Dekanatssynode 2015 befasst sich mit Flucht und Asyl
Schweinfurt. Nach Öffnung der Erstaufnahmeeinrichtung in Schweinfurt ist das Thema Flucht und Asyl auch in Kirche und Diakonie hochaktuell. Wie lässt sich ein Miteinander mit Asylsuchenden finden und einüben? Hierzu waren 50 Synodalinnen und Synodale aus den 27 Kirchengemeinden des Dekanates zur ersten der beiden Jahressynoden ins Evangelische Gemeindehaus in die Friedenstraße gekommen. In seiner Eingangsbesinnung erinnerte Dekan Oliver Bruckmann an die Urerfahrung Israels, den Exodus aus der Sklaverei in Ägypten. Deshalb habe das Gottesvolk fortan Verständnis und ein Herz gerade für jeden „Fremdling, der bei dir lebt“, gezeigt.
Der Informationsteil am Vormittag wurde von Diakonie-Vorstand Jochen Keßler-Rosa moderiert. Er betonte, dass in seinem Werk neben den üblichen breitgefächerten diakonischen Arbeitsfeldern derzeit Asylsozialberatung einen zeitlich und personell kaum zu bewältigenden Stellenwert einnehme. Der Leiter der Sozialen Dienste in der Asylsozialarbeit, Uwe Kraus, nannte Zahlen und Probleme: Im Jahr 2010 habe das Diakonische Werk Schweinfurt etwas mehr als 200 Asylbewerber betreut, 2015 seien es bereits 1700 in 90 verschiedenen Einrichtungen der Landkreise Schweinfurt und Rhön-Grabfeld. Seit dem 1. Juli würden in der Erstaufnahme in Schweinfurt 240 Plätze bereit gehalten, doch gebe es dort schon über 300 Asylbewerber. Im August dürfte mit dann insgesamt 540 Plätzen die volle Kapazität erreicht sein.
Kraus beklagte die langen Wartezeiten, was die Bearbeitung der Asylanträge anbelangt. In Deutschland lägen zurzeit 240.000 Anträge auf Halde. Manche warteten im Landkreis Schweinfurt seit 2012, mithin seit drei Jahren, auf die Entscheidung der Behörden: Bleiberecht oder Abschiebung! Kraus sprach von „verlorener Lebenszeit“. Viele Ankömmlinge bedürften aufgrund von Traumatisierung der medizinischen Versorgung. Auch das Sprachenproblem sei gravierend. Man suche Dolmetscher. Regelmäßig müsse beispielsweise ein in Schweinfurt ansässiger Afghane Neuankömmlingen erklären, wie eine deutsche Waschmaschine funktioniere. Zudem wäre Arbeitsvermittlung wichtig. Denn die da kämen, seien „nicht die Ärmsten der Armen“. Viele hätten sogar eine Hochschulausbildung absolviert, wären Bauingenieure, Ärzte oder Juristen. Kraus begrüßte die Kooperation mit der Fachhochschule Würzburg. Dort würden Studierende unter anderem verständliche Piktogramme zwecks Orientierung in der Erstaufnahmeeinrichtung entwerfen.
„Der größte Schatz sind die Ehrenamtlichen“, betonte Diplom-Sozialpädagogin (FH) Monika Hofmann, die im Rahmen der Asylsozialarbeit für die Begleitung und Fortbildung Ehrenamtlicher zuständig ist. Bewundernswert sei nicht nur die Vielfalt der zu betreuenden Menschen, sondern ebenso die Vielfalt der Ressourcen der Ehrenamtlichen. So würden Fahrdienste organisiert, Sprachenhilfe, Deutschkurse und Alltagsbegleitung gegeben oder beim Ausfüllen von Formularen und bei medizinischen Fragen assistiert. Hofmann lobte vor allem die inzwischen zwölf etablierten Helferkreise in der Region. Auch bildeten sich Treffpunkte für Bürger mit Asylbewerbern, etwa in Niederwerrn. Um die Einrichtungen noch weiter zu unterstützen, werde derzeit aus Spendengeldern ein Kita-Projekt auf den Weg gebracht und hierfür etwa Materialpakete zur Verfügung gestellt.
In vier Gesprächsgruppen diskutierten sodann die Synodalen die ganz konkrete Frage: „Welchen Beitrag kann meine Kirchengemeinde zu einer guten Willkommenskultur leisten?“ Viele wussten bereits von pauschalen Vorurteilen und unqualifizierten Äußerungen zu berichten wie: „So weit sind wir also schon gekommen!“ Es brauche Mut zur Gegenrede. Meist mangele es einfach an Information und einer guten Aufklärungspolitik gegenüber derlei Stammtischparolen. Deshalb sollten sich die verschiedenen Gemeindekreise der Thematik annehmen. Insbesondere seien Jugendlichen Einzelbegegnungen mit Flüchtlingen zu ermöglichen – zwecks Änderung ihrer Einstellung. Auch könnten Asylbewerber zu Gottesdiensten und Gemeindefesten eingeladen werden.
Jedenfalls müsse Kirche ein angstfreier Raum sein. Trotz zu erwartenden Gegenwindes riet Dekan Bruckmann den Gemeinden nicht zur Zurückhaltung, vielmehr zu öffentlichen Äußerungen, etwa in Form einer Resolution oder als Beitrag im Gemeindebrief. Keßler-Rosa: „Es braucht immer jemand, der das Eis bricht.“
Schwerpunkt des Geschäftsteils am frühen Nachmittag war die Neubesetzung von Pfarrstellen. „Vakanzen sind Alltagsgeschäft“, so Dekan Bruckmann, doch sei sein Dekanat der Vollbesetzung recht nahe. So wird zum 1. September Reinhard Fischer die Pfarrstelle in Schwebheim übernehmen, zum 1. Oktober Pfarrerin Elfriede Schneider in die Pfarrei Lauertal kommen und ins Pfarrhaus Poppenlauer einziehen. Ebenfalls zum 1. Oktober steht die Wiederbesetzung der Schweinfurter Gustav-Adolf-Kirche (0,75), kombiniert mit der dauervakanten 0,25-Stelle Niederwerrn II, an. Hierfür wird aus der brasilianischen Schwesterkirche Pastor Euclésio Rambo entsandt. Die Krankenhaus-Seelsorgerin am Leo (0,5), Pfarrerin Susanne Rosa, wird künftig mit einer Viertel Stelle auch St. Josef mitbetreuen.
Des Weiteren gab der Dekan die Gründung einer neuen Pfarrei „Schweinfurt-West“ bekannt. Und zwar werden sich die beiden weiterhin selbstständigen Kirchengemeinden Gustav Adolf und Dreieinigkeitskirche ein gemeinsames Pfarramt teilen. Abschließend stellte Bruckmann den geplanten Kita-Trägerverbund vor. Dieser werde sämtliche Personal- und Verwaltungsaufgaben erledigen und damit zur Entlastung der Kirchengemeinden, insbesondere der Geistlichen, beitragen. Allein in der Stadt Schweinfurt gebe es zehn evangelische Kindertagesstätten, die davon profitieren könnten.
Somit wurde bei dieser schwerpunktmäßig informellen Synode die „Handlungsfeldsensibilität“ (Bruckmann) geschärft und die Gemeinden zu solidarischen Aktionen ermutigt, denn Ressentiments sind „nicht kompatibel mit dem christlichen Glauben“.