Kirche - das sind wir

Stammbucheintrag mit Dr. Günther Beckstein in der Christuskirche

Gastredner Dr. Günther Beckstein. Bayerischer Ministerpräsident a.D. (Foto: Harry Walther)

Schweinfurt, So., 19. Okt. 2014. Der Name Beckstein ist ein klingender, auch wenn sich Dr. Günther Beckstein aus der großen Politik mittlerweile zurückgezogen hat. Günther Beckstein war Gastredner bei dem diesjährigen „Stammbucheintrag“ des Special-Gottesdienstes in der Christuskirche Schweinfurt. Gespannt waren die vielen Gottesdienstbesucher, was der Politiker der Kirche ins Stammbuch schreiben wollte.

Das Specialteam hatte dem Stammbucheintrag zwei „Bekenntnisse“ vorangestellt. Das Augsburger Bekenntnis von 1530, das die Trennung des geistlichen vom weltlichen Regiment postuliert, sowie die Barmer Erklärung aus dem Jahr 1934, die deutlich die falsche Lehre des NS-Regimes benennt. Sehr persönliche Erfahrungen des Christen und politischen Menschen Beckstein waren es dann, mit denen dieser den Spagat zwischen diesen beiden Welten illustrierte. Vom Beten im Amt und von seiner tiefen Verwurzelung im protestantischen Glauben erzählte er, von der Gefahr, sich im Amt als der Mächtigste zu fühlen, und von der Demut gegenüber der Würde eines jeden Menschen. In dieser Haltung habe ihn, den Protestanten, in seinem Dienstzimmer immer eine kleine Statue des Heiligen Antonius, des Schutzpatrons der Armen, bekräftigt.

Am Ende ermunterte er die Christenmenschen dazu, der Kirche ihr Gesicht zu geben. Jeder finde seinen eigenen Ausdruck der Frömmigkeit. Er schloss – am Ende doch ein bisschen Prediger – mit einem „Amen“ und einem Dank für die Aufmerksamkeit.

(Text: Erna Rauscher; Fotos: Harry Walther)

 

Aus der Ansprache von Günther Beckstein:

In Anspielung auf ein Zitat von Martin Luther erinnert Beckstein, dass er Jurist sei, kein Theologe, deshalb auch keine Predigt halten werde. Und: Er rede im Landtag, im Bundestag, „auch in Bierzelten“, in einer Kirche zu sprechen, sei aber „eine besondere Herausforderung“. Deshalb bittet er die 200 Zuhörer „um ein hohes Maß an Nachsicht“. Er schmunzelt dabei, die Besucher auch.

Gleich greift er in seiner freien Rede die vorher von Erna Rauscher vom „Special Team“ verkündeten Texte zum Augsburger Bekenntnis von 1530 und der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 auf. In Ersterem geht es um die strikte Trennung geistlicher und weltlicher Gewalt, der zweite Text ist die Abgrenzung vom NS-Regime. Diesen Text in die Verfassung der Kirche aufzunehmen, wird derzeit diskutiert. (...)

Geprägt habe ihn, das „ganz schüchterne Bürschchen“, der CVJM. Der hieß damals noch „unkorrekt Christlicher Verein junger Männer“. Solche Einschübe bringt er viele, erntet dafür Lacher und Beifall.

Wir kennen Beckstein besonders aus seiner Zeit als Innenminister Bayerns auch als Hardliner. Der 70-Jährige spart diese Zeit nicht aus. Der Pfarrer seiner Heimatgemeinde habe ihn dereinst vor dem Gang in die Politik gewarnt: „Das ist ein schmutziges Geschäft, Du willst doch als Christ leben“. Beckstein wurde Politiker, er wurde Innenminister, eine Position, die „am meisten mit Macht zu tun hat“, sagt er und räumt ein, dass dieser Spagat zwischen „Nächstenliebe und Härte eine große Herausforderung“ gewesen sei.

„Die Gefahr ist, von sich selbst zu glauben, man ist der Allerhöchste“, sagt er. [...]. „Die Würde hängt nicht vom Amt ab“, die Würde des Menschen ist unantastbar, zitiert Beckstein Artikel 1 des Grundgesetzes und verdeutlicht das mit dem Beispiel der Frau im Rollstuhl, die ebenso Ebenbild Gottes sei wie Miss Welt oder die Olympiasiegerin.

Letztes Thema: die leeren Kirchen. Das habe zwar auch mit dem demografischen Wandel zu tun, aber nicht nur. „Wie kommt man wieder näher an die Menschen heran, die Botschaft zu verkünden?“, fragt er. Becksteins Antworten: sich auf Augenhöhe begegnen, so, wie es auch Luther lehrt. Und zweitens dem Vorbild der Christuskirche folgen, etwa mit einem solchen Special-Gottesdienst. „Wir sind Mitmachkirche, in der wir selbst bestimmen, wohin die Reise unserer Kirche geht“, sagt Beckstein. Darin müssten auch unterschiedliche Frömmigkeitsformen möglich sein. Er habe das immer als große Bereicherung erlebt. „Jeder muss seinen eigenen Glauben finden, die evangelische Kirche ist die Kirche der Freiheit, in der das möglich ist.“

Ob er mit einem „Amen“ enden dürfe, fragt Beckstein, schmunzelt dabei wieder und sagt „Amen und Danke für die Aufmerksamkeit“.

(aus: Schweinfurter Tagblatt vom 20.10.2014, S. 25; Text: Hannes Helferich)