Ein feste Burg ist unser Gott

Festkonzert zum 500. Jahrestag der Reformation in der Erlöserkirche

Das nennt man Teamwork: Der Meister und sein Schüler. KMD Jörg Wöltche und sein Registrant Johann Ruppert. Foto: Peter Klopf

Bad Kissingen, 31. Okt. 2017 (klk). Kein anderer Choral hat den Protestantismus derart geprägt wie Luthers Trutzlied „Ein feste Burg ist unser Gott“. Das Lied ist für den Protestantismus von großer Symbolkraft. Heinrich Heine bezeichnete es als „Marseiller Hymne der Reformation“. Immer wieder wurde das Lied in Zeiten äußerer Bedrängnis oder zum Bekenntnis des eigenen Glaubens von Protestanten gesungen. Die typische lydische Quartwendung, versteckt im Mittelteil „Der alt böse Feind, mit Ernst er’s jetzt meint“, ist als Kopfmelodie zu „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ verwendet worden. Friedrich Engels bezeichnete das Lied als „Marseillaise der Bauernkriege“.

„Ein feste Burg ist unser Gott“ ist ein Choral, dessen Text von Martin Luther wohl vor 1529 geschrieben wurde. Auch die Melodie gilt als sein Werk. Der Text ist angelehnt an Psalm 46: „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke“. Die älteste überlieferte Quelle stellt die „Augsburger Form und Ordnung geistlicher Gesang und Psalmen“ von 1529 dar. Gedruckt wurde das Lied auch im Erfurter Gesangbuch von Andreas Rauscher (1531). Darüber hinaus erfuhr „Ein feste Burg ist unser Gott“, beginnend mit den Befreiungskriegen Anfang des 19. Jh., eine nationale Aufladung als Kampflied über den engeren religiösen Sinn hinaus. Davon zeugen die Einbindung in national-deutsch ausgerichtete Feiern wie das Wartburgfest 1817 oder die Einweihung des Lutherdenkmals in Worms 1868. Einen Höhepunkt erreichte die national-militaristische Instrumentalisierung während des Ersten Weltkriegs, als insbesondere die Zeilen „Ein feste Burg ist unser Gott“ sowie „Und wenn die Welt voll Teufel wär“ weite Verbreitung fanden (beispielsweise auf Kriegsansichtskarten).

Wie aktuell das Lied noch immer die Herzen berühren kann, zeigte das Festkonzert zum 500. Jahrestag der Reformation in der Bad Kissinger Erlöserkirche mit Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche an der Steinmeyer-Orgel. Der Choral erklang zunächst in Werken von der Renaissance bis zum Frühbarock von Michael Praetorius (1571–1621) als Choral-Phantasie, von Nikolaus Hanff (1663–1711) als Choralvorspiel, von Franz Tunder (1614–1667) als Choralphantasie und von dessen Schwiegersohn Dieterich Buxtehude (1637–1707) ebenfalls als Choralvorspiel. Die Romantik war mit Max Reger (1873–1916) und seiner voluminösen Vertonung op. 27, die alle vier Strophen des Chorals vertont, vertreten. Neben der Textzeile „Und wenn die Welt voll Teufel wär“, die hochdramatisch bis zur 14-Stimmigkeit ausgereizt wird (mit der Melodie im rechten Fuß des Pedals), bekommt der Schluss „Das Reich muss uns doch bleiben“ ein besonderes Gewicht. Die Barockzeit war vertreten durch Johann Pachelbel (1653–1706), dem Organisten von St. Sebald in Nürnberg. Er hat u.a. in Erfurt den älteren Bruder von Johann Sebastian Bach, Johann Christoph Bach, als Orgelschüler unterrichtet. Hier erklingt ein Choralvorspiel. Von Johann Sebastian Bach (1685–1750) hörte man das einzige Orgelwerk, das durchgehende Registrierangaben enthält. Ob die Registrierangaben in Bachs Werk von ihm selber oder möglicherweise von seinem Schüler Johann Gottfried Walther (1684–1748) stammen, wird in der Bach-Forschung noch diskutiert. Von Walther erklang ebenfalls ein Choralvorspiel.

Die Moderne kam durch den Schweizer Komponisten Willy Burkhard (1900–1955) zu Wort, der nach einer längeren freien Phantasie die dritte und vierte Strophe durchkomponierte. Mit dem Beginn der dritten Strophe bricht ein Inferno aus, das durch so genannte 33er-Akkorde gekennzeichnet ist - das sind Akkorde, in denen die Dur-Terz eines Akkordes in der Mittellage und die zugleich gespielte Moll-Terz in der hohen Lage erklingt.

Bei der letzten Strophe wird als dritte Hand eine des Registranten (Johann Ruppert, 12 Jahre alt und Orgelschüler von KMD Jörg Wöltche) zum Mitspielen benötigt, um alle Töne greifen zu können. Vorne weg, Johann Ruppert machte seine Sache hervorragend. Voll konzentriert war er trotz seiner jungen Jahre ein adäquater Partner von Wöltche. Der Kirchenmusikdirektor, seinerseits brillant wie gewohnt, interpretierte die Werke mit einer Leichtigkeit und Freude zum Detail und ließ den Abend zu einem außergewöhnlichen Kunstgenuss werden, der einen als Zuhörer tief im Herzen berührte. Dank einer Videoübertragung auf eine Leinwand im Altarraum konnten die Zuhörer sein filigranes Spiel über drei Manuale und gleichzeitig die Fußarbeit auf den Pedalen mitverfolgen. Pfarrerin Christel Mebert würdigte seine phänomenalen Leistungen mit den Worten: „Mit diesem Konzert und dem Choral kann man das Jubiläumsjahr in idealer Weise abschließen.“ Die Frage, die dennoch bleibt: Was steckt hinter dieser Melodie, dass sie einen auch nach 500 Jahren so beeindruckt und die Freude am Glauben und das Gottvertrauen erneut entfacht?

Text u. Fotos: Peter Klopf