Fahnenaktion auf dem Martin-Luther-Platz
Schweinfurt, 25. Nov. 2013. Viele Organisationen, darunter das Frauenplenum, amnesty und ver.di, aber auch die Kirchen und die islamische Gemeinde hatten zur schon traditionellen, diesmal der 13. Fahnenaktion auf dem Martin-Luther-Platz eingeladen.
Jedes Jahr am 25. November findet der internationale Gedenk- und Aktionstag “Nein zu Gewalt an Frauen“ statt, der an die Folterung und Ermordung der Schwestern Mirabal in der Dominikanischen Republik im Jahr 1960 erinnert und seit 1999 von den Vereinten Nationen als offizieller Gedenktag anerkannt ist. Er ruft auf zur weltweiten Ächtung und Beseitigung von Gewalt an Frauen. Sie umfasst häusliche Gewalt, Verbrechen im Namen der Ehre, Frauenhandel und Zwangsprostitution, Kriegsvergewaltigungen und weibliche Genitalverstümmelungen.
An all dies erinnerte Schweinfurts Gleichstellungsbeauftragte Heide Wunder vor über 60 Versammelten, darunter alle drei Bürgermeister Schweinfurts, auch an die Vergewaltigung und den Tod einer Frau in einem Bus im indischen Neu Delhi, was im letzten Jahr für weltweite Proteste sorgte. Doch Vergewaltigung gebe es auch in Deutschland – nämlich alle drei Minuten. Nur fünf Prozent der Frauen würden die Tat anzeigen. Die Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung der Täter liege unter einem Prozent. Kaum ein anderes Delikt werde hierzulande weniger geahndet. Deshalb forderte Wunder: „Schluss mit Straflosigkeit!“ und rief zur Beteiligung an der entsprechenden Unterschriftenaktion auf.
In seinem Grußwort fragte Dekan Oliver Bruckmann selbstkritisch: „Mache ich, ein Mann, ein Kirchenmann, es mit meinem Reden nicht schlimmer?“ Aber es gelte, den betroffenen Frauen Gehör zu verschaffen, eine Stimme zu geben. „Gott hört die Klage derer, die Gewalt leiden.“
Dazu las er den Klagepsalm 55 vor: „Mein Herz ängstet sich in meinem Leibe, und Todesfurcht ist über mich gefallen…“
Caroline Urban von der „Anlaufstelle Sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen“ in Schweinfurt, deren Träger „Frauen helfen Frauen e.V.“ ist, räumte mit einschlägigen Vergewaltigungsmythen auf. Sie nannte deren sechs:
- Vergewaltigt würden nur junge, attraktive Frauen, aufreizend gekleidet.
- Den Opfern sieht man die Vergewaltigung sofort an.
- Viele Vergewaltigungsanzeigen basieren auf Lügen.
- Vergewaltigungen finden eher nachts, an einsamen Plätzen statt.
- Die Täter sind anormal, psychisch gestört.
- In vielen Fällen tragen die Frauen eine Mitschuld.
Nein, dies alles seien Verharmlosungen! Ein typisches Opferverhalten gebe es nicht; Vergewaltigungen würden mitten im sozialen Umfeld, am helllichten Tag geschehen. Viele dieser Taten seien aggressiv motiviert, die Täter kämen meist aus dem Bekanntenkreis.
Urban fragte „Was ist zu tun?“ und antwortete: Sensibilisierung der Öffentlichkeit, den betroffenen Frauen Glauben schenken, Unterstützung anbieten. Dazu verwies Urban auf die Schweinfurter Anlaufstelle.
Der Verein „Terre des femmes – Menschenrechte für die Frau“, der sich für ein gleichberechtigtes und selbst bestimmtes Leben von Mädchen und Frauen weltweit einsetzt, hatte in diesem Jahr als Motto ausgegeben: „Frei leben - ohne Gewalt“. Dies stand auf einer deutschen und einer türkischen Fahne, die dann aufgezogen wurden.
Die anschließende Andacht in der St. Johanniskirche gestaltete ein Frauenteam unter Leitung von Pfarrerin Gisela Bruckmann. Indien sei weit weg, sagte sie in ihrer Begrüßung. Daher bestehe die Gefahr zu vergessen, was bei uns an Unrecht geschehe. Sie forderte dazu auf, einander Mut zuzusprechen, die Stimme zu erheben, auch zu Gott zu beten und seinen Zuspruch zu hören.
Die Anwesenden sangen: „Aus der Tiefe rufe ich zu dir.“ Dann lüfteten sie nach und nach einen auf dem Boden liegenden schwarzen Schleier. Unter ihm verbargen sich Pflastersteine, auf die Kerzen gestellt und mit Aussagen von Vergewaltigungsopfern versehen wurden.
Pfarrerin Bruckmann: „Was sagt Gott dazu?“ Und sie las die bekannten Zeilen aus der Schöpfungsgeschichte von der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau, die sich die Erde untertan machen sollen. „Untertan machen“ heiße nicht etwa „knechten“, sondern so handeln, „wie ein gerechter Herrscher mit seinem Volk umgeht.“ Alle Menschen hätten dieselbe Würde. Maßstab des Umgangs miteinander müsse die Liebe sein.
Neben den biblischen wurden auch Aussagen aus der islamischen Tradition (Hadith) und den Bahai-Schriften vorgetragen betreffend die Ehrung der Frau, ja überhaupt die aller Geschöpfe. „Warum wurden alle Menschen aus demselben Staub erschaffen? Damit sich keiner über den anderen erhebe.“
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