100. Treffen des Integrations-Projekts: OBA-Zeitungsgruppe und Celtis-Schüler besuchten Fatih-Moschee
Schweinfurt. Als das „Aktive Integrative Zeitungsprojekt“ (AIZ) zwischen der Offenen Behindertenarbeit (OBA) und Religionsschülern des Celtis-Gymnasiums 1994 aus der Taufe gehoben wurde, „hat man uns noch argwöhnisch beäugt“, erinnert sich Reinhold Stiller. Heute seien solche Kooperationen unter dem Motto „Diakonisches Lernen“ die Normalität. Und dennoch ist AIZ etwas Besonderes – weil die Bande zwischen den Celtis-Schülern und den von Stiller betreuten, geistig behinderten Zeitungsmachern der OBA nicht nur lange währt, sondern mittlerweile auch auf 100 gemeinsame Treffen zurückblickt. Das besondere Jubiläum beging man mit einem besonderen Recherchetermin: auf den Spuren des Islam in der Fatih-Mosche.
Die befindet sich in einem ehemaligen Wohnhaus in der Schrammstraße; der Zugang führt durch das Warenlager eines Obst- und Gemüsehändlers, der draußen seine Waren feilbietet. Schuhe aus – und dann rauf in den ersten Stock, wo Imam Hürsel Hoca schon auf die Siebtklässler und das OBA-Zeitungsteam wartet. Hier befindet sich der Gebetsraum der Männer, er fasst gut 100 Personen. Die Frauen sind bei den Freitagsgebeten einen Stock höher untergebracht, sehen und hören den Vorbeter live auf einer Videoleinwand. Diesmal aber dürfen auch die Mädels dableiben, die Atmosphäre ist sehr entspannt.
Wie überhaupt der Islam – so Cumhuv Kayacan, der die Gruppe führt – eine sehr offene Religion sei. „In unseren Moscheen ist jedermann herzlich willkommen – unabhängig von Glaube oder Weltanschauung.“ Offen, aber doch mit klaren Regeln, die den praktizierenden Moslems einen klar strukturierten Alltag vorgibt. Im Sommer heißt das: früh aufstehen. Denn das erste Gebet muss vor Sonnenaufgang gesprochen werden – frisch gewaschen und rasiert, weil man Allah sauber gegenübertreten soll. Untertags folgen weitere Gebete zu fest vorgegebenen Zeiten, und letztmals wird nach Sonnenuntergang ein Nachtgebet gesprochen.
Heuer fällt die Fastenzeit „Ramadan“ in den Sommer; sie hat am Freitag begonnen. „Das ist hart“, gibt Cumhuv Kayacan zu. Bis zu 18 Stunden Tageslicht bedeuten bis zu 18 Stunden fasten. Gegessen werden darf nur nachts. Die Celtis-Schüler wissen das, sie haben den Islam gerade erst im Religionsunterricht durchgenommen. Und doch klingt es authentischer aus dem Mund eines selbst Betroffenen. Die OBA-Reporter schreiben fleißig mit – eine gute Story für ihre nächste Zeitung.
Dann kommt der Imam ins Spiel. Er spricht kein Deutsch. Aber er strahlt Autorität aus. Kayacan übersetzt die Fragen der Schüler – mit Freude die nach den Lebensumständen des geistigen Führers: „Darf ein Imam heiraten und Kinder haben?“ Er darf – im Gegensatz zum katholischen Priester –, und Hürsel Hoca ist auch verheiratet. Man plaudert noch ein bisschen, dann lauscht man seinen melodiösen Rezitationen aus dem Koran. Der Recherchetermin in einer fremden Kultur ist zu Ende. Die Geschichte im nächsten OBA-Magazin steht noch aus...
(aus: Schweinfurter Tagblatt vom 20.7.2012, Text: Holger Laschka; Foto: Reinhold Stiller)