Soziales Engagement im Schatten der WM

Partnerschaft des Evangelisch-Lutherischen Dekanats mit Rio

Renate Käser (l.) und Pfr.in Christhild Grafe sind die Dekanatsfachfrauen für die Brasilien-Partnerschaft

Schweinfurt, 4. Juli 2014. Pressetermin in der Redaktion des "Schweinfurter Tagblattes". Zum Gespräch mit Redakteur Matthias Wiedemann sind - neben dem Webmaster - die Dekanatsmissionspfarrerin Christhild Grafe und Renate Käser, die Landessynodalin des Dekanates und Beauftragte für Partnerschaft, Mission und Entwicklungsdienst, gekommen. Es geht um den bevorstehenden Besuch von acht Delegierten aus Rio de Janeiro, aus der evang.-luth. Partnerkirche in Brasilien, in Schweinfurt - und zwar vom 18. Juli bis zum 8. August.

Vor allem diesen beiden Damen ist die Ausarbeitung eines umfangreichen Besuchspropramms mit Ausflügen, Gottesdiensten und Studien- und Einkehrtagen zu verdanken (s. nächster Bericht!) , das im Detail der Presse vorgestellt wurde. Denn während die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern eine offizielle Partnerschaft mit der IELCB (Igreja Evangélica de Confissão Luterana no Brasil) ingesamt hat, ist das Dekanat Schweinfurt auf den "Mikrokosmos" (so Pfr.in Grafe) der vier kleinen Gemeinden Rios mit rund 1000 Familien fokussiert. Auf 27 Jahre Partnerschaft kann zurückgeblickt werden. Das Dekanat nimmt regen Anteil an den Problemen und Nöten der Überseepartner und rekrutiert in seinen Gemeinden Gelder vor allem für die Sozialstation Creche Bom Samaritano am Fuße einer Favela.

Die Partnerschaft muss natürlich immer wieder neu "mit Leben und mit Gesichtern gefüllt werden" (Renate Käser). Daher die avisierte Begegnung, die sich theologisch mit der Frage befassen wird: Was bedeutet "lutherisch" heute - im 21. Jh., kurz vor dem großen Lutherjahr (Reformationsjubiläum: 1517 - 2017)?

Hier nun Ausschnitte aus dem von Matthias Wiedemann geschriebenen Zeitungsbericht:

" [...] Etwa 1000 Familien gehören zu den vier Evangelisch-Lutherischen Gemeinden in der Zwölf-Millionen-Stadt Rio. Dass es Deutschstämmige waren, die sie einst gründeten, kann man heute noch an den Namen vieler Mitglieder erkennen. „Brasilien ist ein tolles Partnerland“, sagt Renate Käser. Der Blick in eine andere Kultur, die Erfahrung anderer Perspektiven sei immer wieder bereichernd. Besonders spannend sei etwa der Austausch über lutherisches Selbstverständnis. Das sei in der extremen Diaspora von Rio naturgemäß oft stärker ausgeprägt.

Die Creche Bom Samaritano ist ein gemeinsames Sozialprojekt: Jährlich unterstützt das Dekanat Schweinfurt mit seinen 27 Gemeinden die Kindertagesstätte mit mindestens 15 000 Euro, die über Spenden aufgebracht werden. Ziel sind 20 000 Euro jährlich. Direkt hinter der Kirche zieht sich eine Favela den steilen Berghang hoch. Etwa 100 Kinder aus dieser Favela werden in der Creche gegen einen symbolischen Beitrag betreut – mit Essen, medizinischer Versorgung und Unterricht.

So versucht die Kirchengemeinde, ihr Teil dazu beizutragen, die sozialen Gräben zu überbrücken, die für Rio so prägend sind und die während der Vorbereitungen auf Fußball-WM und Olympische Spiele weltweit zum Thema wurden. Der Präsident der Evangelischen Kirche hat dazu aufgerufen, während der WM auch das Augenmerk auf die Nöte der Menschen zu richten, sagt Christhild Grafe. Im Oktober sind außerdem wieder Wahlen. Streiks, Proteste und Polizeiaktionen betreffen auch die Lutheraner Rios. „Und wir kriegen davon sehr viel mit“, sagt Renate Käser. So wurde einer der Pfarrer bei einer Protestaktion verletzt.

Die Fußball-WM ist vor allem in Rio ein kontroverses Thema. Die Menschen leben in der Spannung zwischen großer Fußballbegeisterung und den Eingriffen der FIFA, die viele als Schikanen empfinden. So seien 38 000 Menschen in der Umgebung des Maracana-Stadions umgesiedelt worden, um Platz für Parkplätze zu schaffen. Die versprochenen Entschädigungen seien nicht gezahlt worden. Auch die Straßenhändler sind enttäuscht: Verkaufen darf nur, wer einen Vertrag mit der FIFA hat. [...]

Wenn an diesem Dienstag bei der WM Deutschland und Brasilien aufeinandertreffen, wird in Schweinfurt das ein oder andere Herz wohl auch ein wenig für Brasilien schlagen."

(Schweinfurter Tagblatt vom 8. Juli 2014, S. 25; Fotos: Bergler)