Visitation - 6. (vorletzter!) Tag

Sonnenschein und Wolkenhaus – erstes Fazit am 19. April

Am Kindergarten "Sonnenschein" in Poppenlauer: Dekan Oliver Bruckmann auch mal lustig

Neuer Tag- neue Chance. Der Freitag beginnt mit einer Begehung im – noch – evangelischen Kindergarten „Sonnenschein“ in Poppenlauers Hauptstraße. Hier geht bald eine Ära zu Ende: „Seit über 60 Jahren Ihr verlässlicher Partner bei der Erziehung Ihres Kindes“, lautet zwar immer noch der Werbeslogan. Noch ist auch Pfr. Dr. Weich der Vorsitzende. Aber ab dem 1. September wird es der Erste Bürgermeister Johannes Wegner sein, denn dann geht der Kindergarten, zur Kita ausgebaut, in die Trägerschaft der Marktgemeinde Maßbach über. Auch die katholische Gemeinde Poppenlauer gibt ihren „Wolkenhaus“-Kindergarten auf und zieht in dieses kommunale Areal um. Die Standortdiskussion hatte etliche Zeit die lokalen Medien beherrscht. Nun müssen also evangelisches und katholisches Team harmonisch zusammenwachsen und Zielsetzungen für ihre gemeinsame Arbeit entwickeln. Gegenseitiges Hospitieren und externe Supervision helfen bereits dabei. Natürlich achten beide Kirchengemeinden auf die weiterhin christliche Prägung der KiTa-Einrichtung.

Das Gespräch mit Noch-Leiterin Birgit Ortloff  dreht sich darüber hinaus um die sichtbaren, rasanten An- und Umbaufortschritte: Erweiterung um Krippenräume mit Dachterrasse und um einen Mehrzweckraum zum Turnen samt Küche und Essraum.

 

Das KiTa-Thema steht nicht beim anschließenden Besuch im katholischen Pfarramt auf der Tagesordnung. Keinen Steinwurf vom evangelischen Pfarramt entfernt, residiert schon seit 1982 Pfr. Manfred Finger und leitet, unterstützt durch Diakon Martin Weisenberger und den aus Indien stammenden Pater Joseph, in Deutschland seit 1980, die Pfarreiengemeinschaft Lauertal. Sie gehört zum katholischen Dekanat Bad Kissingen und umfasst neun Dörfer mit acht Pfarrgemeinderäten. Auch dieses Dreier-Seelsorgeteam ist mit Bevölkerungsschwund und damit einhergehender „Verschlankung“ seiner Gemeinden konfrontiert.

Faustregel: In den Ortschaften, wo es eine evangelische Kirche gibt, gibt es immer auch eine katholische. Dies markiert den Unterschied zum rein evangelischen Zellergrund ohne katholische Gotteshäuser! Ökumene wird im Lauertal u.a. erfahrbar bei gemeinsamen Trauungen,  Schulgottesdiensten und –andachten und bei Festen/Jubiläen, zu denen die Vereine beide Kirchen einladen. Jeden Monat trifft sich das katholische Seelsorgepersonal zu einem Predigtgespräch. Auch Pfr. Dr. Weich und Pfr. Finger werden demnächst wieder eine persönliche Konsultation führen.

 

Beim Besuch im Rathaus spürt man dem Ersten Bürgermeister der Marktgemeinde Maßbach, Johannes Wegner, die Erleichterung über die Einigung mit den beiden Kirchen betreffs Kindergarten-Neubau in Poppenlauer ab. Möge dieser den Bedürfnissen entsprechen, wünscht er und zitiert stolz eine Äußerung von Eltern, wegen der guten Versorgung ihrer Kinder sich noch ein weiteres zulegen zu wollen. Lobend erwähnt er darüber hinaus die Sozialstation der Diakonie und das Erhard-Klement-Haus mit stationärer Pflege.

Der Dekan bekundet seinerseits, wie sehr respektabel es sei, was der Markt Maßbach für Kinder leiste, und verweist dazu auf die großartige Ausstattung der besuchten Grundschule Poppenlauer (s. Tag 2). Wichtig sei aber auch, darauf zu achten, dass die Infrastruktur der kleinen Orte auf dem Lande gut erhalten bleibe. Der Bürgermeister zeigt exemplarisch den Zwiespalt auf, in dem sich seine Gemeinde befindet: einerseits die Ärzte- und Apothekenversorgung sowie die Einkaufsmöglichkeiten aufrechtzuerhalten, andererseits das Internet technisch auszubauen, obwohl gerade dieses den Einzelhandel bedroht.

Abschließend wird das Thema „Jüdisches Leben“ in Maßbach erörtert, die beeindruckende Arbeit der Spurensuche von Klaus Bub gewürdigt (s. Tag 5) und Möglichkeiten zur Etablierung eines entsprechenden Museums diskutiert.

Erstes Visitationsfazit

Zur Bündelung und Evaluation des Ganzen eignen sich am besten Pressetermine. Gleich zwei sind am Freitagnachmittag anberaumt, einer für die Bad Kissinger Zeitungen schwerpunktmäßig mit der Lauertal-Thematik, der andere für die Schweinfurter Presselandschaft mit der Zellergrund-Problematik.

Hubert Breitenbach, gekommen im Auftrag der Saale-Zeitung und Bad Kissinger Mainpost, einst 40 Jahre lang katholischer Religionslehrer vor allem an der Hauptschule in Münnerstadt, unterlegt das Statement des Dekans mit kritischen Reminiszenzen an eigene Erfahrungen mit Kirche. So sein Kommentar zu der Information, dass nach Maßbach bald ein neuer Pfarrer, keine Pfarrerin mehr komme: „Geht doch!“

Seitens der Mainpost Schweinfurt erscheinen Fotografin Waltraud Fuchs-Mauder und der Journalist Gerd Landgraf. Dekan Bruckmann umreißt noch einmal den Zweck seiner Visitation: genau auf das zu sehen, was die Menschen am Ort umtreibe und in welchen Kontexten sich die Kirchengemeinden „abspielten“, kurzum: sich ein umfassendes Bild zu machen.

Lobend geht er auf das allerorten spürbare, beeindruckende ehrenamtliche Engagement, beruhend auf fester innerer Überzeugung, ein: die Identifikation mit Glauben und Kirche, die sich in aktiver Gottesdienstbeteiligung zeige, z.B. wenn, wie in Madenhausen, bei (nur) 180 Gemeindegliedern manchmal bis zu 20 Kinder den Kindergottesdienst besuchten! Nicht zufällig habe die Beteiligung an der Kirchenvorstandswahl in Rothhausen 63,5%, in Madenhausen 59,4% betragen – dies die höchsten Zahlen im gesamten Dekanat bei einer durchschnittlichen Wahlbeteiligung von unter 20%.

Natürlich dürfe man die Augen nicht vor der demographischen Entwicklung verschließen, die kommunal wie kirchlich analog verlaufe und sich im Rückgang der Gemeindegliederzahlen niederschlage, etwa wenn die Zellergrund-Gemeinden innerhalb von zehn Jahren um 185 Glieder, die Lauertal-Gemeinden um 421 Glieder geschrumpft seien. Bruckmann hebt besonders den Wegzug vieler junger Menschen aus der ländlichen Region hervor.

Zugleich fragt Bruckmann: Wie kann man alt werden im Dorf? Seine Modellvision: keine stationäre Unterbringung in einer Anlage, sondern zentrales, betreutes Wohnen zu Hause. Die Älteren sollten länger in ihren vertrauten vier Wänden bleiben und dort versorgt werden. All dies könnten die Kirchengemeinden in Kooperation mit dem Diakonischen Werk Schweinfurt initiieren. Ein gutes Vorbild biete auch Zell mit seinem Mehrgenerationenhaus, wo Integration von Alt und Jung gelinge.

Summa summarum: Er habe kleine, aber feine Gemeinden mit langer Tradition vorgefunden, wo man noch „Verdichtung von Geschichte“ erleben könne. Viele würden sich für ihre Gemeinden einsetzen; es gebe sogar ein Potenzial an jungen Menschen. Von daher bedauert er, dass manche Zeitgenossen – selbst Kirchenvorsteher – den Finger einseitig nur auf gemeindliche Defizite legen würden. „Man darf sich nicht zu sehr in die Depression begeben.“ Längst sei das Kirchturmdenken überholt; Kooperationen gelte es zu verstärken.

Ferner würdigt der Dekan in beiden Pressegesprächen das vielfältige kirchenmusikalische Angebot: etwa den liturgischen Chor in Poppenlauer, die diversen Posaunenchöre und die Arbeit der Organistinnen und Organisten.

 

Den Kirchenmusikern in der Region gilt deshalb auch am Abend seine letzte Aufmerksamkeit: ein seltenes Treffen der Lauertaler mit denen vom Zellergrund in Volkershausen! Welch ein reicher Fundus: Die Leiterinnen und Leiter vom Kinder- und Jugendchor, von den Kirchenchören und Posaunenchören samt den Organisten tauschen sich über ihre Arbeit aus, benennen aber auch offen etliche Probleme: Oft sei es schwierig, an Feiertagen bei vier und mehr Gottesdiensten genügend Orgelspieler zu finden. Sodann müsse die Ausbildung zum Organisten stärker favorisiert werden. Kantorentage sollten regelmäßig(er) stattfinden und Bezirksposaunenchortreffen nicht mit zu hohen qualitativen Anforderungen verbunden sein.

Der Dekan betont dankbar den Wert der Kirchenmusik, die selber ein Stück Verkündigung sei,  Erfahrung von Gemeinschaft vermittle und nicht zuletzt „böse Geister“ vertreibe (dies frei nach M. Luther). Heute kehrt er vielleicht mit einem Lied auf den Lippen heim. Zumindest wird er so richtig ausschlafen, denn am Samstag legt der Visitator eine Pause ein.