"Lauch und Erdbeeren hat sie verteufelt"

24. Dekanatsfrauentag befasste sich mit Hildegard von Bingen

Full House im Evang. Gemeindezentrum Schwebheim

Schwebheim, 17. November 2012. Wirklich niemand mehr passte in den Saal des Evangelischen Gemeindezentrums in Schwebheim. Über 100 Stühle waren besetzt. Frauen aus praktisch allen Dekanatskirchengemeinden waren gekommen. Dies lag bestimmt nicht (nur) am Tagesthema „Hildegard von Bingen“, sondern dokumentierte die Popularität des jährlich veranstalteten Dekanatsfrauentages - diesmal war es der insgesamt 24.!
Vor allem dem Führungstrio Brigitte Buhlheller als Moderatorin sowie Barbara Hellmann und Cordula Selbmann als tatkräftigen Mithelferinnen wurde großer Dank gezollt. Denn - darauf wies Dekan Oliver Bruckmann in seinem Grußwort hin - es war in dieser Zusammensetzung der letzte Frauentag in der zu Ende gehenden sechsjährigen KV-Wahlperiode. Die Landeskirche habe inzwischen eine neue Wahlordnung beschlossen, die auch im Dekanatsbezirk Schweinfurt Anwendung finden werde, versicherte der Dekan: „Wir brauchen und wollen Dekanatsbeauftragte“. Selbstverständlich dankte er allen Ehrenamtlichen aus den Gemeinden für die geleistete Arbeit.
Frau Buhlheller und Gemeindepfarrer Stefan Bonawitz führten sodann in das Thema ein: Erst kürzlich, am 7. Oktober 2012, habe Papst Benedikt XVI. die heilige Hildegard zur Kirchenlehrerin erhoben: eine faszinierende, facettenreiche Frau und Universalgelehrte, Mystikerin, Dichterin, Musikerin, Schriftstellerin, heutzutage vor allem noch durch ihre Ernährungslehre und Kräuterheilkunde bekannt. Deshalb sei Schwebheim als Veranstaltungsort klug gewählt worden: „Kräuterfrau trifft Kräuterdorf“ (Bonawitz).
Als kurzweilige Referentin konnte Barbara Mantel, ihres Zeichens Heilpraktikerin in Schweinfurt-Oberndorf, gewonnen werden. Zunächst stellte sie die von Umbrüchen gekennzeichnete Zeit, in der Hildegard lebte (1098-1179), vor: Kreuzzüge und erste Universitäten, Ausbreitung der Zisterzienser dank Abt Bernhard von Clairvaux, Entwicklung des Minnesangs, Veränderung des Gottesbildes hin zum liebenden Gott. Auch akustisch, per CD-Einspielung, brachte sie dem Plenum kirchenmusikalische Beispiele, unterlegt mit lateinischen Texten, nahe, präsentierte aber auch live die entsprechenden Instrumente von damals: Drehleier, Psalter, Kniegeige, Gemshorn.
Dann zeichnete Frau Mantel das Leben Hildegards nach: wie diese im Alter von acht Jahren ins Kloster kam, dort mit 16 das monastische Gelübde ablegte und mit 38 Jahren zur Äbtissin gewählt wurde. Von frühester Jugend an hatte sie bereits regelmäßig Visionen, beispielsweise die eines stark funkelnden, vom Himmel herabkommenden Lichtes. Dies brachte sie zeitweilig in den Verdacht der Ketzerei, doch 1147 legitimierte Papst Eugen III. sie als Prophetin und Predigerin. Ihre Visionen schrieb sie in ihrem Werk Scivias („Wisse die Wege“) nieder, 36 hielt sie darüber hinaus in Bildform, meist mandalaförmig, fest.
Sie gründete und baute ein eigenes Kloster mit 20 Nonnen auf dem Rupertsberg – ein Novum, da es bis dato keine eigenständigen Frauenklöster gegeben hatte -, später noch ein Tochterkloster in Eibingen. Auch von Hildegards vielen Predigt- und Seelsorgereisen, die sie erst mit über 60 Jahren unternahm, berichtete Barbara Mantel: Unter anderem sei sie mainaufwärts bis nach Bamberg gekommen.
Die Zuhörerinnen staunten sogar noch mehr, als sie ferner von den naturwissenschaftlichen Forschungen der stets wissbegierigen Heiligen erfuhren und dass sie 77 Lieder sowie ein Mysterienspiel geschrieben habe. Des Weiteren war von ihrer Edelsteintherapie die Rede und natürlich ausführlich von der Ernährungslehre: Hildegard habe Dinkel hoch geschätzt, jedoch „Lauch und Erdbeeren hat sie verteufelt“.
Alle dürften aber aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen sein, als im Anschluss an den Vortrag Ortsbürgermeister Hans Fischer auf humorige Weise sein „Apothekergärtchen Frankens“, das es schon seit 130 Jahren gebe, vorstellte: 50 verschiedene Heil- und Gewürzkräuter würden in Schwebheim auf 100 Hektar angebaut, hauptsächlich für die Pharmaindustrie. Fischer schwelgte über die heilende Wirkung von Andorn, Mariendistel, Brennessel oder Spitzwegerich. Frau Mantel garnierte seine Präsentation mit dazu passenden Rezepttipps und Ratschlägen Hildegards von Bingen; nur die Pfefferminze habe sie noch nicht kennen können.
Doch kristallisierte sich als Fazit dieses lehrreichen Nachmittags heraus: „Ohne Glauben geht gar nichts“ (Bürgermeister Fischer). Darum luden Pfr. Bonawitz und Gemeindereferentin Gertrud Pfister im Anschluss in die Kirche St. Hedwig gegenüber zu einer ökumenischen Andacht ein.