Kantatengottesdienst einer der Höhepunkte im Kissinger Sommer
Bad Kissingen, So., 26. Juni 2016 (klk). Musik kann Verkündigung sein, die Seele erwärmen und Menschen für den Glauben an Gott begeistern. Diese Meinung muss Felix Mendelssohn-Bartholdy schon in jungen Jahren gehabt haben, sonst würde er in das „Gloria in Es-Dur“ für Soli, Chor und Orchester nicht so viel Ausdrucksstärke und Begeisterungsfähigkeit gesteckt haben. Von Anfang an hat der Kantatengottesdienst in der Bad Kissinger Erlöserkirche einen festen Platz im Kissinger Sommer. Jetzt stand dieses Werk beim diesjährigen Kantatengottesdienst mit dem um Bläser erweiterten Kissinger Kammerorchester, dem Würzburger Madrigalchor und den Solisten Ilse Fenger (Idar Oberstein), Annette Erb (Bad Kissingen), Sopran; Katrin Edelmann (Premich), Alt; Simon Hochburger (Würzburg), Tenor und Eric Fergusson (München), Bass auf dem Programm.
Bemerkenswert und beeindruckend interpretierten die Mitwirkenden dieses emotional tief berührende Meisterwerk auf höchstem Niveau. Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche hatte hervorragende Vorarbeit geleistet, denn die Musiker und Sänger setzten das „Gloria in Es-Dur“ punktgenau um. Es war eine wahre Lust, den brillanten Sängern und den ausgezeichneten Musikern zuzuhören, in die orchestralen Klangwelten des jungen Felix einzutauchen und tief im Herzen berührt zu sein. „Das Gloria ist seit Jahrhunderten Teil des christlichen Gottesdienstes. Es gehört zum sogenannten Ordinarium, den feststehenden Teilen, sowohl in der katholischen Messe als auch im lutherischen Gottesdienst“, so Pfarrerin Christel Mebert bei ihrer gefühlsbetonten Predigt. „Mächtig klingt das Gloria wie ein Fanfarenruf, schallt hinaus, die Ehre Gottes zu verkünden.“ Doch so prächtig die Töne auch seien, sie dürften uns den Text nicht vergessen lassen: Gott die Ehre, der Erde Frieden, den Menschen Gerechtigkeit. „Nichts von alle dem ist schon wirklich, wie wir heute täglich erfahren. Vieles ist friedlos – damals wie heute. Wie eine Spur zieht sich diese Erfahrung bis in unsere Tage. Unfrieden zwischen Völkern, Leid, das Menschen einander zufügen, Traurigkeit des Herzens. Immer wieder wird deshalb eine tiefe Sehnsucht geweckt, dass es anders sein möge, als die Verhältnisse nun einmal sind.“ Wahre Worte, die, wie auch die Musik Mendelssohns, in das Chaos dieser Tage passen.
Zwischen 1821 und Februar 1822, in unmittelbarer Nähe zum „Magnificat“ und einigen Psalm-Motetten, schrieb der damals erst 13-jährige Felix-Mendelssohn-Bartholdy dieses Werk. Es lässt sich gut erkennen, wie der gesamte musikalische Satz von den Vokalstimmen her konzipiert ist. Etliche Abschnitte bleiben den Vokalstimmen vorbehalten, was sich als wirkungsvolles Kontrastmittel erweist. Erkennbar ist das Bemühen, den Bläserstimmen auch eigenständige Partien zuzuordnen und ihre Klangfarben auszunutzen. Mit Sicherheit hat Mendelssohn bei dem „Gloria“ nie an den Vorgriff auf eine Messkomposition gedacht, sondern an die Konzeption eines eigenständigen Werkes. Der kantatenähnliche Aufbau sieht eine dramatische Abfolge von großen Chorsätzen im Wechsel mit Solo-Arien vor. Obwohl es ein „Frühwerk“ ist, mangelt es ihm keinesfalls an kompositorisch eigenständiger Souveränität: effektvolle Chorsätze mit polyfonen Strukturen (Doppelfuge am Schluss), kontrastreiche Soloabschnitte mit lyrischen Passagen („Domine“), Solo-/Chorwechseln oder ebenfalls polyfonen („Gratias“) Elementen und ein farbenreicher romantischer Orchestereinsatz.
Das „Gloria in Es-Dur“ (1822) ist Mendelssohns erstes geistliches Werk für größere Besetzung. „Mächtig klingt das Amen am Ende – wie ein Fanfarenruf schallt es hinaus. Doch so prächtig die Töne sind, wir dürfen nicht vergessen: Wir kommen von Gott her. Unser Leben bleibt auf Jesus hin ausgerichtet, und durch den Geist Gottes sind wir dem Nächsten und der Zukunft zugewandt“, so Pfarrerin Mebert zum Abschluss ihrer Predigt. Gerade diese Mischung zwischen Musik und Wort zwischen Herz und Sinne machen den Kantatengottesdienst so spannend. Bis auf den letzten Platz war daher die Erlöserkirche besetzt. Ein Traum für jeden Pfarrer.
(Text und Fotos: Peter Klopf)