Altlandesbischof Dr. Friedrich berichtete über die neue Lutherübersetzung 2017
Schweinfurt, Mi. 25. Okt. 2017. Perlen vor die Säue werfen, im Dunkeln tappen, sein Licht unter den Scheffel stellen, aus seinem Herzen eine Mördergrube machen, die Zähne zusammenbeißen, unter die Räuber fallen, im Schweiße des Angesichts: Geflügelte Worte, die wir sicher alle kennen. Und zwar stehen sie in der Bibel, besser gesagt in Martin Luthers Bibelübersetzung. Er hat unsere Sprachkultur geprägt. Zudem war er der Förderer der deutschen Schriftsprache, des neuen, sich damals gerade herausbildenden Hochdeutschen.
Seit einem Jahr ist eine Neurevision der Lutherbibel auf dem Markt. Brauchte es überhaupt diese Revision 2017? Und was ist daran neu? Kein Geringerer als Dr. Johannes Friedrich, zwölf Jahre Landesbischof der Evang.-Luth. Kirche in Bayern (1999-2011), ehedem auch Leitender Bischof der Vereinigten Evang.-Luth. Kirche Deutschlands (2005-2011) und Vorsitzender der Deutschen Bibelgesellschaft, konnte vom Evangelischen Bildungswerk Schweinfurt als Referent für dieses Thema gewonnen werden. Dr. Friedrich berichtete sozusagen aus erster Hand, denn er war selber Mitglied im Revisionskomitee und an der Entscheidungsfindung, ob bestimmte Worte zu ändern seien oder nicht, maßgeblich beteiligt. Hier einige Streiflichter aus seinem Vortrag im Martin-Luther-Haus:
Luthers Übersetzung ist nicht die Erste gewesen. Allein seit 1466 hat es 18 Übertragungen ins Deutsche gegeben, die aber von keiner guten Qualität waren, da sie auf der kirchenamtlichen lateinischen Bibelübersetzung, der Vulgata, basierten. Bei seinem nicht ganz freiwilligen Wartburgaufenthalt 1521/22 hat dann Luther das Neue Testament innerhalb von nur elf Wochen auf Grundlage des vom Humanisten Erasmus von Rotterdam herausgegebenen griechischen Neuen Testamentes verdeutscht. Seine Übertragung war somit die erste aus der Originalsprache ins Deutsche. Demgegenüber hat die jüngste Lutherbibel-Revision fünf Jahre gedauert. Sage und schreibe 70 Theologen und Germanisten waren an ihr beteiligt und ein achtköpfiger Lenkungsausschuss, darunter wie gesagt Dr. Friedrich, traf dann die endgültige Entscheidung.
Die gedruckte Erstausgabe des Luther-NT erschien im September 1522 (das sog. „September-Testament“), die Zweitauflage, mit bereits über 500 von Luther vorgenommenen Veränderungen, im Dezember 1522. Gleich danach begann er mit der Übersetzung des AT: 1523 erschienen die 5 Mose-Bücher im Druck, 1524 die Geschichts- und poetischen Bücher und 1532 die Propheten. 1534 gab es die erste Wittenberger Vollbibel („Die gantze Heilige Schrifft Deutdsch“).
Immer wieder haben LuÂther und seine bis zu acht Mitarbeiter, darunter Philipp Melanchthon und Georg SpalaÂtin, diese Bibelausgabe systematisch überarbeitet. Jahr für Jahr erfolgte eine ständige ÃœberÂprüfung durch diese sog. Wittenberger Arbeitsgemeinschaft.
Z.B. klang Psalm 23 zunächst noch ganz anders. Sein Anfang lautete in Luthers Handschrift: Der Herr ist mein Hirte, / mir wird nichts mangeln. / Er läßt mich weiden / in der Wohnung des Grases / und nähret mich am Wasser / guter Ruhe. Im Erstdruck der Psalmen 1524 hieß es: Der Herr ist mein Hirte, / mir wird nichts mangeln, / Er läßt mich weiden, / da viel Gras steht, / und führet mich zum Wasser, / das mich erkühlet. Erst in der Psalmenrevision von 1531 erhielt der Psalm (fast) seine heutige Fassung: Der Herr ist mein Hirte, / mir wird nichts mangeln. / Er weidet mich / auf einer grünen Auen / und führet mich / zum frischen Wasser.
1545 erschien in Wittenberg die letzte Bibelausgabe zu Luthers Lebzeiten, „auffs new zugericht“. Da von ihm noch selbst autoriÂsiert, ist sie faktisch sakrosankt geworden.
1892 fand die erste kirchenamtliche Bibelrevision statt, 1912 die zweite, nach dem Zweiten Weltkrieg die dritte (1956: NT, 1964: AT, 1970: Apokryphen). Sodann gab es 1975 die erste Nachrevision des NT, die bis heute ironisch die „Eimer-Revision“ genannt wird, weil die Redensart „sein Licht unter den Scheffel stellen“ (Matthäus 5,15) mit „sein Licht unter den Eimer stellen“ übersetzt worden war. Deshalb erfolgte schon 1984 eine zweite, korrigierende Nachrevision, die bis dato die gängige war.
Nun also die vierte kirchenamtliche, d.h. von der EKD autorisierte Revision, die in großer Treue geÂgenüber Luther, aber natürlich zugleich in Treue gegenüber dem Urtext auf die 1545er Ausgabe letzter Hand rekurriert, sozusagen eine „RückÂrevision“ ist. Nicht die Anpassung an modernes Deutsch war ausÂschlaggebend, sondern die BeibehalÂtung des „Luther-Sounds“ (so Dr. Friedrich), wie er in den Lektionaren und in der Liturgie der Gemeinden zu Hause ist. Netto wurden nur fünf Prozent der Wörter verändert. Manche Kritiker sagen freilich: Diese Revision sei das Produkt einer evangeÂlischen SelbstverÂgewisserung und zu viel des Guten. Selbst Luther hätte heute vermutlich anders übersetzt.
Ein Beispiel: Die bekannte Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium lautet in dieser neuerlichen Revision immer noch: Da machte sich auf auch Josef […], darum dass (statt: weil) er von dem Hause und Geschlechte Davids war. Und Maria bleibt weiterhin „sein vertrautes Weib“. Nur in einer Fußnote heißt es jetzt: „Wörtlich: ‚mit Maria, die ihm zur Ehe versproÂchen war‘“. Einzige Änderung des Weihnachtsevangeliums ist das Wort „judäisch“ statt bisÂher „jüdisch“: Josef machte sich auf aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäiÂsche Land zur Stadt Davids. Denn das ist die korrekte Landesbezeichnung: eben Judäa - so wie GaliÂläa. Ansonsten blieb die Weihnachtserzählung unverändert.
Selbstverständlich beließ der Lenkungsausschuss auch den Vaterunser-Text. Bei der Bitte um Vergebung der Schuld steht aber – wieder in einer Fußnote – nun die eigentlich korrekte Übersetzung: „Und erlass uns unsere Schulden“. Dr. Friedrich: „Je tiefer ein Text im Gedächtnis der Gemeinden verankert ist, desto weniger wurde etwas geändert.“
So darf man sich also heimelig fühlen beim Luther-Sound, wenn es nun wieder „auf dass“ statt „damit“ heißt, „daselbst“ statt „dort“ oder „etliche“ statt „einige“, z.B. beim Gleichnis vom Sämann: „Es fiel etliches (nicht mehr: „einiges“) auf den Weg“ (Markus 4,4). Und auch den starken Konjunktiv gibt‘s aus Jesu Mund: „Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe“ (Johannes 11,25).
Doch weil kaum jemand mehr weiß, was eine „Wehmutter“ ist, nämlich eine Hebamme, musste entsprechend geändert werden (1. Mose 35,17). Auch wurde aus dem heute missverständlichen „Erbgut“ nun „Erbteil“; so sagt Gott zu Aaron: Ich bin dein Anteil und dein Erbteil inmitten der Israeliten (3. Mose 18,20).
Neu ist auch, dass die Apokryphen mit zum festen Bücherbestand gehören. Luther hatte sie nicht so gern: „Das sind Bücher, so der heiligen Schrift nicht gleich gehalten, und doch nützlich und gut zu lesen sind“, lautete sein klassisches Statement. Die Apokryphen, die in der katholischen Kirche zum Kanon der Bibelbücher zählen, fristeten daher in evangelischen Kreisen eher ein Randdasein. Dass sie nun in der Bibelausgabe mit drin sind, darf als ökumenisches Zeichen verstanden werden. Immerhin waren aber hier größere Texteingriffe erforderlich: 3700 von 4400 Versen sind geändert worden.
Ferner ist an der Lutherbibel 2017 neu, dass manche Kapitelüberschrift, die ja nicht von Luther, sondern von den Herausgebern stammt – zuerst von Württemberger Pietisten kreiert! -, geändert wurde. So ist etwa dem jüdisch-christlichen Dialog geschuldet, dass über Römer 11 nicht mehr steht: „Nicht ganz Israel ist verstockt“, sondern „Gott hat sein Volk nicht verstoßen.“ Auch der Fettdruck von wertvollen, zum Memorieren empfohlenen Kernstellen ist geblieben. Nur sind da manche jetzt in den Normaldruck gewechselt, während wiederum andere neu dick gedruckt sind. Jede Zeit setzt eben andere Wertigkeiten. War bisher selbstverständlich herausgehoben: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (3. Mose 19,18), so ist nun im selben Kapitel fett hinzugekommen: Du sollst ihn (nämlich den Fremdling) lieben wie dich selbst (3. Mose 19,34).
Wem der Text der Lutherbibel trotzdem zu altmodisch erscheinen sollte, dem empfiehlt der Altlandesbischof die „Basisbibel“ als Alternative. Sie sei wissenschaftlich exakt und speziell für die Arbeit mit Konfirmanden und Jugendlichen geeignet. Und wie lautet da die Weihnachtserzählung? Auch Josef ging von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa […]. Denn er stammte aus dem Königshaus und der Familie Davids. In Betlehem wollte er sich eintragen lassen zusammen mit Maria, seiner Verlobten. Übrigens: Die „Basisbibel“ wird wie die „Lutherbibel“ von der Deutschen Bibelgesellschaft herausgegeben.
Schade, dass nur rund 30 Besucherinnen und Besucher die ansprechende Powerpoint-Präsentation von Dr. Friedrich sehen wollten. Bereits am Mittwoch, dem 04. Oktober, hatte Dr. Albrecht Garsky, Leiter der Kath. Erwachsenenbildung Schweinfurt, einen Vortrag über die ebenfalls neue Revision der sog. Einheitsübersetzung (2016) gehalten. Während deren erste Ausgabe 1980 noch ein ökumenisches Gemeinschaftsübersetzungsprojekt, zumindest was das Neue Testament und die Psalmen anbelangte, war, ist nunmehr ihre Revision ein rein katholisches Unternehmen geworden. Denn 2005 stieg die EKD aus dem Projekt aus, angeblich weil sie keinen Einfluss auf die endgültige Textentscheidung hätte nehmen können (so Dr. Friedrich).
Maximale Treue zum hebräischen bzw. griechischen Urtext und natürlich gutes Deutsch war das bestimmende Ziel dieser Neuausgabe. Anhand von Beispielen machte Dr. Garsky Unterschiede zur vorherigen Edition deutlich. So lautete Gottes Selbstvorstellung gegenüber Mose am brennenden Dornbusch in der 1980er Version: Ich bin, der ich bin. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der Ich-bin hat mich zu euch gesandt. Nun heißt es: Ich bin der «Ich-bin-da». Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der «Ich-bin-da» hat mich zu euch gesandt. Ob dies dem theologischen Laien verständlicher ist, sei dahingestellt. Deshalb gibt es jetzt dazu eine lange erklärende Fußnote, hier stark gekürzt wiedergegeben: „Der Gottesname (JHWH) ist schwer zu deuten. An der vorliegenden Stelle wird an den Namen durch einen geheimnisvollen Satz [...] angespielt. Etwa: Ich bin, der ich bin oder auch […]: Ich werde sein, der ich sein werde. Wie auch immer zielt die Umschreibung darauf ab, die Unverfügbarkeit Gottes [...] zu wahren.“
Gottes hebräischer Eigenname „Jahwe“ (so 1980) wurde im Übrigen zu „Herr“ geändert, wie ihn ebenfalls Luther wiedergibt. Überhaupt kamen die katholischen Revisoren an Luthers inzwischen ökumenisches Gemeingut gewordener Bibelübersetzung nicht ganz vorbei. Matthäus 11,28 lautet nun auch in der Einheitsübersetzung: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.“ Die 1980er Fassung hatte sich einfach nicht durchgesetzt: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“ Aber noch vermeidet die Einheitsübersetzung den Hohlmaß-Begriff „Scheffel“ und schreibt: Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber. Nein! So wie der „Eimer“ nichts gegen den „Scheffel“ ausrichten konnte, so kann auch ein übergestülptes Gefäß dem Scheffel nicht den Rang ablaufen.