f.i.t.-Projekt von Diakonie und Kirche
Schweinfurt, 18. Juli 2013. Wenn sich Deckenfluter, Elektroheizungen, Heißlüfter, Durchlauferhitzer oder alte Kühlschränke als Stromfresser entpuppen und deshalb die Energieschulden über den Kopf wachsen! 2012 kam es in Schweinfurt zu über 500 Stromabschaltungen, weil Haushalte ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen konnten. Jährlich versenden die Stadtwerke 2000 Ankündigungen einer unmittelbar bevorstehenden Stromsperre und erzeugen somit ein „Druckpotenzial“. Ab- und Anschaltgebühren kommen für die Kunden hinzu.
Gemeinsam mit der Diakonie hat die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern 2012 das Projekt f.i.t. („fördern, initiativ werden, teilhaben“) zur Armutsprävention initiiert! Das Diakonische Werk Schweinfurt, namentlich die Abteilung „Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit“ (KASA), setzt es konkret hinsichtlich der Einsparung von Energie in Privathaushalten um.
Die Landeskirche unterstützt dieses Projekt für zunächst drei Jahre mit insgesamt 140.000 €. Die Diakonie finanziert darüber hinaus aus Eigenmitteln und Spenden eine Mitarbeiterin, zuständig für die Beratung der Energieschuldner und Vermittlerin zwischen ihnen und den Stadtwerken.
Die Schirmherrin des f.i.t.-Projektes, Landessynodalin Renate Käser, und Dekan Oliver Bruckmann informierten sich nun bei Projektleiter Siegfried Fuchs und bei Uwe Kraus, dem Leiter der KASA, ausführlich über den Projektstand.
Fuchs registriert einen immer größeren Bedarf an Beratung. Letztlich könne die Energieschuldenfalle jeden treffen, aber vorwiegend seien es Hartz-IV-Empfänger, ältere Menschen, alleinerziehende oder alleinstehende Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund. Als städtische „Brennpunkte“ nennt er das Musiker- und Gründerzeitviertel sowie das Bergl.
Kürzlich endete im Rahmen der Ehrenamtsakademie des Diakonischen Werkes bereits der zweite Ausbildungskurs zu Energiesparberatern. Hoch motivierte Ehrenamtliche hatten sich in über 40 Stunden Schulung für Fragen der Haushaltstechnik zurüsten und entsprechend qualifizieren lassen, wurden also im wahrsten Wortsinne fit gemacht für das Projekt f.i.t.
Der Einsatz von zurzeit zehn Ehrenamtlichen läuft wie folgt ab: Bei einem ersten Hausbesuch werden die relevanten Daten per Checkliste und mit Messgeräten erfasst und danach ausgewertet. Daran schließt sich eine individuelle technisch-praktische, aber auch soziale Beratung an. Nach etwa einem halben Jahr erfolgt eine Rückmeldung und Überprüfung, etwa anhand regelmäßiger Zählerstand-Kontrolle. Bei Umsetzung der Ratschläge besteht ein Einsparungspotenzial zwischen 100 und 400 Euro jährlich.
Jeder „Fall“ nimmt die Energiebrater acht bis zwanzig Stunden in Anspruch. Letztlich bieten sie einfache, kostenlose Hilfestellung zur Selbsthilfe an, damit ihre Klienten mit den eigenen, begrenzten Möglichkeiten längerfristig auszukommen lernen. Finanzielle Unterstützung wäre dagegen nur eine kurzzeitige Überbrückung. Den Beratern ist es neben der Sensibilisierung für konkrete Veränderungen um Wertschätzung und Toleranz zu tun. Kritik etwa am Lebensstil ihrer Klienten liegt ihnen fern.
Siegfried Fuchs widerspricht dem landläufigen Klischee, die Betroffenen seien selber schuld an ihrer Lage. Dabei handele es sich eher um eine Art Schutzbehauptung oder Abwehrmechanismus. Denn für Vermieter sei es sehr bequem, wenn sie in ihren Wohnungen keine Leitungen verlegen müssten, stattdessen die Zimmer mit Stromheizungen ausstatten könnten.
Die Stadt- und Wohnbau GmbH Schweinfurt zähle zu den größten Wohnungsanbietern in Unterfranken. Gerade sie sollte seiner Meinung nach auf Reduktion der Heizkosten in ihren Objekten bedacht sein und zugunsten der Verbraucher Energiefresser beseitigen, etwa durch Installation von Nachtspeicheröfen.
Überhaupt sei der Verkauf von Energie, Strom, Gas ein profitabler Wirtschaftsbereich. Daran sei die Stadt Schweinfurt mit jährlich neun Millionen Euro Einnahmen beteiligt, womit sie den Stadtbusverbund und das Silvana-Bad querfinanziere.
Diakoniechef Jochen Keßler-Rosa würde es begrüßen, wenn auch die Menschen, denen es jetzt gut geht, stärker ihre Stimme erheben, sich mehr für soziale Themen engagieren und somit zu einer nachhaltigen Veränderung der Lebensbedingungen für Arme beitragen würden. „Freilich braucht es dazu einen langen Atem.“ So gelte es Synergieeffekte zu nutzen und weitere Partnergemeinden zu finden. Inzwischen arbeiten die Dekanate Schweinfurt, Bad Neustadt und Kitzingen eng mit der Diakonie Schweinfurt zusammen. Auch ließen sich beispielsweise in Frauen- oder Seniorenkreisen Möglichkeiten der Energieeinsparung besprechen.
Kurzum, es geht, wie es Dekan Bruckmann formulierte, um die sichtbare Verbundenheit von Kirche und Diakonie als Ausdruck praktischer christlicher Nächstenliebe. Landessynodale Renate Käser sieht als Fernziel im Herbst 2015 die Tagung der Landessynode in Schweinfurt an. In deren Rahmen gebe es bestimmt eine Gelegenheit, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und die Synodalen vor Ort mit dem f.i.t.-Projekt vertraut zu machen.
Stoff für eine sozialpolitische Diskussion gibt es jedenfalls schon jetzt reichlich!
Anlaufstelle ist die KASA, An den Schanzen 6, Schweinfurt; Tel. 09721 2087-102.
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