450 + 300 Jahre = Doppeljubiläum Dorfkirche Niederwerrn
Niederwerrn, So. 24. Juli 2016. Seine Grabplatte befindet sich unter der Kirchenempore: Stefan Schatz war vor 450 Jahren der erste Pfarrer des sog. „Augsburger Bekenntnisses“, mit anderen Worten der erste evangelische Geistliche in Niederwerrn. Dies war das eine Jubiläum, das es an diesem Sommertag in der für solch einen Anlass viel zu kleinen Dorfkirche zu feiern galt, wie Gemeindepfarrerin Grit Plößel betonte. Ihre Begrüßung, überhaupt der gesamte von ihr liturgisch verantwortete Festgottesdienst wurde nach draußen übertragen, wo ebenfalls Sitzgelegenheiten knapp wurden.
Das zweite Jubiläum betraf die Kirche selber: Das kleine mittelalterliche Kirchlein erhielt in den Jahren 1707-1716 durch einen Neubau in etwa sein heutiges Aussehen: also 300 Jahre Dorfkirche Niederwerrn. Wer es ganz genau wissen will, muss sich die 117-seitige Festschrift „Chronik der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Niederwerrn“, verfasst von Erich Kupfer, zu Gemüte führen. Darin stehen auch die Begebenheiten während des 30-jährigen Krieges oder des russisch-französischen Krieges oder wie es im Dritten Reich den Juden Niederwerrns erging; immerhin war das Dorf im 19. Jh. Sitz des Distriktrabbinates gewesen.
Regionalbischöfin Gisela Bornowski (Kirchenkreis Ansbach-Würzburg) hielt die Festpredigt. Sie würdigte eingangs, dass hier seit 1566 Abendmahl in beiderlei Gestalt gefeiert werde. Die Reformation mit ihrem vierfachen „sola“ („allein Christus, allein aufgrund der Hl. Schrift, allein aus Gnade, allein durch den Glauben“) habe die geistliche Erneuerung der Kirche bewirken wollen. Angesichts der zunehmenden Säkularisierung gelte es umso mehr, die christliche Botschaft weiterzusagen. „Wir dürfen uns nicht selbst genügen.“ Dadurch dass Jesus in seiner Bergpredigt seine Jünger als „Licht der Welt“ und „Salz der Erde“ bezeichne, setze er „unheimlich viel Vertrauen in uns“ heute. Das sei aber kein hoher Anspruch, sondern ein Zuspruch („Ihr seid es!“) und großer Vertrauensvorschuss. „Christus verpasst uns ein Qualitätssiegel“.
Ohne Salz bleibe alles fade und geschmacklos, doch schon ein wenig von diesem „weißen Gold“ mache unser Essen würzig. Und selbst eine kleine Kerze könne einen dunklen Raum erhellen. Wie aber sollen wir selbst „salzen“ bzw. „leuchten“? Die Bischöfin erinnerte an die Seligpreisungen: indem wir beispielsweise barmherzig, friedfertig, sanftmütig sind.
Ganz still wurde es im Kirchenrund, als sie auf die Terrortaten der letzten Tage – in Nizza, Würzburg und München – zu sprechen kam: „Wir spüren die Verletzlichkeit unseres Lebens.“ Gerade da gelte es, Licht in die Finsternis zu bringen und den Opfern nahe zu sein. „Mutig wollen wir vom Glauben erzählen und daran erinnern, dass uns Gott zur Seite steht. Ermutigungen haben noch keinem geschadet. Christen verbreiten den Geschmack des Reiches Gottes in dieser Welt.“
Posaunenchor und Orgel, geleitet bzw. bedient von Anne Kupfer, beflügelten zu kräftig schmetterndem Gemeindegesang bekannter Choräle wie „Tut mir auf die schöne Pforte“ und „Komm, Herr, segne uns“. Die Liedstrophe von der „Klage, dass nicht dein Haus will werden voll“ wurde freilich an diesem Tag Lügen gestraft.
Noch in der Kirche schlossen sich an den Gottesdienst Grußworte an. Ortsbürgermeisterin Bettina Bärmann zollte der evangelischen Kirche, die mitten im historischen Ensemble den Altort präge, „überragende Bedeutung“ und dankte für alles, was sie für die Gesamtgemeinde leiste, z.B. in der Kinderbetreuung im Kindergarten und in der Kinderkrippe. Leider sei in den 300 Jahren seithrt Niederwerrn beträchtlich gewachsen und dadurch teilweise die Dorfkirche verdeckt. Auch die Menschen hätten sich geändert; für viele sei die Kirche, die bis in die Nachkriegszeit als evangelische Hochburg galt, nicht mehr ihr Gotteshaus. Bärmann überreichte der Pfarrerin zwei originale Straßenschilder „Martin-Luther-Straße“ und „Kirchplatz“ aus dem Fundus des Rathauses.
Der stellvertretende Landrat Peter Seifert, zuvor Niederwerrns Bürgermeister, bezeichnete in seinem „Heimspiel“ politische Gemeinde und Kirchengemeinde als „weltoffen“.
Pastoralreferent Michael Stöcker von der „katholischen Schwestergemeinde“ (so Plößel), d.h. von der Pfarreiengemeinschaft St. Bruno und St. Bartholomäus, lobte die vielen ökumenischen Begegnungen, etwa Predigttausch oder den ökumenischen Kirchenchor, der stimmgewaltig John Rutters Vertonung von „Alle Dinge dieser Welt in ihrer ganzen Pracht, alle Wesen, groß und klein, der Herr hat sie gemacht“ zum Besten gab.
Landessynodale Renate Käser sprach von der Kirche als „einer guten alten Dame“, die sich an die jüngere Ortschaft gewöhnt habe. „Gelassen sieht sie aus“. Davon habe sie – die Landessynodale – sich kürzlich bei einer Ballonfahrt höchst persönlich von oben überzeugen können.
Anschließend wurde draußen, bei bestem Wetter, mit einem Glas Sekt auf den Kirchengeburtstag angestoßen. Zugleich war damit die sich über etliche Straßen um die Kirche erstreckende „Fressmeile“ mit Kulinarischem und vielen Attraktionen wie Eisstand, Tombola, Weinlaube und Luftballon-Wettbewerb eröffnet. Nachmittags wurden die Kindergarten-SängerInnen und die Niederwerrner Musikanten erwartet. Nochmals herzliche Gratulation!
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