie wirklich leise wurde und dass permanent jemand kam oder ging. Die Künstlerinnen und Künstler hätten mehr Gehör verdient gehabt.

Dem Café Kontakt sei weiterhin ein segensreiches Wirken und Frau Gröner viel Kraft, Energie und stabile Gesundheit gewünscht.