475 Jahre Reformation in Schweinfurt

Festpredigt von Landesbischof Bedford-Strohm

Eingetroffen: Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm mit Dekan Oliver Bruckmann auf dem Martin-Luther-Platz

Schweinfurt, Trinititatisfest, 11. Juni 2017. 475 Jahre Reformation in Schweinfurt! Fast rückte dieser Kasus, den es zu feiern galt, in den Hintergrund. Denn wenn das Kommen des Landesbischofs zu einem Festgottesdienst ansteht, ist allemal mit vollem Kirchenschiff zu rechnen. So war es denn auch, zumal etliche Stadt- und Landgemeinden des Dekanats den Sonntagsgottesdienst extra ausfallen ließen, um ihre Gemeindeglieder nach St. Johannis einzuladen.

Und die bekamen viel zu sehen, vor allem zu hören: zuallererst Kirchenmusik auf höchstem Niveau, auf der Empore dargeboten von der Kantorei St. Johannis unter Leitung von KMD Andrea Balzer, verstärkt um das Kammerorchester Pfaffenhofen und das Trompetenensemble Bernhard Kimmel. Auszüge aus Bachkantaten kamen zur Aufführung, bekannte Stücke wie „Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!“ (BWV 214) oder „Gelobet sei der Herr“ (BVW 129).

Sodann durfte man natürlich den Landesbischof live und nicht wie sonst nur via Mattscheibe erleben. Zusammen mit Dekan Oliver Bruckmann bildete Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm das Ende eines prächtigen Einzuges, voran der Kirchenvorstand von St. Johannis und St. Salvator.

In seiner Begrüßung verdeutlichte der Dekan, um was es eigentlich an diesem Tag ging: dass genau heute vor 475 Jahren, am 11. Juni 1542, „der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Reformation in der freien Reichsstadt Schweinfurt“ gemacht wurde: Magister Johannes Sutellius war vom hessischen Landgraf Philipp I. aus Göttingen hierher entsandt worden und hielt die erste evangelische Predigt, - aber nicht in der noch unter katholischer Aufsicht stehenden St. Johanniskirche, sondern in der Spitalkirche oder – wahrscheinlicher – in St. Salvator. Erst Monate später gelang seine Einführung in St. Johannis, wo er bis zum Jahr 1547 Schweinfurts erster evangelische Pfarrer war.

Des Weiteren bekundete der Dekan seine Dankbarkeit darüber, dass die tiefen konfessionellen Spaltungen inzwischen „überwunden und geheilt“ seien. Sodann hieß er mit großer Freude den Landesbischof der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, zugleich den Ratsvorsitzenden der EKD – wieder einmal – offiziell willkommen.

Im Zentrum des liturgisch vom II. St. Johannis-Pfarrer Andreas Grell gestalteten Gottesdienstes stand die mit Spannung erwartete Festpredigt des Bischofs – und zwar über das Bibelwort, das damals Sutellius ausgelegt hatte (leider gibt‘s seine Predigt nicht mehr). Es war die Kontrasterzählung von dem reichen Mann und dem armen Bettler Lazarus vor seiner Haustür: wie dann beide sterben und Lazarus zum Ahnvater Abraham ins Paradies, aber der Reiche in die Hölle kommt (Lukas 16,19-31).

In diesem Gleichnis mit seinem starken Bildmaterial – so führte der Bischof aus – gehe es um das Grundkonzept unseres Lebens, um unser Seelenheil. Außerdem sei es der richtige Text, um über den Kern des evangelischen Glaubens sowie über Sinn und Ziel der Reformation nachzudenken.

Zwar mute die Erzählung wie ein moralisches Manifest an, wie ein Exempel des erhobenen Zeigefingers. Aber wir sollten bedenken, dass die meisten von uns – leider oder glücklicherweise? – eher keine Bettler seien. Unsere Haustür bilde die sichere Grenze. Lazarus draußen stehe uns „unendlich fern wie im richtigen Leben“. Provokativ gefragt: „Wie viel Verdrängungsfähigkeit braucht es, um ihn nicht wahrzunehmen?“

Szenenwechsel: Ihrer beider Tod führe zu einem Rollentausch der Figuren: Lazarus komme zu allerhöchsten Ehren, werde reich beschenkt, erfahre die ausgleichende Gerechtigkeit, während der ehedem Reiche in der Hölle darben müsse. „Das wären schlechte Aussichten für uns.“ Doch wolle uns die Erzählung kein Gewissen machen, denn „Wohlstand an sich ist nicht schlecht“. Vielmehr gehe es um Empathie, den anderen in seiner Not zu sehen und sich anrühren zu lassen. „Das Problem ist nicht, dass es uns gutgeht, sondern dass es anderen schlecht geht.“

So schließe das Gleichnis mit dem eindringlichen Aufruf, Gottes Gebote ernstzunehmen. Im Besonderen erinnerte der Landesbischof an das Nächstenliebegebot. „Niemand von uns kann sagen, er hätte es nicht gewusst.“

Es folgte der Schweinfurt-Bezug der Predigt: Prof. Bedford-Strohm betonte, es sei im himmlischen Lebensbuch Gottes aufgeschrieben, was hier in dieser Stadt getan wurde. Und er nannte exemplarisch die Vesperkirche, die Flüchtlingshilfe und die Energieberatung für sozial Schwache seitens des Diakonischen Werkes, namentlich der KASA. Es sei eben nicht egal, ob dies alles geschehe oder nicht. „Man könnte es schon mit der Angst bekommen.“

Am Schluss kam der Landesbischof – natürlich – auf Martin Luther zu sprechen, auf ihn, der sich vergeblich um sein „moralisches Punktekonto vor Gott bemüht hatte“, bis er die Rechtfertigung seitens Gott allein aus Gnade erkannte: „Gottes Liebe ist viel größer, als er es sich hätte vorstellen können.“ Ergo dürften auch wir aus der "Freiheit eines Christenmenschen" (so der Titel einer Hauptschrift Luthers) leben. „Nicht Angst vor der Hölle ist die Triebkraft unseres Handelns, sondern Dankbarkeit für das von Gott Empfangene.“ Es gelte neu, Christus „als Triebkraft unseres Lebens, als den einen Herrn unserer Kirche, der uns Spaltungen überwinden lässt“, zu erkennen. Die Predigt mündete aus in den Aufruf „zum Aufbruch zu einer Kirche, die die radikale Liebe ausstrahlt und die in einer gespaltenen Welt ein glaubwürdiges Zeugnis der Einheit ablegt.“    (die PREDIGT im Wortlaut, s.u. pdf-Datei)

Die anschließenden Fürbitten, von Kirchenvorstehern vortragen, unterstrichen diese Botschaft. Unter anderem wurde gebetet für das Miteinander der Konfessionen und für Frieden in der Welt.

„Ein feste Burg ist unser Gott“: Das Reformationslied schlechthin durfte selbstverständlich nicht fehlen. Aus vollen Kehlen sang es die Gemeinde unter Chorbegleitung.

Nach dem Segen des Landesbischofs ging es beschwingt hinaus auf den sonnendurchfluteten Martin-Luther-Platz. Der dort kredenzte Kaffee war freilich weniger wichtig, als einen Händedruck des Bischofs, der das Bad in der Menge sichtlich genoss, zu ergattern.