Dekan Oliver Bruckmann über die vierte Auflage der Vesperkirche
München (epd). Die Schweinfurter Vesperkirche startet kommenden Januar zum vierten Mal. Vom 21. Januar bis 11. Februar 2018 wird in der St. Johanniskirche am Martin-Luther-Platz getafelt. Im Kirchenraum wird ein günstiges Mittagessen für 1,50 Euro pro Erwachsenen und 50 Cent pro Kind angeboten, Kaffee und Kuchen gibt es danach auch noch. Außerdem bieten kirchliche und diakonische Einrichtungen Beratungen und Infos an. Der evangelische Schweinfurter Dekan Oliver Bruckmann erklärt, weshalb die Einrichtung Vesperkirche aus der unterfränkischen Stadt nicht mehr wegzudenken ist - und warum es auch für sozial besser gestellte Menschen ein Gewinn ist, in die Vesperkirche zu kommen.
epd: Ist die Vesperkirche im vierten Jahr ihres Bestehens noch aus der Stadt wegzudenken?
Bruckmann: Das ist sie tatsächlich nicht mehr. Und das merkt man daran, dass die Vesperkirche übers ganze Jahr hinweg immer wieder Thema ist. Nicht nur in der Kirchengemeinde, sondern eigentlich überall. Man wird immer wieder darauf angesprochen - und meistens sind die Rückmeldungen sehr, sehr positiv.
epd: Welchen Schwerpunkt haben sich Diakonie und Kirche dieses Jahr für die Vesperkirche gesetzt?
Bruckmann: Wir haben uns kein eigenes Jahresmotto auferlegt, sondern wir stehen wieder unter der Überschrift "Gemeinsam für Leib und Seele", wie in den vergangenen Jahren auch schon. Wir bieten ja neben der Möglichkeit, gemeinsam zu essen und sich zu begegnen, auch Beratungen an - das ist Motto genug.
epd: Es gibt inzwischen viele Nachahmer - freut Sie das als bayerische Pionier-Vesperkirche?
Bruckmann: Ja, na klar. Das freut uns sehr. Und ich fände es auch gut, wenn die Landeskirche noch mehr hinter diesem Thema stehen würde. In Bayern gibt es das Potenzial aus dem noch zarten Pflänzchen eine landesweite Bewegung zu machen wie im Heimatland der Vesperkirchen, in Baden-Württemberg.
epd: Was meinen Sie damit, dass die Landeskirche noch mehr hinter dem Thema stehen könnte?
Bruckmann: Wir wurden damals als erste Vesperkirche in Bayern von Diakonie und Landeskirche unterstützt - ich fände es gut, wenn jedes Jahr ein bis zwei Vesperkirchen eine finanzielle Starthilfe erhalten! Die muss gar nicht so umfangreich sein. Man könnte als Landeskirche aber zeigen, dass man das wertschätzt.
epd: Eine Vesperkirche ist keine "Armenspeisung" - wie groß ist der Anteil sozial Bedürftiger unter den Gästen?
Bruckmann: Das ist relativ schwer zu beantworten, weil man das den Menschen nicht an der Nasenspitze ansieht - zum Glück! Natürlich kennt man viele der Leute, die zu uns kommen, und da sind auch einige dabei, denen das vergünstigte Essen bei uns nicht nur gesellschaftlich, sondern auch finanziell eine Hilfe ist.
epd: Was haben denn sozial besser gestellte Menschen für ein Interesse, in die Vesperkirche zu kommen?
Bruckmann: Lassen Sie es mich so zusammenfassen: Das Bedürfnis nach Begegnung und Teilhabe und nach einer Zeit, in der man Gemeinschaft erlebt und wirklich satt wird an Leib und Seele, das ist sehr groß und allgemein feststellbar - das gilt eben auch für Menschen, die deutlich mehr im Geldbeutel haben.
epd: Anders gefragt: Hat sich am sozialen Klima in der Stadt durch die Vesperkirche etwas verbessert?
Bruckmann: Das ist eine sehr gute Frage - woran könnte man das denn sehen? Ich hoffe, dass sich das soziale Klima in der Stadt durch unsere Vesperkirche ein bisschen verbessert hat. Wir werden oft gefragt, warum wir die Vesperkirche nicht länger machen, oder zwei Mal im Jahr. Das spräche sehr dafür.
epd: Herr Bruckmann, wie schaut es heuer mit der Finanzierung der Schweinfurter Vesperkirche aus?
Bruckmann: Wir sind guter Dinge. Zum einen haben wir einen der Sozialpreise der bayerischen Landesstiftung erhalten und damit 10.000 Euro. Das ist schon mal ein schöner Anfang. Außerdem ist die Bereitschaft der Schweinfurter Bürger, für ihre Vesperkirche zu spenden, ungebrochen - das ist wirklich großartig!
epd: Wird es mit den Jahren schwerer oder leichter, ausreichend Sponsoren für das Projekt zu finden?
Bruckmann: Es wurde bisher von Jahr zu Jahr leichter, weil das Projekt Vesperkirche und was genau es bedeutet natürlich immer bekannter wird. Das war vor der ersten Vesperkirche im Januar 2014 schon schwerer - man musste eben viel erklären. Wir hoffen, dass das so weitergeht, weil die Arbeit wichtig ist.
epd: In den vergangenen Jahren hatten Sie eher zu viele statt zu wenige Helfer. Ist das noch immer so?
Bruckmann: Ja, nach wie vor. Die Vesperkirche hat eine enorme Ausstrahlung auf die Menschen. Das macht es vermutlich sehr attraktiv, da mitzuhelfen. Weil man direkt sieht und spürt, dass man bei einem sehr sinnvollen und hilfreichen Projekt mitarbeitet. Diese Begeisterung freut uns als Organisatoren.
epd: Das klingt alles so einfach und problemlos. Hakt es eigentlich nie? Ist das nicht ein enormer Kraftakt?
Bruckmann: Und wie! Unglaublich ist das. Den Kirchenraum zum Speisesaal umzubauen ist da noch das kleinste Problem. Sie müssen rund 300 Leute koordinieren, Einsatzpläne schreiben, Lücken an den weniger beliebten Tagen stopfen. Das ist viel Arbeit - aber sie ist erfüllend und sinnstiftend. Deshalb läuft's.
(Das Gespräch führte Daniel Staffen-Quandt, epd-Nachrichten, Landesdienst Bayern mobil, Nr. 223 vom 27.11.2017)