Eine komplexe Materie

Ausstellung "30 Jahre Schuldenkrise" eröffnet

Plakative Meinungen, die dringend korrekturbedürftig sind

Schweinfurt-St. Johannis, Sa., 6. Juli 2013. Konzipiert wurde die Wanderausstellung vom Bündnis „erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung“. Zu seinen Engagements zählen Bewusstseinsbildung, öffentliche Mobilisierung und Nord-Süd-Kooperationen zwecks einer gerechten Gestaltung der Finanzbeziehung zwischen den Ländern des Nordens und des Südens. Ein konkretes Engagement von "erlassjahr.de" ist die nun in der St. Johannis-Johanniskirche eröffnete Ausstellung „30 Jahre Schuldenkrise“.

Allerdings ist der Begriff „Erlassjahr“ ein paar tausend Jahre älter, steht er doch schon im Alten Testament, worauf Dekan Oliver Bruckmann in seiner Begrüßung der nur 20 interessierten Vernissage-Gäste, darunter Bürgermeisterin Kathi Petersen und Stadtrat Dr. Kurt Vogel,  aufmerksam machte: In jedem 50. Jahr „soll ein jeder bei euch wieder zu seiner Habe und zu seiner Sippe kommen“ (3. Mose 25,10). Es war damals der Appell, dass das Volk seine durch den Exodus aus Ägypten gewonnene Freiheit nicht wieder verspielen und „verwirtschaften“ dürfe. Genauso stellt sich laut Dekan für uns heute die Frage, wie wir mit Produktionsgütern und Menschen umgehen. Denn so manches geschehe auch bei uns und selbst durch uns, dass wir auf Kosten anderer leben würden.

Bezirksrat und DW-Vorstand Jochen Keßler-Rosa vertrat in seinem Grußwort den Blickwinkel der Diakonie, die tagtäglich mit Armut und Schuldenkrise konfrontiert ist. Schuldenkrise und Schuld seien miteinander korrespondierende Themen, frei nach der Bibel: „Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein“ und: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.“ Entscheidend sei, ob wir mit Respekt miteinander umgingen oder ob wir uns arrogant über andere erheben würden. Testfall sei die oft zu hörende, geringschätzige Redensart: „Solange die oder der sich noch Zigaretten kaufen oder ein Tattoo machen lassen kann, wird’s ja nicht so schlimm sein.“

Pfarrerin Gisela Voltz, zuständig für entwicklungsbezogene Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit bei Mission EineWelt, bot eine Einführung in das Ausstellungskonzept mit anschließendem Rundgang. Der Titel „30 Jahre Schuldenkrise“ beziehe sich auf das Jahr 1982 zurück, in welchem mit der Zahlungsunfähigkeit Mexikos die moderne Staatsschuldenkrise begonnen habe. Ein Alternativtitel wäre für die Pfarrerin: „Hoffnungslos verschuldet?“ Freilich dürfte es keine hoffnungslose Verschuldung, sondern immer eine neue Chance für einen Neuanfang geben, wozu die Ausstellung einige Konkretionen biete. Pfrin Voltz kritisierte, dass oft diejenigen, die eine Krise verschuldet haben, keine Verantwortung zu übernehmen bräuchten, hingegen all die Menschen, die damit am wenigsten zu tun haben, die Lasten zu tragen hätten. Gerade als Christen sollten wir uns für das Recht auf ein menschenwürdiges Leben aller stark machen.

Texte, Statistiken, Fotos auf Schautafeln wechseln ab mit per Kopfhörer abrufbaren Video-Einspielungen. Länderporträts, etwa von Bolivien, Peru oder Ungarn, zeigen beispielhaft Ursachen von Überschuldung und deren Überwindung auf. Im Begleittext heißt es: „Um seinen Schuldendienst zu leisten, muss ein hoch verschuldeter Staat wichtige Grunddienste, wie die Bildung, die Gesundheitsversorgung oder Investitionen in den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur einschränken.“ Deshalb fordert „erlassjahr.de“ einen weitreichenden Schuldenerlass, Streichung illegitimer Schulden sowie die Schaffung einer fairen und transparenten Schuldenkonferenz.

Zum Verstehen dieser Thematik braucht es zweifelsohne Vorkenntnisse, Sensibilisierung und auch ein gewisses politisches Knowhow für die nicht leicht durchschaubaren nationalen und globalen Verflechtungen. Selbst der Dekan sprach von einer „komplexen Materie“ – und das will was heißen!

Die Ausstellung ist in St. Johannis bis zum 21. Juli zu besichtigen, täglich von 09.00 bis 17.00 Uhr.