Tagesordnung muss sein

Zur Plenumssitzung der Landessynode

Auf seine Rede war man gespannt: Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm

Schweinfurt, Mo., 23. Nov. 2015. Gäste wie du und ich mussten auf die Empore. Wie nur selten konnte man von dort oben auf ein randvolles Evangelisches Gemeindehaus in der Friedenstraße herabblicken. Eigentlich war es recht spannend mitzuerleben, was sich da unten abspielte. Denn dort tagte die Landessynode, das für 2,4 Mio. bayerische Protestanten zuständige Kirchenparlament. Von Nr. 1 bis Nr. 108 waren die Tischplätze mit den Namensschildern der Synodalen versehen. Besonders beäugt wurde der leere Platz von Dr. Markus Söder, des bayerischen Finanzministers. Er traf erst eine gute Stunde später unter Blitzlichtgewitter ein. Entlang der Fensterfront saßen die Vertreter des Landeskirchenamtes, sprich Landesbischof und alle Oberkirchenräte, an der Wandseite gegenüber die Ehrengäste, unter ihnen Dekan Oliver Bruckmann, OB Sebastian Remelé und Schweinfurts Landrat Florian Töpper – und auf der Bühne neben dem Rednerpult tagte das Präsidium, - bezeichnenderweise mit einem leeren Stuhl, nämlich dem des jäh verstorbenen Vizepräsidenten Hans-Christoph Bodenstab, dessen Foto in schwarzem Rahmen an der Seite stand und dessen an diesem Morgen noch mehrfach gedacht wurde.

Mit einer Andacht begann die vierte ordentliche Tagung der Synodalperiode 2014-20. Pfarrerin und Synodale Jacqueline Barraud-Volk von der Kirchengemeinde Marktbreit griff den Lehrtext des Tages auf: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Matthäus 5,9) und verdeutlichte ihn anhand der Vita des Franz von Assisi. Dieser Ordensgründer sei Inbegriff für ein Leben im Frieden gewesen. Sein Jugendtraum, Ritter zu werden, war durch das Miterleben des Krieges von Assisi gegen die Nachbarstadt Perugia geplatzt. Als geschlagener Ritter habe er erkannt: „Krieg ist kein Spaß.“ Das Bauen auf Krieg und Sieg erweise sich allemal als trügerisch.

Ans Plenum gewandt: „Wir stehen erst noch vor der Erkenntnis, dass wir eine Welt sind!“

Wie bei jeder guten Vereinssitzung war es auch beim Kirchenparlament Usus, zunächst die erforderlichen Regularien abzuarbeiten, Beschlussfähigkeit festzustellen, Personalia, Geschäfts- und Tagesordnung zu besprechen. Nicht gerade spannend, aber eben unumgänglich. Ob die Haushaltsberatungen „ein elementarer Gestaltungsakt“ sind, wie Jochen Lange, Vizepräsident der Regierung Unterfranken, in seinem Gruß bekundete, sei daher dahingestellt.

Natürlich gab es wesentlich mehr Grußworte, etwa das des Landrates Florian Töpper, der die ehedem Freien evangelischen Reichsdörfer Sennfeld und Gochsheim vorstellte und die Freie Reichsstadt Schweinfurt als „frühdemokratische Insel“ bezeichnete, aber sich genauso emotional „mit aller Entschiedenheit“ gegen die rechtsextremistischen Umtriebe in Stammheim aussprach.

Domvikar Dr. Pedro Müller/Würzburg verlas ein Grußwort von Bischof Friedhelm Hofmann, der die gegenseitige Einladung und Teilhabe an kirchlichen Veranstaltungen ausdrücklich begrüßte: „Wir leben in einem ökumenischen Zeitalter. Wir können weder gedenken oder feiern, ohne den anderen im Blick zu haben.“ Doch was das Jahr 2017 anbelangt, denkt Hofmann eher an den 400. Todestag des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn statt an Martin Luther. Immerhin: Es gelte, diese Zeit der Reformation und Gegenreformation ökumenisch aufzuarbeiten.

Und last but not least kam auch die Landessynodale des Dekanats Schweinfurt, Renate Käser, zu Wort mit ihrer inhaltlichen Reminiszenz an fünf Sitzungen und eine Reise des Landessynodalausschusses nach Wien und Ungarn im Zeitraum Mai bis Oktober 2015.

Die beiden großen Reden von Präsidentin und Landesbischof an diesem Tag sind sicher in der Tagespresse abgedruckt und gut kommentiert. Daher hier nur ein paar Streiflichter:

Dr. Annekathrin Preidel legte in ihrer Synodeneröffnungsansprache den Fokus auf das Engagement für die Flüchtlinge und dazu ein Plädoyer „für eine wohltemperierte Politik“ ab: Sie freue sich darüber, dass man „mit positiven Gefühlen“ auf die Ankommenden reagiere, - für sie Beweis dafür, „dass wir in einer intakten Gesellschaft leben“. Es sollte keine Angst geschürt, vielmehr eine „unaufgeregte Form der Integration und Inklusion“ gefunden werden: „eine nüchterne Leidenschaft zur praktischen Vernunft“ (so nach Helmut Schmidt). „Unsere Freiheit ist stärker als die Angst.“ Daran ändere auch Paris nichts. „Nur leere Kirchen machen Angst vor vollen Moscheen“ (so nach Margot Käßmann). Unsere Kirche dürfe sich jetzt nicht nur einseitig auf das Lutherjubiläum ausrichten, sondern müsse immer auch die Friedensthematik mit im Blick behalten. „Hinterm Horizont [von 2017] geht’s weiter“ (so nach Udo Lindenberg).

Auch in Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohms stark politisch und sozialethisch akzentuiertem Bericht stand der richtige Umgang mit Flüchtlingen im Vordergrund. Der Schutz des Fremdlings sei Kernthema des Glaubens. Der Bischof lobte den Einsatz der Kirchengemeinden und ihrer Initiativen im ganzen Land, exemplarisch den der Dekanate Heidenheim und Augsburg, die eine Arbeit mit Flüchtlingen im ländlichen Raum aufbauen bzw. Schritte ihrer Integration in den Arbeitsmarkt unternehmen. Es gelte, eine gute Balance zu finden zwischen spontanen Hilfsprojekten und dem Aufbau professioneller Standards. Für dieses und das kommende Jahr werde die Landeskirche jeweils 10 Mio. Euro für die Flüchtlingsarbeit zur Verfügung stellen.

Bedford-Strohm betonte, es dürfe keine Arbeitsteilung zwischen Humanität und Recht, sprich zwischen christlicher Barmherzigkeit und praktischer politischer Notwendigkeit geben, sondern beides müsse aufeinander bezogen werden. Ebenso wandte er sich gegen die Differenzierung von Gesinnungsethik, die landläufig den Kirchen, die keine Verantwortung zu übernehmen bräuchten, zugeschrieben werde, und Verantwortungsethik, der vermeintlichen Domäne der Politiker, die die Schließung der Grenzen forderten.

Der Landesbischof legte aus verantwortungsethischer Perspektive ein Drei-Punkte-Programm vor: Die Flüchtlinge müssten ordentlich registriert werden, sodann zeitnah einen Asylantrag stellen können und schließlich bei positivem Bescheid den Bleibestatus zugesprochen erhalten, um ihre rasche Integration bei uns zu ermöglichen. Für Abgelehnte müsse die Voraussetzung geschaffen werden, dass sie „auch in anderen Ländern würdig leben können, in denen sie Zuflucht finden.“

Bedford-Strohm schloss seinen Vortrag mit dem Bibelwort, mit dem er ihn betitelt hatte: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Timotheus 1,7).

Praktisch in allen Reden wurde begrüßt, dass die Landeskirche in ihrer Haltung zur Flüchtlingsthematik christliche Werte in den Vordergrund stellt. „Kirche ist immer Kirche in der Welt“, so Präsidentin Dr. Preidel. Aber auch das mahnende Wort, ja geradezu der Hilferuf von Oberbürgermeister Remelé, der sich mit einer Tag für Tag steigenden Belegungszahl in der Erstaufnahmeeinrichtung auseinandersetzen muss, sollte nicht ungehört verhallen: „Unsere Kapazitäten sind endlich.“

Am beeindruckendsten war das Mittagsgebet, als Vizepräsident Dekan Hans Stiegler noch einmal die Seligpreisung von den Friedensstiftern vorlas und – unter dem Glockengeläut der Gustav-Adolf-Kirche nebenan – zu einem einminütigen Schweigen aufforderte.