Der Festgottesdienst zum Reformationstag stand ganz im Zeichen der Diakonie – und des Gospels
„Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ Unter dieses Wort aus den Seligpreisungen Jesu hatte Michael Bammessel, der Präsident des Diakonischen Werkes Bayern, seine Festpredigt in Schweinfurt gestellt. In der bis auf den letzten Platz gefüllten St. Johanniskirche erinnerte er an seinen letzten Besuch zur Eröffnung der ersten Vesperkirche Bayerns vor knapp fünf Jahren. „Diakonie ist da, wo gegessen wird. Diakonie ist aber auch da, wo Menschen hungern.“
Menschen hungerten nicht nur nach Essen, sondern besonders auch nach Gerechtigkeit, so Bammessel. Und Gerechtigkeit, das sei in der Bibel weit mehr als die blinde Justitia, die ohne Ansehen der Person das Recht durchsetze. Es sei eine Gerechtigkeit, die weit darüber hinausgehe: Gott ist nicht blind. Er sieht den Menschen an: Den Elenden und Verzweifelten. Biblische Gerechtigkeit hat den Klang von Heil, Zuversicht und Hilfe.Â
Bammessel brachte mehrere Beispiele, wo „Gerechtigkeit“ heute nicht den Menschen dient. So sei es bei vielen Hartz IV-Empfängern, die oft in gebrochenen Lebenssituationen lebten und nicht in der Lage seien, die Vorschriften und Regeln genau einzuhalten. Ihnen ist oft ihr gesamtes Leben entglitten, sie kommen nicht mehr zurecht. Ist es gerecht, ihnen die Bezüge unter das Existenzminimum zu kürzen – selbst, wenn es den Gesetzen entspricht? Darüber wird demnächst das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben.Â
Aus biblischer Sicht, so Bammessel, bedeute Gerechtigkeit in so einem Fall nicht Strafe und Sanktion, sondern die Frage: Wie kommt ein Mensch wieder ins Leben zurück?
Diese Vorstellung sei auch in unserem Grundgesetz angelegt, aber heute oft in kleinteiligen Gesetzen verkümmert, die den Menschen nicht zum Leben helfen. So sei etwa das System der Krankenversicherungen eigentlich ein hervorragendes Netz, in dem die Starken den Schwachen solidarisch helfen. Und doch kommen alleinerziehende Mütter oder alte Menschen oft erst nach dem dritten Einspruch an die Hilfe, die sie benötigten. Ist das noch die Gerechtigkeit, die ursprünglich gemeint war?Â
Auch im Asylrecht gehe es sehr oft nicht gerecht zu; Sozialwohnungen seien ebenfalls kaum zu bekommen. „Da entsteht neuer Hunger nach Gerechtigkeit!“
Jesus sagt: Selig sind die, die diesen Hunger haben – nicht die, die aufgegeben und sich angepasst haben. Das gelte auch für die, die heute so gerne als „Gutmenschen“ verlacht werden. Das gelte auch für die Jugendlichen von Fridays for Future, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzten und ebenfalls Verachtung und Lächerlichkeit ausgesetzt seien.
Jesus steht auf der Seite derer, die den Glauben noch nicht aufgegeben haben. Und er sagt: „Sie sollen satt werden“. Das ist sein Versprechen.
Musikalisch hervorragend umrahmt wurde der Festgottesdienst von Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche mit dem Gospelchor PraiSing aus Bad Kissingen. Die jungen Musikerinnen und Musiker begeisterten die Gemeinde mit ihren mitreißenden und perfekt inszenierten Songs und brachten selbst die zurückhaltendsten Gottesdienstbesucher dazu, mitzuklatschen. Der große Applaus am Ende war hoch verdient.
Nach dem Gottesdienst lud das Dekanat wie schon seit vielen Jahren zu einem Stehempfang in der Kirche ein. Viele Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft nutzten die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen.