Ökumenischer Gottesdienst auf dem Schweinfurter Marktplatz
Schweinfurt, Pfingstmontag 5. Juni 2017. Es sollen laut Presse rund 600 Menschen, nach euphorisch anmutender Zählung sogar über tausend gewesen sein, die den Ökumenischen Gottesdienst auf dem Marktplatz mitfeierten. „Pilgergruppen“ (so Dekan Oliver Bruckmann) hätten sich, zum Teil zu Fuß, hierher auf den Weg gemacht: aus Niederwerrn, Zell, Obbach, Oberndorf. Sie blickten erwartungsvoll-andächtig auf ein aufgebautes Podium vor der malerischen Kulisse des Alten Rathauses.
Thema: natürlich das Reformationsjubiläum 2017, aber auch all das, „Was uns bewegt“ - so der offizielle Titel der Veranstaltung, und das war dann doch recht viel.
„Ja, wir sind eine ökumenische Kirche“, verlautbarte der Dekan in seiner Begrüßung: „Wir ergänzen uns, bereichern uns, schließen einander nicht aus. Ein Geist! Frohe Pfingsten!“ Ökumene bedeutet natürlich Mitbeteiligung anderer Konfessionen, zuallererst der katholischen Kirche, repräsentiert durch den ehemaligen Stadtdekan, jetzt Pfarrvikar Stefan Redelberger und durch Diakon Dr. Michael Wahler, den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirche in Schweinfurt (AcK). Seitens der Evangelisch-Methodistischen Kirche wirkte Pastor Andreas Jahreiß, ebenfalls AcK-Vorstandsmitglied, mit.
Zum Gottesdienstbeginn sprach Pfarrvikar Redelberger das Sündenbekenntnis: ein Bekenntnis der Schuld, dass die Kirche in viele Teile gespalten sei und dadurch Gottes Botschaft „verdunkelt“ werde. Doch: „Wir wollen heute ein Zeichen setzen für die Einheit“, und er gab der Sehnsucht aller nach versöhnenden, verbindenden Schritten Ausdruck. Dazu erbat er die Sendung des Heiligen Geistes.
Pastor Jahreiß gedachte in einem Gebet der Opfer des Terrors, besonders der in London, und aller Menschen, die unter Krieg, Hunger und Elend litten. Diakon Dr. Wahler las das Evangelium des Tages, Jesu Verheißung des Pfingstgeistes anlässlich seines Abschiedes (Johannes 14).
Stimmungsvoll untermalt wurde die gemeinsame Feier durch den Evangelischen Posaunenchor Schweinfurt unter Leitung von Wolfhart Berger und durch die Gruppe Godspell, d.h. die Pfarreiband von St. Peter und Paul. Trotz der unterschiedlichen Diktion und des Arrangements der Lieder ergänzten sich beide tadellos.
Es schloss sich eine streckenweise heitere, unterhaltsame Dialogpredigt an, eher ein Talk zwischen Dekan Bruckmann und dem katholischen Geistlichen Redelberger. Letzterer begann gespielt provokativ-satirisch, „ob nicht schon in Rom ein Heiligsprechungsantrag für Martin Luther“ vorliege – von Landesbischof Bedford-Strohm eingereicht? „Sankt Luther?“, konterte der Dekan; er sei froh, wenn „der Spuk wieder zu Ende ist“, und verwies auf viel Quatsch im Gefolge des Jubiläums, etwa Luther-Bonbons, Luther-T-Shirts oder Luther-Socken. Vielmehr dürfe es nicht um Luther gehen, der selber nicht im Mittelpunkt hätte stehen wollen, auch nicht um eine Kirche, die sich selber predige, sondern um die Verkündigung Jesu Christi in der Alltagssprache der Menschen.
Hier folgte der theologische Teil: „Gott ist es, der alles Leben schafft. Jesus gibt diesem Gott ein Gesicht und zeigt, dass Gott es gut mit uns meint. ‚Ich und der Vater sind eins.‘ Das heißt: Er ist ganz der Vater. Wer sich an den Sohn hält, ist so gut wie beim Vater.“ Auch Luther sei in ihm gut aufgehoben, womit der Dekan an Luthers dunkle Seiten – seinen Aufruf zum Aufstand gegen die Bauern und gegen die Juden – erinnerte.
Dem pflichtete Redelberger bei: „Weil Jesus Christus weit weg ist, nehmen wir Personen, die uns nahe sind, als Projektionen. Doch wir sind eine Jesus-Kirche!“
Themenwechsel: Redelberger fragte nach dem Stellenwert des Abendmahls in der evangelischen Kirche. Bruckmann: Es sei das sichtbare Wort Gottes. Wort und Sakrament gehörten eng zusammen, konzedierte aber, dass nicht jeder evangelische Gottesdienst wie eine Messe mit Eucharistiefeier begangen werden müsse. Eigentlich dürften Katholiken und Evangelische gemeinsam das Abendmahl feiern, weil doch beide an Christi Gegenwart im Abendmahl glaubten. Dies bestätigte der katholische Kollege: „Wir stehen uns vielleicht näher, als wir glauben.“ Zwischenapplaus.
Themenwechsel: Um die Werke der Barmherzigkeit, um Diakonie ging es nun. Dazu zitierte Dekan Bruckmann frei einen Theologen: Man dürfe Liturgie erst dann schön singen und feiern, wenn draußen niemand mehr in Not sei. Dieses Wort erinnerte natürlich an den Bonhoeffer-Ausspruch aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, die Kirche dürfe nur gregorianisch singen, wenn sie zugleich für die Juden schreie. Der Dekan: „Diakonie ist Gottesdienst im Alltag und Dienst Gottes an den Menschen.“ Redelberger: „Dienst am Nächsten ist das Merkmal, woran man Christen erkennt.“
Und so machten beide in trauter Harmonie weiter mit nurmehr angedeuteten Themen wie „Schutz des Lebens vom Ungeborenen bis ins hohe Altar“, „Bewahrung der Schöpfung“, „Einsatz für Frieden und Abrüstung“, „Engagement für Füchtlinge“ und „Interreligiöser Dialog“.
Das allversöhnliche Fazit: „Wir sollten Worte der Kirche gemeinsam finden und sprechen. Die werden am meisten beachtet. Und aus den Begegnungen lernen.“ Großer Applaus.
Sicher war dieser Gottesdienst nicht nur wieder eines von vielen Mut machenden Zeichen ökumenischer Verbundenheit auf lokaler Freundschafts- und Kollegenbasis, sondern wirkte tatsächlich ansatzweise wie der Prototyp für eine Unisono-Zukunft aller Kirchen. Ja, für einen Moment glaubte man das Gottesreich mitten in Schweinfurt angebrochen. Aber leider mahlen weiterhin die kirchen-institutionellen „Mühlen“ mit ihren Dogmen irgendwie noch anders und vor allem sehr, sehr langsam.
Nachdem sich die Pilgermenge an etlichen eigens für diese Veranstaltung organisierten Verpflegungsständen hatte laben können, begann es auch schon zu regnen. Die irdische Realität hatte sie wieder eingeholt.