90 Jahre Evangelischer Frauenbund Schweinfurt e.V.
Schweinfurt, den 6. Dezember 2014. Alles, was in Schweinfurt Rang und Namen hat – und wer ist das nicht –, war an diesem Nachmittag im Evangelischen Gemeindehaus vertreten. Vorsitzende Heike Gröner hatte zum 90. Jubiläum „ihres“ Evangelischen Frauenbundes Schweinfurt e.V., dem sie nun selbst seit zwei Jahrzehnten vorsteht, geladen. Dieser Tag sei ein „Geschenk“. Entsprechend voll war der Saal und etwas Lampenfieber spürbar, etwa als die Zweite Vorsitzende Ilse Heusinger Herrn Bürgermeister Wichtermann (1956-1974!) statt OB Sebastian Remelé ansagte.
Gerhart Seidel, Erster Vorsitzender des Förder- und Freundeskreises, bezeichnete diesen Kreis selbst als „kleinen Jubilar“, denn „wir sind das 15 Jahre alte Kind einer 90-jährigen Mutter, aber stolz darauf, eine so vitale, dynamische Mutter zu haben.“ Immerhin handele es sich bei der „Mutter“ um den größten Evangelischen Frauenbund Deutschlands.
Nach „Macht hoch die Tür“, intoniert vom Evangelischen Posaunenchor unter Leitung von Wolfhart Berger, eröffnete das Ehrenmitglied besagten Förder- und Freundeskreises, der ehemalige Schweinfurter Dekan Walter Luithardt/Aschaffenburg, den offiziellen Grußwortreigen. In Anknüpfung an das Pauluswort „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn“ (Galater 4,4) führte er aus: „Der zeitlose Gott hat sich Zeit für uns genommen. Jesus sucht Zutritt in unserer Welt, in unserer Wohnung und in unserem Herzen.“ Ebenso habe der Frauenbund viele „Zeitzeichen“ gesetzt mit seinem zeitlosen Auftrag. Und zwar investiere er in Menschen, verbinde sie miteinander trotz aller Unterschiede und trage somit viele Früchte. „Eine gute Willkommenskultur ist in Schweinfurt verankert.“ Luithardt wünschte dem Frauenbund, er möge weiterhin „Zeichen der Liebe und Zuwendung“ setzen.
Die Geschäftsführerin des Deutschen Evangelischen Frauenbundes, Landesverband Bayern e.V., Katharina Geiger, titulierte den Schweinfurter Verband „einen absoluten Aktivposten in Kirche und Diakonie“ und hob das Engagement seiner vielen Ehrenamtlichen, etwa in der Bildungsarbeit oder bei der Initiative „Garten der Begegnung“, hervor. „Der christliche Glaube trägt Sie alle.“
Der Vorstand des Diakonischen Werkes Schweinfurt, Pfr. Jochen Keßler-Rosa, sieht im Frauenbund eher die große Schwester statt den kleinen Bruder der Diakonie. Man sei „gemeinsam unterwegs in edlem Wettstreit“.
Angesichts des 90. Wiegenfestes des Frauenbundes fühlte sich die Landessynodale des evangelischen Dekanates Schweinfurt, Renate Käser, an den 90. Geburtstag von Miss Sophie im Sketch “Dinner for One“ erinnert, versuchte aber, Gegensätze herauszuarbeiten. So sei der Frauenbund noch äußerst lebendig, leistungsstark, bilde eine „wunderbare Gemeinschaft“ und diene der Gesellschaft, werde also nicht (wie Miss Sophie vom Butler) bedient.
Etwas später gekommen, wies OB Sebastian Remelé in seinem Grußwort auf die in Schweinfurt im kommenden Jahr zu eröffnende Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge und Asylsuchende hin und erbat auch hierzu das Engagement des Evang. Frauenbundes.
Ungeplant ergriff Dr. Rolf Gröner das Wort, um Bewunderung und Stolz für die Arbeit seiner Frau zu bekunden. Zwar gehöre er inzwischen „zum angegrauten Inventar“, doch könne er weiterhin seinen Obolos beitragen und überreichte demonstrativ eine private Sonderspende von 2000 Euro. Mit weiteren 2000 Euro vom Diakonischen Werk und 1000 Euro vom Landesverband Bayern konnte sich somit der Frauenbund über 5000 Euro freuen, wozu noch das Geld aus den Körbchen am Ausgang kommen sollte.
Die Fotoaktion zum Motto „Gutes gemeinsam tun“, zu der der Frauenbund im Vorfeld seines Jubiläums animiert hatte, zeitigte zwar nicht so viel Resonanz wie erwartet. Doch wurde unter anderem das Bild „Urgroßmutter mit Enkel“ von Rudolf Gampl prämiert.
Sodann durfte Wiltrud Wößner ihr eben erschienenes Buch „90 Jahre Evangelischer Frauenbund Schweinfurt e.V.“ in Reimform und „im Schnelldurchlauf“ vorstellen. Kombiniert mit zeit- und sozialgeschichtlichen Ereignissen der Stadt, rekapituliert diese Festschrift die wechselvolle Historie des Frauenbundes gerade über den garstigen Graben des Zweiten Weltkrieges, über Zerstörung und Wiederaufbau Schweinfurts hinweg: von einst 1260 Mitgliedern (1926) über 485 (1994) auf heute wieder über 1000.
Nach der verdienten Kaffeepause, adventlich untermalt vom Frauenchor „Harmonie“ und dem Schweinfurter Kinderchor, konnte endlich Regionalbischöfin Gisela Bornowski ihren Festvortrag zum Thema “Fremde unter uns“ halten - „zurzeit praktisch überall das Thema schlechthin“, aber kein neues, denn nach dem Krieg hätten gerade Fremdlinge unser Land geprägt. Zunächst fragte die Bischöfin nach dem biblischen Befund: Das Alte Testament schreibe Gastfreundschaft gegenüber Fremden groß, wie zum Beispiel der Besuch der drei Männer bei Abraham zeige (1. Mose 18): „Fremde können Engel sein.“ Von einer klassischen Migrantensituation und gelungener Integration erzähle das Buch Ruth. Aus Israels eigener Erfahrung der Fremdlingschaft in Ägypten und Babylonien resultiere das Gebot: „Du sollst den Fremden lieben wie dich selbst“ (3. Mose 19,34). Im Neuen Testament zeige die Weihnachtsgeschichte, dass es „keinen Raum in der Herberge“ gegeben und das Krippenkind bald die Flucht nach Ägypten angetreten habe. Jesus sei zeitlebens heimatlos gewesen, „ein Fremder, und ihr habt mich aufgenommen“ (Matthäus 25,35). Deshalb sollten auch Christen ihre Heimat immer als eine vorläufige begreifen.
Im zweiten Teil des Vortrages ging Bischöfin Bornowski auf die derzeitige Flüchtlingssituation weltweit und in unserem Land ein. „Auf der ganzen Welt ist große Not!“ Nicht nur 17 Mio. Menschen befänden sich derzeit auf der Flucht, sondern weitere 35 Mio. seien in ihrem eigenen Land heimatlos (sog. “internal displaced people“), z.B. 6,5 Mio. in Syrien, 1,6 Mio. in Pakistan oder 1,2 Mio. im Libanon. Von den somit über 50 Mio. Flüchtlingen habe die Bundesrepublik in diesem Jahr 200.000 aufgenommen, davon Bayern 40.000; ein Drittel von ihnen sei unter 18 Jahre alt. Exemplarisch schilderte die Geistliche die Situation der Christen im Irak und erzählte außerdem von drei Flüchtlingsfamilien im unterfränkischen Leutershausen.
Sie schloss ihr Referat mit der Frage, was wir konkret tun könnten, denn niemand wolle Fremdenfeindlichkeit. „Hilfe will koordiniert und organisiert sein.“ Wie in der Bibel gefordert, bräuchten Flüchtlinge unseren Schutz, da sie große Ängste hätten, sehr verletzlich und traumatisiert seien. Vorrangig gelte es, ihnen medizinische Versorgung zu vermitteln, Deutschkurse anzubieten, Behördengänge transparent zu machen, ihren Kindern bei der Einschulung zu helfen oder Nachhilfeunterricht zu geben. Man müsse ihnen aber auch missionarische Angebote unterbreiten, mit anderen Worten: sie auf den christlichen Glauben neugierig machen.
Laut Regionalbischöfin hat Jesus den Auftrag, Fremde aufzunehmen, „zur Chefsache gemacht“. „Darauf liegt bestimmt Segen.“ So eröffnet sich im kommenden Jahr für den Frauenbund Schweinfurt ein weite(re)s Betätigungsfeld, denn Heike Gröner wird die Arbeit mit Flüchtlingen und Asylanten garantiert, in Jesu Nachfolge, zur Chefsache erklären. Erst einmal darf aber weiter gefeiert und mit einem Gottesdienst am Sonntag in einer Woche – auf den Tag genau – an den Gründungstag 14. Dezember 1924, damals wie heute ein dritter Advent, erinnert werden. Vielleicht steht, wie an diesem Nachmittag, am Ende wieder der Choral „Nun danket alle Gott“.