Go West, wo die größere Freiheit wohnt

Verabschiedung von Pfarrer Manfred Herbert aus dem aktiven Dienst

Wie er leibt und lebt: Pfarrer Manfred Herbert

Schweinfurt, So. 23. Febr. 2014. Die Gustav-Adolf-Kirche und hernach das Evangelische Gemeindehaus nebenan waren proppenvoll, obwohl die Nachricht, dass Manfred Herbert zum 1. März seinen Ruhestand antreten werde, erst eine Woche vorher kommuniziert worden war. Denn gerade eben hatte der Pfarrer seinen 63. Geburtstag begangen. Eigentlich noch kein Grund, sich vom aktiven Pfarrdienst - auf den Tag genau zehn Jahre in Gustav Adolf -, zurückzuziehen, schon gar nicht für einen so dynamisch wirkenden wie ihn. Aber die doch angeschlagene Gesundheit – das Herz! – ging vor!

„Leite uns, Herr, lenke das Denken, dass wir erkennen, was wichtig ist.“ Pfarrer Herbert hielt sich offenbar an die Weisheit dieses Liedes, das er mit sonorer, deutlich heraushörbarer Bassstimme mit dem Kirchenchor unter Leitung von Marina Skrzybski von der Empore aus anstimmte. Überhaupt gab es in diesem Abschiedsgottesdienst viel Musisches, denn Musikalität inklusive Gitarre- und Geigenspiel wurden dem späteren Pfarrer sozusagen schon in die Wiege gelegt. Wo es daher an diesem Tag etwas zu singen gab, summte er zumindest spontan die Melodie dazu, - etwa beim Regenschirmlied des Gustav-Adolf-Kindergartens unter seiner Leiterin Natalie Leirich.

Andererseits öffnete der belesene Pfarrer noch einmal alle Schubladen seines Wissensschatzes: So erinnerte er in der Begrüßung der Gemeinde an den 450. Todestag des Allround-Künstlers Michelangelo und meinte, wie dieser müssten er und die gesamte Pfarrerzunft eigentlich ebenfalls Universalisten sein. In seinem nicht minder gelehrten Predigtvortrag über die zweite Missionsreise des Paulus erläuterte er en detail per Landkarte den Reiseweg des Apostels und dessen Missionsstrategie. Dieser habe Christus als Ende des Gesetzes und der Beschneidung verkündet, die Freiheit als „ureigenes christliches Programm“ propagiert und die Ausbreitung des Evangeliums unter allen nichtjüdischen Völkern vorangetrieben.

Dabei sei Paulus zwar an einer neuen Grenze, dem weiten Meer im Westen Kleinasiens, angelangt. Aber dies sei für ihn nicht Land’s End oder Finisterre gewesen, sondern „Go West“ habe der göttliche Appell an ihn gelautet: „Europa ruft! Ein heidnischer Kontinent bittet um das Evangelium.“ Herbert verschwieg aber auch nicht, wie viel Leid und Kriege seitdem vom christlichen Abendland, dem seinerseits „gequälten Kontinent“, ausgingen, und betonte dessen bleibende Wort- und Missionsbedürftigkeit – hoffentlich fortan nur „mit geistlichen Waffen“! Wir alle hätten neu zu lernen, unser Inneres dem Evangelium zu öffnen: „Maranatha – ja, komm, Herr Jesus!“

Immer wieder spürte man dem Geistlichen Pathos und Begeisterungsfähigkeit ab, weshalb ihn Dekan Oliver Bruckmann in seiner anschließenden Würdigung auch als einen „außergewöhnlichen Typ Pfarrer“ charakterisierte. Unter Rückgriff auf Jesu Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld zeichnete er dessen Vita nach: Abitur in Würzburg, Theologiestudium in Heidelberg, Tübingen, München und Erlangen mit Schwerpunkt Sozialethik; ab 1981 Vikar in Fürth-St. Michael; 1983 Ordination, dann Stellenteiler in St. Paul Würzburg-Heidingsfeld, Beurlaubung und wieder Teildienst in Rottendorf vor Würzburgs Toren – dies wegen erforderlicher Mitarbeit im elterlichen Betrieb.

Die exzeptionelle Geschichte des Pfarrers bestand nämlich in der Bewirtschaftung eines „geteilten Ackerfeldes“: Er war nicht nur Theologe, sondern viele Jahre Privatunternehmer, der den elterlichen Landmaschinen-Großhandel führte. Leider trug er danach ebenso viele Jahre schwer an der Insolvenz – finanziell und gesundheitlich, was letztlich den Ausschlag zur vorzeitigen Pensionierung gab. Deshalb fragte der Dekan am Ende eher rhetorisch-resümierend: „Worin besteht der Ertrag dieses Weges?“ Er wünschte dem Scheidenden „gute, erfüllte Jahre in Gesundheit und Zufriedenheit“ zusammen mit seiner Frau Heike und Sohn Matthias und segnete ihn vor dem Altar nach offizieller Versetzung in den dauernden Ruhestand.

Auch wenn nicht alle seine Saaten aufgingen oder lange überlebten – Manfred Herbert hat auf vielen Gebieten seinen Fingerabdruck hinterlassen und selbst „an unmöglichsten Stellen Samen auszustreuen versucht“, wie die Landtagsabgeordnete und frühere kirchliche MAV-Vorsitzende Kathi Petersen bekundete und insbesondere seinen Einsatz in der Allianz für den freien Sonntag hervorhob. Zuvor hatte Schweinfurts OB Sebastian Remelé den Grußwortreigen im Gemeindehaus eröffnet und auf Herberts Anteil an der guten ökumenischen Zusammenarbeit der Stadtkirchen verwiesen.

Um den engagierten kda-/afa-Pfarrer mit sozialethischem Gewissen zu ehren, war eigens Klaus Hubert, der neue Landesgeschäftsführer der Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in Bayern, aus Nürnberg angereist: „Sie haben Kirche in Betriebsstätten gebracht!“ Des Weiteren kam Herberts Einsatz für Asylbewerber zur Sprache; noch am Vormittag hatte er sechs getauft!

Seine Mitarbeit im CVJM und sein Herz für die Jugendarbeit stellte Horst Ackermann, Schweinfurts Leitender CVJM-Sekretär, lobend heraus. Marcus Reuter, Stiftsdirektor des Augustinum, repristinierte die gute Nachbarschaft; Seelsorger Herbert habe stets ein offenes Ohr für die Bewohner gehabt und ihnen „Worte des Trostes in leidvollen Stunden“ vermittelt.

Senior Pfr. Dr. Wolfgang Weich sprach in 9,5 Thesen (!) den Dank des Pfarrkapitels für „Kollegialität und Einsatz“ des Pfarrers aus; dieser habe immer wieder seine Stimme gegen die Rationalisierung von Menschen erhoben.

So konnte die Vertrauensfrau des Kirchenvorstandes, Monika Schwarz, am Schluss nur die Vorredner(innen) bestätigen: dass Pfarrer Herbert viel Bewegung in die Kirche gebracht habe, auch wenn manchmal seine Sozial- und Personenkritik etwas scharf ausgefallen sei.

Nun „winkt“ dem unkonventionellen Pfarrer i.R. „die größere Freiheit“ (K. Petersen). Er wird zunächst in Poppenhausen bei Schweinfurt wohnen. Aber wohin das Schiff, das sich Gustav-Adolf-Gemeinde nennt, segeln wird, bleibt ungewiss. Zunächst übernimmt der Dekan höchstpersönlich die Pfarramtsführung. Auch er ist ein Multitalent, manchmal unkonventionell, vor allem aber für klare Verhältnisse bekannt.

(FOTOS FOLGEN NOCH !!)