Visitation - 2. Tag

Die elf Stationen am Montag, 15. April, 8.00 – 21.45 Uhr

Dem Dekan im schwarzen Van unbedingt auf den Fersen bleiben; hier beim Passieren der Madenhäuser Kirche

Einen typischen Mustertag hinsichtlich des Visitationsgeschehens bildete der Montag, der spontan an die biblische Schöpfungsgeschichte erinnerte: „Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag“ – die Nacht dazwischen freilich so gut wie übergangen.

 

Station I: Mittelschule Maßbach: Sie liegt hoch über dem Ort, mit phänomenalem Blick über das anmutige Tal, mitten im Grünen. Rektor Wolfgang Wittmann und sein 15-köpfiges Lehrerkollegium befürchten aber die Vergänglichkeit ihrer Idylle: Innerhalb von zehn Jahren ging die Schülerzahl von 255 auf 131 zurück, denn Realschule und Gymnasium werben eifrig ab. Der Schulverbund Maßbach – Münnerstadt – Nüdlingen ist somit gefährdet. Und dabei ist „gerade im Landbereich die Schule einer der wichtigsten Lebensbereiche“, kommentiert Wittmann die Situation. Außerdem kann er voll zufrieden darauf hinweisen, dass in den letzten Jahren jeder seiner Schüler eine Ausbildungsstelle in der Region gefunden bzw. eine berufliche Fördermaßnahme erhalten hat. Außerdem wird sein Konzept der Ganztagsschule inklusive Hausaufgabenbetreuung vermehrt in Anspruch genommen mit zurzeit zwei Gruppen von insgesamt 42 Schülern. Auch zum Thema „Inklusion“ bietet er ein eigenes – das „Maßbacher Fördermodell“ – mit eigenem Förderlehrer und einer Sonderpädagogiklehrkraft an.

Wittmann betont den großen Stellenwert des Religionsunterrichtes bei der Werteerziehung; so haben sich Schülerinnen und Schüler an der Erforschung der jüdischen Ortsgeschichte beteiligt. Selbstverständlich wird auch der Einsatz von Pfr. Dr. Wolfgang Weich, dem Vertreter der 1. Pfarrstelle Lauertal, gelobt. Eigentlich alles paletti.

 

Station II: noch eine Schule, diesmal die Grundschule Poppenlauer, ebenfalls oberhalb des Pfarrdorfes gelegen. Rektorin Angelika Kothmann-Loos erwartet den Dekan und sein Gefolge in der hellen, lichtdurchfluteten Eingangshalle und führt durch das erst im letzten Jahr für 2,6 Mio. Euro energetisch sanierte Gebäude samt erneuerter Heizungsanlage. Aula, Turnhalle, eigenes Religionszimmer, dort Schautafeln des Schulprojektes „Die Kontinente“, an dem sich die Religionslehrkräfte mit dem Thema „Religionen der Welt“ beteiligten - die evangelische Religionspädagogin mit Vocatio Susanne Ziegler kann wahrlich zufrieden sein. Auch sie gibt ein Plädoyer für Werteerziehung ab. Nicht einmal jahrgangsgemischter Unterricht ist erforderlich. Schulgottesdienste am Anfang und Ende, dazu weitere drei Andachten während des Schuljahres sind hier eine Selbstverständlichkeit.

Alles picobello, aber auch diese Schule mit 16 Lehrkräften (inkl. TeilzeitlehrerInnen) ist in den letzten Jahren geschrumpft - von 240 auf 171 Kinder. Neben dem allgemeinen Geburtenrückgang ist dafür der berufsbedingte Wegzug vieler Eltern verantwortlich. Nicht viel anders sieht es an der Grundschule Thundorf mit Standort Rothhausen aus, die Frau Kothmann-Loos ebenfalls leitet. Eltern und politische Gemeinde wünschen aber den Erhalt dieser selbstständigen Schule.

 

Station III: zurück nach Maßbach zum Männertreff in der Pfarrscheune - mitten hinein in ein Referat über Schwerhörigkeit, Hörgeräte und die Kostenfrage. Männerarbeit, noch dazu vormittags, ist ein Spezifikum der Gemeinde Maßbach, eigentlich überhaupt die Ausnahme im kirchlichen Leben. Alle Achtung: Durchschnittlich 43 Männer – und nicht nur Senioren! – kommen dort seit Januar 2009 regelmäßig alle vier bis sechs Wochen zusammen, hoch motiviert und diskussionsfreudig. Leiter und Organisator Artur Schneider begrüßt Dekan Bruckmann als Ehrengast beim 35. Treff, aber leider wird ein anderer als insgesamt 1500. Besucher gewürdigt und beschenkt! Am Ende gibt’s eine gemeinsame Vespermahlzeit.

 

Station IV: noch ein Mittagsessen, diesmal im Mehrgenerationenhaus Zell, und wieder eine Besonderheit, die ihresgleichen sucht: Der dort ansässige evangelische Kindergarten lädt mehrfach im Jahr zu einem Beisammensein mit Senioren, diesmal zum Frühlingsessen, ein, direkt im Hause frisch zubereitet und mit köstlicher Bewirtung umrahmt. Der Dekan wird von Hausherrin Pfrin. Valerie Ebert-Schewe als „Oberpfarrer“ der anderen Pfarrerinnen und Pfarrer präsentiert. In seinem Grußwort zeigt er sich beeindruckt vom Gemeinschaftsgeist zwischen den Älteren und den ganz Jungen und bekommt auch gleich einen sog. „Visitationsteller“ gereicht. „Hallo, schön dass du da bist“ – das Willkommenslied der Kinder gilt natürlich nicht nur ihm genauso wie ihr bewegendes Anspiel über nun wieder anstehende Gartenarbeiten. Sie müssen es schließlich wissen, denn es handelt sich um einen Natur-Kindergarten, direkt am Waldrand gelegen. Ein „Waldtag“ pro Woche ist deshalb ein Muss.

 

Station V: der kürzeste Wege dieses Visitationstages: nur eine Treppe runter in besagten Kindergarten. Dessen Leiterin Sabrina Grebner stellt ihre Einrichtung mit 50 Plätzen und zurzeit 37 Kindern plus 11 Krippenkindern samt fünf Mitarbeiterinnen vor. Pläne des unmittelbar bevorstehenden An- und Umbaus zu einer Kita werden erläutert. Zell wächst und gedeiht offensichtlich. Man darf hoffen.

 

Station VI: in freier Natur Treff mit einem Landwirt aus Weipoltshausen: Horst Krauß, zugleich dort Kirchenvorsteher. Der Dekan will die Arbeitswelt der Gemeindeglieder kennen lernen und wird dazu nun mit dem Beruf des Holzrückers vertraut gemacht. Herr Krauß hat nämlich keine Tierhaltung mehr, sondern betreibt nur noch Ackerbau auf 27 ha und gewerblichen Holzverkauf. D.h., er schlägt bzw. kauft Holz auf, spaltet es ofenfertig zum Verkauf und trocknet es per Biogasanlage. Die Zukunft der  Landwirtschaft zeichnet er wenig rosig: Sie liegt für ihn in einem Großbetrieb in Maßbach.

 

Station VII: weiter on tour zu Land und Leuten: Besuch bei Peter Vollert in Üchtelhausen. Vollert, dort 1940 geboren, hat in Freiburg Bildhauerei sowie Holz- und Metallgestaltung gelernt, die Meisterschule in Aschaffenburg besucht und sich seit langem einen Namen als freischaffender Künstler für profane und sakrale Kunst gemacht. 2010 ehrte ihn die Kunsthalle Schweinfurt mit der Skulpturenausstellung „Alle meine Tiere“. Tierdarstellungen haben es ihm nämlich besonders angetan, andererseits aber auch religiöse Motive: Heilige jeglicher Couleur, Kreuzesdarstellungen… Wer in Schweinfurt und der weiteren Umgebung über den Hersteller eines Denkmals im Unklaren ist, sollte erst einmal auf Peter Vollert tippen: In seinem überladenen Atelier sind all seine Entwürfe oder Repliken irgendwo zu entdecken, sozusagen Schweinfurt en miniature, beispielsweise der bronzene Schweinhirt vom Zürch oder die Schlachtschüssel-Plakette in der Oberen Straße. Er unterhält den Dekan mit heiteren Anekdoten und zeigt ihm etliche Kataloge mit seinen Werken; ausgerechnet die Frauenfigur „Die Schamanin“ hält er für sein wichtigstes – es ist unverkäuflich.

 

Station VIII: Ebenfalls in Üchtelhausen hat Landwirtin Ulrike Mai, evangelische Kirchenvorsteherin in Zell, in einen alten fränkischen Hof eingeheiratet. Sie führt in dem katholischen Ort eine konfessionsverschiedene Ehe. Ihr Mann ist beim städtischen Bauhof Schweinfurt angestellt, denn der Hof kann nicht mehr die ganze Familie ernähren. Immerhin bewirtschaften sie 20 ha Acker, verkaufen Kartoffeln, haben zehn Mastschweine im Stall und 40 freilaufende Hühner – von der eigenen Obstbrennerei ganz zu schweigen. Die offerierte Brotzeit aus eigener Schlachtung und die kredenzten Getränke munden dem Dekan bestens.

 

Station IX: Zurück nach Zell und auf ins Survival-Camp! Jeden Montag treffen sich dort in der Alten Schule jugendliche Pfadfinder zur Gruppenstunde unter Leitung von Werner Stretz, seines Zeichens Architekt. Immerhin sind diesmal 14 Leute, rangmäßig Jugendpfadfinder, gekommen. Es soll unter ihnen auch „Wölflinge“ geben; nur von Rangers/Rovers ist noch keine Rede. Sie, die sich nach (Johann) Friedrich Emmert, einem natur- und Botanikbegeisterten Zeller Pfarrer Mitte des 19. Jh., benannt haben, repräsentieren sozusagen die dortige evangelische Jugend. Deshalb hat sich diesmal auch Katharina von Wedel, die Dekanatsjugendreferentin, hinzugesellt und ist voll Ohr. Die muntere Truppe stellt sich vor und schildert ihre Aktivitäten: Renovierung des Gruppenraumes, Altpapiersammlung, Gottesdiensthelfer am Fichtenbusch, Friedenslichtüberbringer und immer wieder hartes Lagerleben mit Nachtspielen, Feuermachen und Zeltaufbau. Stretz umreißt als Zielsetzung seiner Schützlinge, dass sie lernen, an sich selber zu wachsen und Verantwortung zu zeigen. Der Unterschied zwischen ihnen und einer normalen Jugendgruppe dürfte aber nur graduell sein.

 

Station X: Auf nach Madenhausen um 19.30 Uhr, wo schon ein achtköpfiger Frauentreff auf den Dekan wartet. Seit 20 Jahren bestehe dieser 14-tägig tagende Kreis, erläutert seine Leiterin Karin Benz; die älteste Dame sei inzwischen 92 Jahre alt. Sie basteln zusammen, hören Geschichten, haben Diskussionsstoff, feiern Geburtstage und machen ab und an ein Picknick. Dann müssen auch schon in einer Rätselrunde Dekan und Pfarrerin Ebert-Schewe biblische Redensarten erkennen. Es gelingt ihnen.

 

Station XI: Ebenfalls schon voll im Gang ist der wöchentlich stattfindende Bibelkreis in Volkershausen. Er begann vor 27 Jahren in Maßbach, fand dann abwechselnd dort und in Volkershausen statt, aber jetzt nur noch hier. Nicht der Pfarrer, sondern die Landeskirchliche Gemeinschaft gestaltet ihn; diesmal zeichnet Kurt Schmidt mit Frau für den Inhalt verantwortlich. Sie legen die Geschichte von Jesu Versuchung durch den Teufel (Lukas 4,1-13) mit aktuellen Bezügen, auch durchwoben mit persönlichen Bekenntnissen, aus. Die rege, engagierte Beteiligung der 15 Anwesenden fällt auf. Herr Schmidt sieht den Sinn dieses Treffs in gegenseitigem Austausch und im Einander-Hilfestellung-Geben. Kurzum: ein spirituelles Erlebnis am Ende eines langen Tages.

 

Um 21.45 Uhr tritt Dekan Bruckmann die Heimreise an. Eigentlich haben zu einer Via Dolorosa, dem klassischen Kreuzweg, nur drei Stationen gefehlt. Aber morgen ist ja wieder ein Visitationstag …

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