2007-2016: 10 Jahre „Junge Stimmen Schweinfurt“
Schweinfurt, So. 10. Juli 2016. Zehn Jahre „Junge Stimmen Schweinfurt“ ist allemal einen Geburtstagsgottesdienst in einer vollbesetzten St. Johanniskirche wert. „Gegenwärtige und ehemalige, vielleicht auch zukünftige“ Mädchen, zum Teil inzwischen junge Damen im Studium oder im Arbeitsleben stehend, begrüßte Dekan Oliver Bruckmann und ließ die Gemeinde den Kanon „Viel Glück und viel Segen“ - unter Applaus des Chores - anstimmen.
Dass es eine durch und durch musikalisch dominierte Stunde, mal ohne ausführliche Liturgie und ohne kopflastige Predigt, werden würde, stand von vornherein fest. Mit der auch für Laien bekannten Eurovisionsmelodie, für Kenner natürlich das Hauptthema des Te Deum in D-Dur von Marc-Antoine Charpentier, begannen die „Jungen Stimmen“, woran sich ihr festes Repertoire-Stück „Hebe meine Augen auf“ von Felix Mendelssohn Bartholdy anschloss, das genau für ihre hohen, kristallklaren Stimmen komponiert zu sein schien.
Auch die Gemeinde durfte diesmal nur Gesangbuch-Evergreens anstimmen, von „Lobe den Herren“ bis zu „Großer Gott, wir loben dich“ und dazwischen, in gleich mehreren Etappen, das 15-strophige „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“. Dieser Aufruf sei ein Motto für alle, an diesem Tag aber besonders für die „Jungen Stimmen“ und für ihre Leiterin KMD Andrea Balzer, meinte der Dekan eingangs seiner Predigt über dieses Lied. Darin werde von Gottes Gaben, von gelingendem Leben und von der wunderbaren Welt gesungen, doch andererseits Not und Mangel nicht totgeschwiegen.
Denn angesichts unserer gefährdeten Schöpfung könne einem das Singen auch vergehen. Bruckmann zählte u.a. die Wassermassen kürzlich in Simbach am Inn, den Sturm in Baden-Württemberg, die Kriege im Nahen Osten, den Hunger in Afrika und die IS-Terrorfeldzüge bis nach Europa auf. Paul Gerhardt habe das Lied 1653 geschrieben, als der 30-jährige Krieg gerade erst fünf Jahre zurücklag, und selber viele familiäre Schicksalsschläge und schmerzliche Abschiede verkraften müssen, darunter den frühen Tod seiner Kinder bis auf eines. „Er war keine Frohnatur!“
Deshalb nehme Gerhardts Lied auch eine entscheidende Wendung: Echte Freude wolle erst richtig entdeckt sein, indem sie auch durchs finstere Tal hindurchführe. Selbst in den hellsten Jubelstrophen zögen dunkle Wolken auf. So assoziiere die Zeile „das Erdreich decket seinen Staub“ bereits den Gedanken ans Sterben. „Leben hat seine Zeit.“ Überhaupt sei die Beschreibung der Schöpfung ein Sehnsuchtsgleichnis für das kommende, paradiesische Leben und die neue Schöpfung. Sommerfrüchte und „viel Glaubensfrüchte“ gehörten allemal zusammen geschaut.
Natürlich kam der Dekan immer wieder auch auf die Geburtstagschorkinder zu sprechen: „Ihr macht die Freude hör- und spürbar.“ Der Chor stehe auf dem Niveau der Windsbacher Knaben. Im Blick auf den in der ersten Bankreihe sitzenden Oberbürgermeister Sebastian Remelé erinnerte er beispielsweise an den ihnen seitens der Stadt Schweinfurt im Jahr 2013 verliehenen Kunstförderpreis. Am Ende stand der Segen der Gemeinde und die Segnung der „Jungen Stimmen“.
Ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch oder eben wie aus dem Gesangbuchlied vom ausgehenden Herz erwartete die Gottesdienstbesucher draußen vor dem Kirchenportal, wo hübsch dekorierte Stehtische zu einem Stelldichein einluden.
Doch die Pause währte nur kurz. „Until we meet again“, hatten die „Jungen Stimmen“ zum Ausgang gesungen. Und schon durfte man sie zu einer halbstündigen Matinee in der Kirche wieder treffen, besser gesagt: hören. Sie präsentierten eine Auswahl von Evergreens und bekannten Volksliedern wie „Sah ein Knab ein Röslein stehn“ oder „Kein schöner Land in dieser Zeit“. Separat sang der kleine Chor der eigens angereisten Ehemaligen „In einem kühlen Grunde“. Als kleine Überraschung überreichte Präsidentin Marie-Luise Biedermann (Bad Kissingen/Nüdlingen) seitens des Ordre de Saint Fortunat (OSF), der soziale Projekte und junge Menschen fördert, dem Chor einen Scheck in Höhe von 1000 Euro.
Die Mädchen bedankten sich ihrerseits mit einer Blume bei ihrer Leiterin Andrea Balzer und ihrer „Betreuerin“ bzw. „Chormutter“ Lizzy Maurischat. Und dann hieß es schon wieder, schweren Herzens voneinander Abschied zu nehmen, denn einerseits geht das Schulleben weiter, andererseits das Studium oder die Arbeit an vielen unterschiedlichen Orten – nicht nur Bayerns. Bleibt zu wünschen: “Till we meet again“ oder mit Paul Gerhardts Worten: „Ich singe (wieder) mit, wenn alles singt, und lasse, was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen.“
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Aus der Presse zitiert:
"Wir singen total gern!“ Anders lässt es sich nicht erklären, dass die jungen Mädchen im Alter von neun bis 19 Jahren sich seit nun schon zehn Jahren einmal im Monat aufmachen, um ein ganzes Wochenende nichts anderes zu tun als zu singen. [...] Neben der intensiven Chorarbeit, der Stimmbildung und der musikalischen Probenarbeit ist auch Zeit für ein heiteres Miteinander. Freundschaften entstehen und bestehen auch lange fort.
Ursprünglich war der Chor als weibliches Pendant des Windsbacher Knabenchors, ansässig im mittelfränkischen Windsbach, gedacht. Die Gründungsvorbereitungen und die Leitung des Chores übernahm Dekanatskantorin Andrea Balzer. Geprobt wurde einmal im Monat von Freitag nachmittags bis Sonntagmittag. Doch bald war der „Umzug“ nach Schweinfurt unumgänglich, in Windsbach sollte es nicht mehr weitergehen. Für Dekan Oliver Bruckmann war es eine Frage des Herzens und der Leidenschaft, dem Chor in seinem Dekanat eine Heimat zu bieten. [...]
Der Chor unternimmt Konzertreisen und ging schon im ersten Jahr des Bestehens im grimmig kalten Januar auf Tour. Reisen nach Ostbayern und Mittelfranken folgten. Auch die Partnerstadt von Schweinfurt, Chateaudun, mit Auftritten in den großartigen Kathedralen von Orléans und Chartres war Ziel einer solchen Chorreise.
Der Gewinn beim Bayerischen Chorwettbewerb 2013 sicherte die Teilnahme am Deutschen Chorwettbewerb 2014 in Weimar, wo sich die Jungen Stimmen Schweinfurt gegenüber sehr viel größeren Konkurrenzchören achtbar schlugen. Die Stadt Schweinfurt honorierte die Leistungen des Chors mit der Zuerkennung des Kulturförderpreises 2013 – der Chor ist zu einem musikalischen Botschafter der Stadt geworden. Mittlerweile hat er zwei CDs aufgenommen, in Rundfunk- und Fernsehbeiträgen wurde über die Jungen Stimmen Schweinfurt berichtet.
Die zehn Jahre des Bestehens sind lang und kurz zugleich. Lang, weil sich in jedem Jahr ein Wechsel vollzieht: Es kommen neue, junge Sängerinnen dazu, während gleichzeitig Mädchen ausscheiden, die ihre Schule beendet haben und deren Ausbildung sie in die Fremde verschlägt. Das heißt für Andrea Balzer immer wieder, die neuen Mitglieder an das hohe Niveau heranzuführen, das immer wieder neu erarbeitet werden muss. Kurz, weil zehn Jahre erst der Beginn einer hoffentlich noch langen Tradition sind.
(aus: Schweinfurter Tagblatt vom 30. Mai 2016, S. 24; Text: Erna Rauscher)