Traditioneller Gottesdienst am Reformationstag in St. Johannis
Schweinfurt, 31. Okt. 2014. Die Heiligabend-Füllmenge dürfte annähernd erreicht worden sein. So viele Besucher wie diesmal zählte der traditionelle zentrale Reformationstagsgottesdienst in St. Johannis jedenfalls noch nie. Der Dekan begrüßte viele Nobilitäten aus Stadt und Landkreis, unter anderem die Landtagsabgeordnete Kathi Petersen, die stellvertretende Schweinfurter Landrätin Christine Bender und die II. Bürgermeisterin Sorya Lippert. Von den katholischen Geschwistern waren Dekan Stefan Redelberger und der Schweinfurter AcK-Vorsitzende, Diakon Dr. Michael Wahler, gekommen. Vor allem hieß der Dekan den Festprediger, Oberkirchenrat Michael Martin, Leiter der Abteilung "Ökumene und kirchliches Leben" im Landeskirchenamt München, willkommen. Dessen Predigtthema „Ein Traum von Kirche“ vorbereitend, betonte Bruckmann, dass es unsere Gesellschaft und Kirche immer zu erneuern bzw. erneuern zu lassen gelte – und zwar müsse dies eine Erneuerung aus und am Glauben sein.
„Von welcher Kirche träumen Sie?“ So lautete die Einstiegsfrage des Oberkirchenrates in seine Predigt. Gerade am heutigen Reformationstag sei Träumen erlaubt. Kirche wecke viele Erwartungen: Die einen würden von einer gotischen Hallenkirche träumen, die anderen von einer Kirche mit einer schützenden Mauer herum, wieder andere von einem offenen Haus mit niederschwelligen Angeboten, einige bestimmt auch von einer Kapelle hoch oben, dem Himmel nah, weit weg von den dunklen Tälern des Lebens.
Gerade in einer Zeit, wo Religion wieder Konjunktur habe, der Esoterikmarkt unüberschaubar geworden sei, Heiler und Gurus in Talkshows aufträten und Wellness-Offerten auf der Tagesordnung stünden, müsse auch die Kirche um ihren Platz und Profil wissen. Doch habe man das eine Wort von den vielen Worten zu unterscheiden.
„Ja“, so OKR Martin, „Träume sind erwünscht – Träume von einer Kirche, die sich für Frieden einsetzt, für Gerechtigkeit eintritt, Schritte der Versöhnung und Verständigung geht und Menschen zum Leben ermutigt. Wir dürfen aber nicht zu Traumtänzern werden.“ Vielmehr habe unser Kirchentraum einen festen Grund; mit Paulus gesprochen: „Einen anderen Grund kann niemand legen, als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“ (1. Korinther 3,11). Somit komme es allein auf Jesus, den Eckstein und tragenden Pfeiler, an.
Der Oberkirchenrat berichtete sodann von einer Irak-Reise im September, wo er unter anderem ein Flüchtlingslager besuchte und in großen Lettern auf einem der Zelte geschrieben sah: „Jesus – the light of the world“, sozusagen die einzige Hoffnung in jener Extremsituation. Jesus mache Mut zum Leben, das Bestand hat sogar über den Tod hinaus.
Martin fand aber auch kritische Worte: Im 16. Jahrhundert sei leider der Kirchentraum zum Trauma der zerstrittenen Konfessionen geworden, die dann sogar gegeneinander in den Krieg zogen. Von daher müsse jetzt von einer erneuerten Kirche aus allen Konfessionen geträumt werden. Die oft propagierte Freiheit der Kinder Gottes habe sich zu zeigen im Einsatz für Verständigung und Versöhnung, indem Christen den Herausforderungen des täglichen Lebens begegneten. Jede und jeder solle daher in ihrem bzw. seinem eigenen Beruf als Christ leben und dort das Leben anderer mit gestalten. „Das hat nichts mit Weltflucht zu tun, vielmehr mit Weltverantwortung. Die Freiheit fordert zum Einsatz für den Mitmenschen heraus.“
Schlusswort des Oberkirchenrates: „Immer wieder ist Reformation nötig. Doch für jeden Traum von Erneuerung ist zu beachten: „Einen anderen Grund kann niemand legen …“
Trefflich passte dazu anschließend das Lied des Lutheraners Paul Gerhardt „Ist Gott für mich“ mit der Zeile: „Der Grund, da ich mich gründe, ist Christus und sein Blut“. Natürlich durften an diesem Abend auch die Luther-Lieder „Nun freut euch lieben Christen g’mein“ und die „feste Burg“ nicht fehlen. Vor allem aber verliehen die kristallklaren Stimmen der jungen stimmen schweinfurt unter ihrer Leiterin KMD Andrea Balzer dem Gottesdienst einen besonderen Akzent. So dürften in Erinnerung an diesen Abend besonders der „Alleluja“-Chorsatz von Romuald Twardowski und der Palestrina-Hymnus „Jesu, rex admirabilis“ bleiben. Die Feier klang aus mit einem Stelldichein an Standtischen bei Wein und Knabbereien.