PRESSESCHAU: "Ich bin da am Sonntag - Du auch?"

Mit Aktions-Sonntag will evangelische Kirche mehr Menschen ansprechen

Schweinfurt, 23. Okt. 2016. Dass das kein normaler Sonntagsgottesdienst ist, war nicht zu übersehen. An jeder zweiten Kirchenbank in St. Salvator war mit weißen Schleifen eine Rose angebracht. Mitten im Gang standen Stehtische mit Kaffeetassen und Kuchen. „Ich bin da – du auch?“. Unter diesem Motto haben die evangelischen Kirchengemeinden im ganzen Dekanat Schweinfurt eingeladen, „einfach mal wieder in die Kirche zu kommen“. [...]

Die Aktion geht zurück auf die Initiative „back to church“ in Großbritannien. Seit rund zehn Jahren arbeiten Kirchen und Gemeinden in der anglikanischen Kirche mit dem Gottesdienst als Chance zu einer guten Erfahrung für Kirchenfremde. Sie motivieren Engagierte, gemeinsam zu einem gastfreundlich gestalteten Gottesdienst an einem zentralen Termin einzuladen.

Eine Auswertung im Jahr 2012 ergab, dass dadurch in Großbritannien schätzungsweise rund 77 000 Menschen neu oder zum ersten Mal seit Langem wieder zu einem Gottesdienst kamen. Das Ziel, Menschen eine Chance zu geben, (wieder) etwas von Gott zu erfahren, und ihnen damit mögliche Kontaktpunkte zum Glauben zu eröffnen, wird nun auch in Deutschland „versucht“, am Sonntag eben vom Dekanat Schweinfurt. Die Resonanz, so scheint es, war insgesamt gut.

Die Glocken der kleinen Salvatorkirche hatten sich kurz vor neun Uhr alle Mühen gegeben, wenngleich hier der große Ansturm ausblieb. „Nur“ 25 Besucher waren gekommen – und damit nicht viel mehr als sonst. Sie aber erlebten Besonderes, ein kostenloses Konzert mit Petra Hurth an der Orgel und Geigerin Karin Baltes inklusive. Nicht nur die üblichen Kirchenlieder wie das Gloria wurden intoniert, es gab auch Klezmermusik und am Ende das gemeinsam gesungene „Möge die Straße uns zusammenführen“, das dazu auffordert, sich möglichst bald wiederzusehen. Wo? Natürlich in der Kirche, beim nächsten Gottesdienst.

Pfarrer Andreas Grell beleuchtete kurz den Hintergrund des Aktions-Sonntags „Ich bin da – Du auch?“. Das Motto fußt auf der Begegnung von Mose mit Gott am brennenden Dornbusch in der Wüste, wo ihm Gott mit den Worten „Ich bin da, ist mein Name“ den Auftrag erteilt, „mein Volk aus der Gefangenschaft zu führen“.  Wer der Meinung sei, alles alleine zu schaffen, niemanden zu brauchen oder einfach keine Schwäche zeigen zu dürfen, dem falle es schwer, Gott zu begegnen, sagte Grell in seiner Predigt. Aber gerade in den Dornen und Stacheln des alltäglichen Lebens nach Gott Ausschau zu halten, „das lohnt sich“, so der evangelische Pfarrer [...]. Es gebe freilich immer wieder Situationen im Leben, „in denen wir Sehnsucht haben, dass der Himmel aufreißt und Gott sich zeigt“, so Grell weiter. Etwa wenn unser Leben durch Krankheit bedroht ist, man einen geliebten Menschen verloren hat, wir brennende Fragen haben, Zweifel in einem bohren, wenn uns die Frage nach dem Warum bei dem oder jenem Ereignis nicht loslässt. Und: Wenn einer nach Hause kommt und keiner mehr da ist, der sagt: „Schön, dass Du da bist“. Dieses „Ich bin da“ brauchen wir für unser Leben, „egal, was ist“. [...]

Der Aufforderung zur abschließenden Begegnung mitten im Kirchenraum folgten alle. Es gab interessante Gespräche bei Kaffee und Kuchen, und der eine oder andere wird sicherlich Bekannte zum nächsten Gottesdienst einladen mit den Worten: „Ich bin da am Sonntag – Du auch?“

(aus: Schweinfurter Tagblatt, 24.10.16, S. 25; Text: Hannes Helferich)

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