Vesperkirche 2016

Abschluss und Bilanz

Der gute Hirte Johann auf der Empore der St. Johanniskirche: Um ihn herum versammelten sich morgens und nachmittags alle Tages-Mitarbeitenden

Schweinfurt, 7. Febr. 2016. Abschied scheint wohl doch schwer zu fallen. Denn im Unterschied zum Eröffnungsgottesdienst waren diesmal von Anfang an nicht nur alle Bankreihen, sondern auch schon alle 115 Plätze an den 20 Tischen besetzt: Mit einem Abendmahlsgottesdienst in St. Johannis ging die zweite Schweinfurter Vesperkirche zu Ende. Die warme, anheimelnde Kirche, der spürbar wehende Geist der Begegnung und Gemeinschaft, das routinierte und bis zuletzt hoch motivierte Serviceteam, natürlich auch das preiswerte Essen und vieles andere mehr trugen zum Gelingen bei.

Demonstrativ zogen die verantwortlichen Gastgeber, die Geistlichen von St. Johannis – Dekan Oliver Bruckmann, Pfarrerin Gisela Bruckmann, Pfarrer Andreas Grell und Diakon Norbert Holzheid -, sowie Diakoniewerk-Vorstand Pfarrer Jochen Keßler-Rosa, begleitet von einer Auswahl an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, festlich ein, um zum letzten Mal zur Vesperkirche einzuladen. „Wir haben 21 wunderbare, aufregende, erfüllte Vesperkirchentage hinter uns“, - so resümierte bereits Keßler-Rosa in seiner Begrüßung der Gemeinde. Nun also Tag 22!

Der Dekan wählte als Predigttext das sog. „Hohelied der Liebe“ des Apostels Paulus („... aber die Liebe ist die größte unter ihnen“; 1. Korinther 13,1-13): Gottes Liebe spiegele sich in unserer zwischenmenschlichen, irdischen Liebe wider. So sei die Vesperkirche ein kleiner Gottesbeweis, zumindest ein Hinweis auf Gott gewesen. „Das macht die Liebe.“

Wie bei einem Puzzle würde jedem Menschen etwas abgehen. Jede und jeder bleibe unvollendet, bruchstückhaft. „Mir fehlen Teile zu vollständigem Leben. Unser Erkennen bleibt Stückwerk.“ Jedoch habe uns die Vesperkirche ein Stück(werk) weitergebracht. Alle seien gern gesehen gewesen, was vor allem der freundlichen Begrüßung der Gäste und dem Bedienungspersonal zu verdanken gewesen sei. „Es ist ein Stück Glück, auch dem anderen etwas Gutes tun zu können.“ Die Begegnungen hätten sichtbar und spürbar gemacht: „Ja, es ist schön, dass du da bist und dass es dich gibt.“ Zwar sehe die Liebe, dass das Puzzle nicht fertig sei, doch Gott, der in der Liebe begegne, liebe uns – die „Lebensfragemente“! - und die Welt in ihrer Unvollkommenheit.

Anschließend fand die Tischgemeinschaft ihren sichtbaren Ausdruck in der Feier des Heiligen Abendmahls. Und wie schon in der Urkirche in Jerusalem vor 2000 Jahren praktiziert, folgte darauf das Sättigungsmahl – diesmal Hirschbraten bzw. für Vegetarier Brokkoliauflauf.

Und das Fazit?

Im Schnitt wurden pro Tag 450 Gäste bewirtet, macht insgesamt 10.000 Essen und 550 selbst gebackene, spendierte Kuchen. Jeweils rund 50 von insgesamt 250 Ehrenamtlichen waren tagtäglich im Einsatz, was umgerechnet 5500 Stunden „Gotteslohn“ bedeutet, - der jüngste Helfer im Alter von 13, der älteste mit über 80 Jahren. Mehr war einfach nicht zu leisten. So zeigten sich die Organisatoren über das erreichte "Normalmaß" sehr zufrieden – dies auch im Blick auf das sich bei ca. 70.000 Euro angefallenen Kosten „nur“ noch auf 10.000 Euro belaufende Defizit, denn sie rechnen fest mit weiterer Spendenfreude.

In der Zeit vom 17. Januar bis 7. Februar fanden vier Sonntagsgottesdienste statt, darüber hinaus täglich – selbst sonntags! – um 13.00 Uhr das „Wort in der Mitte“, an dem sich das Dekanatspfarrkapitel, aber auch katholische Geistliche mit ganz verschiedenen Themen beteiligten:

Zum Beispiel berichtete Pfarrer Andreas Grell (St. Johannis II) von einem Gespräch mit einer älteren Dame, die ihm viel von früher erzählte, aber auf einmal selber merkte: „Das Leben spielt sich doch hier ab!“ Die Moral: Nur in Erinnerungen schwelgen hält vom wahren Leben im Hier und Jetzt ab! Oder Pfarrer Dr. Marcus Döbert (Schonungen) stellte mehr nachdenkenswerte Fragen, als fertige Antworten zu geben: „Was heißt Glauben? Was trägt wirklich in diesem Leben und darüber hinaus? Wofür sind Sie heute Morgen aufgestanden?“

Ferner gab es immer eine/n Tagesseelsorger/in, die/der sich zu Gesprächen unter vier Augen in die Sakristei zurückzog. All dies machte deutlich, dass der Mensch zwar nicht vom Brot allein lebt – aber auch nicht ohne Brot leben kann! Überflüssig darum die von Kritikern gestellte Frage, wie viele Besucher der Vesperkirche denn wohl wirklich bedürftig gewesen seien.

Sehr gut frequentiert und mit viel Beifall honoriert waren die drei Donnerstagabendveranstaltungen: ein Konzert des Schweinfurter Gospelchors „Bridge to a Prayer“, ein Benefizkonzert des Pfarrkapitels und eine Autorenlesung von Hassan Ali Djan über seine Flucht aus Afghanistan nach Deutschland.

Die Vesperkirche begleiteten auch viele Aktionen und soziale Angebote seitens des Diakonischen Werkes, z.B. Energieberatung, Ehrenamtsakademie oder die mit finanzierte Bahnhofsmission, die als eines ihrer eindrücklichen Mottos präsentierte: „Gottes Wege bleiben unerforschlich. Doch scheinen einige geradewegs zum Bahnhof zu führen.“

Hervorzuheben waren des Weiteren die Johanniter, die z.B. Blutdruckmessungen vornahmen, und der Evangelische Frauenbund mit einem Stand. Fußpflege, Fußdruckmessung, Haarschneiden, Optiker und anderes verdankten sich Privatinitiativen. Nein, undankbar dürfte keine/r gewesen sein. Jede und jeder verließ mit „Gewinn“ die Kirche – und sei es (nur?) mit dem Anflug eines Lächelns auf einem verhärmten Gesicht. Traurig waren viele, übrigens auch Mitarbeitende, nur darüber, dass die Aktion nach drei Wochen schon wieder zu Ende war.

„Damit aus Fremden Freunde werden, lebst du die Liebe bis zum Tod“, sang die Gemeinde im Schlussgottesdienst im Blick auf Jesus – und zugleich als Handlungsanweisung für sich selber: „Du zeigst den neuen Weg des Friedens, das sei uns Auftrag und Gebot.“

In diesem Sinne: Auf eine neue Vesperkirche 2017.

(Die Fotos zeigen noch einmal wichtige Szenen und Menschen der Vesperkirche; s.a. die Impressionen unten auf der Startseite)