Wenn Frauen reden müssen

23. Evangelischer Dekanatsfrauentag

 

 
Dekan Oliver Bruckmann erzählte von seiner Bühnenrolle; hinter ihm die Oberndorfer Barden mit: "Wo geht der Weg nach Oberndorf?" Kurzweiliges Anspiel des Leitungstrios der Dekanatsfrauen (v.l.): Brigitte Buhlheller, Barbara Hellmann u. Cordula Selbmann

 

Niederwerrn, Sa., 19.11.2011. Der diesjährige Dekanatsfrauentag fand treffend im Martin-Luther-Gemeindehaus zu Niederwerrn statt. Denn er stand ganz im Zeichen der Luther-Dekade und widmete sich unter dem Motto „Von der Freiheit einer Christenfrau“ Frauen der Reformationszeit. Vorsitzende Brigitte Buhlheller betonte vor gut 80 Damen, dass es zwar ohne einen Martin Luther, Philipp Melanchthon oder Johannes Calvin keine Reformation gegeben hätte, aber dass es genauso die Frauen zu würdigen gelte, die die protestantische Bewegung mit Wort und Tat unterstützten.
Die Oberndorfer Barden in ihrer mittelalterlichen Tracht stimmten musikalisch in das Thema ein. Vom „lobenswürdigen Baurenstand“ [sic!] sangen sie, aber auch, dass „die Bauern wollten Freie sein“. Sodann illustrierte ein heiteres Anspiel des Führungstrios der Dekanatsfrauen die große Aufbruchstimmung jener Zeit, aber auch die prekäre Situation von Frauen damals.

Referentin Gudrun Wurmthaler / Coburg ging in einem ersten Vortrag auf die Vita von zwei gerade im Schweinfurter Raum gut bekannten Reformatorinnen ein: So habe Argula, in der Oberpfalz geborene  Reichsfreiin von Stauff und verheiratet mit dem fränkischen Ritter Friedrich von Grumbach, schon früh öffentlich das Wort und die Feder für Luther ergriffen, kirchliche Missstände, vor allem den Zölibat, angeprangert und sich für bessere soziale Zustände im Lande eingesetzt. Allein sieben Flugschriften, in einer Auflage von 30.000 Stück vertrieben, veröffentlichte sie im Jahr 1523, womit sie die erste evangelische Publizistin gewesen sein dürfte. Besonders legte sie sich mit der Universität Ingolstadt an, die einen Wittenberger Magister namens Arsacius Seehofer unter Androhung von Gefängnis und Verbrennung zum Widerruf vermeintlich ketzerischer Artikel zwang, obwohl man ihn nicht mit biblischen Aussagen hatte widerlegen können.  Luther anerkennend über Argula: „Diese edle Frau kämpft einen großen Kampf mit hohem Geist.“ 1530 trafen sich beide auf der Veste Coburg. Ihre Gegner aber titulierten sie „lutherische Hure“ und „Tor zur Hölle“ und verfassten Schmähgedichte. Ihrem katholisch bleibenden Mann wurden deswegen Amt und Pfründe entzogen, sie verarmten. Doch blieb sie ihrer Devise treu: „Wenn Männer aus Furcht schweigen, müssen Frauen reden.“   
Nach Argula von Grumbach, die wahrscheinlich gegen Ende ihres Lebens auf Schloss Zeilitzheim im Landkreis Schweinfurt wohnte und dort am 23. Juni 1568 starb, hat übrigens die Evang.-luth. Landeskirche in Bayern eine Stiftung zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Kirche und Gesellschaft benannt.
Immerhin vier Jahre verbrachte eine andere Reformatorin in Schweinfurt: die Gelehrte und Dichterin Olympia Morata, aus Ferrara stammend, vom Schweinfurter Humanisten Johannes Sinapius erzogen und mit dem Schweinfurter Arzt Andreas Grundler verheiratet. Sie trat als Übersetzerin von Luthers Schriften ins Italienische hervor, um auch ihre Landsleute „an den göttlichen Gaben teilhaben“ zu lassen, und kam deswegen 1550 mit ihrem Mann als Glaubensflüchtling in seine Heimatstadt. Aus gesundheitlichen Gründen konnte sie einen Lehrstuhl für Griechisch an der Universität Heidelberg nicht mehr annehmen. Nur 29 Jahre alt, starb sie dort 1555 an der Tuberkulose.
Wie Dekan Oliver Bruckmann in seinem Grußwort ausführte, habe Argula von Grumbach während seines Studiums nur „in Fußnoten eine Rolle gespielt“. Dies hätte sich aber schlagartig in seiner Zeit als Pfarrer in der Oberpfalz geändert, denn 1992 sei im Dekanat Regensburg der 500. Geburtstag dieser „phantastischen Frau“ groß gefeiert worden. Dabei habe er selber auf der Bühne den Magister Arsacius Seehofer verkörpert. Bekanntschaft mit Olympia Morata machte der Dekan freilich erst in Schweinfurt, als er sich während einer Grippeerkrankung näher mit ihrem kurzen Leben befasste.

In einem zweiten Vortrag beantworte Gudrun Wurmthaler die Frage: „Was hat die Reformation den Frauen gebracht?“ Sie habe zur Aufwertung der Ehe als gottgewollter Ordnung beigetragen. Die bis dahin den jungfräulich lebenden Nonnen rangmäßig nachgeordneten, verheirateten Frauen durften auf einmal Freiheit und Anerkennung erfahren. Doch gebe es auch die konträre Ansicht, dass die Reformation die Macht des patriarchalischen Haushaltsvorstandes eher noch gestärkt habe. Zumindest sei aufgrund seiner geistlichen Macht den Frauen der Zugang zu kirchlichen Ämtern verwehrt geblieben. Selbst Luther habe als Terrain des Mannes alles, was über den hauswirtschaftlichen Bereich hinausgehe, bezeichnet.
An den Tischen rege diskutiert wurden anschließend Impulsfragen wie: „Haben die mutigen Frauen der Reformation umsonst gekämpft?“ „Wie steht es um die Gleichstellung der Frauen in Kirche und Gesellschaft heute?“ „Wie weit sind wir von der Freiheit einer Christenfrau entfernt?“
Am Ende des höchst informativen Beisammenseins stand eine Andacht zum bereits adventlichen Thema „Licht“ von Pfarrerin Annette Schumacher. An der Altarkerze wurden Teelichter fürbittend für Menschen angezündet, die des Lichtes dringend bedürfen, sowie für Situationen, in die Licht gebracht werden sollte. Außerdem erinnerten die Frauen mit dem Gesangbuchlied „Herr Christ, der einig Gotts Sohn“ von Elisabeth Cruciger (1524) an eine weitere mutige Frau der Reformation: „Er ist der Morgensterne, sein Glänzen streckt er ferne vor andern Sternen klar.“ 

 

 

 

Gewohnt professionell und chic: Brigitte Buhlheller moderiert den Nachmittag

 Referentin Gudrun Wurmthaler mit feministischer Ader 

 

 

Pfrin. Annette Schumacher sorgte für den besinnlichen Ausklang           Ihr Schlussappell: mehr Licht in dunkle Verhältnisse bringen