Der Landesbischof zu Gast
Schweinfurt, 6. Februar 2015. „Ich habe das Gefühl: Hier muss man dabeigewesen sein“, bekundet der bayerische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Professor Dr. Heinrich Bedford-Strohm bei seiner Stippvisite am drittletzten Tag der Vesperkirche. Denn sie bricht alle Rekorde. Es wurden in dieser dritten Woche schon mal an die 600 Essen an einem einzigen Tag ausgegeben. Eine für die Organisatoren unvorstellbare und doch letztlich bewältigte Leistung. Bis dato haben 210 Bäckerinnen und Bäcker für die Vesperkirche 414 Kuchen gebacken. Friseurin Thieme hat während der drei Öffnungsstunden an einem Tag 32 Haarschnitte absolviert.
Leider ist gegen Ende der Vesperkirche aber auch Kritik unter den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zu hören: In den ersten Tagen hätten sie Dankbarkeit, fast so etwas wie Unterwürfigkeit von Seiten ihrer Gäste erfahren. Inzwischen würden Dauerbesucher eine gewisse Anspruchshaltung an den Tag legen und sich recht wählerisch für die 1,50 Euro geben. Eigentlich schade, dass so etwas wie Gewöhnung eintritt und vieles für selbstverständlich gehalten wird. Aber auch die Helferinnen und Helfer geben zu, dass sie professioneller geworden sind. Routine ist eben eingekehrt.
Am Freitag, als der Landesbischof anwesend ist, sind es „nur“ 489 Essen. Vielleicht ist man ja im Vesperkirchenteam schon zu erfolgsverwöhnt. Doch diese Zahl entspricht in etwa der Durchschnittsmenge der täglich ausgegebenen Essensbons. Genau um 12.20 Uhr stellt sich Monika Endres an der Kasse an – und wird prompt von Dekan Oliver Bruckmann und Diakoniechef Jochen Keßler-Rosa in Empfang genommen. Denn sie ist der 10.000ste Vesperkirchengast. Herzlichen Glückwunsch.
Etwas aus München verspätet, betritt Professor Bedford-Strohm gleich die Kanzel und hält das „Wort in der Mitte“ zur Frage des Petrus: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Johannes 6,68) – eine Frage, die laut Landesbischof uns alle umtreibt. Denn wo gibt es Orientierung im Leben? Als falsche Wege würden sich der des Genießers, des skeptischen Beobachters und des aufgeklärten Humanisten erweisen. Hingegen sei der Petrus-Weg „der kraftvollere“, denn er verheiße ewiges Leben: „etwas Ganzheitliches, wo es keine Leerstelle gibt".
Der Bischof erteilt noch zwei Ratschläge für ein gelingendes, erfülltes Leben: dankbar leben und einander vergeben können. Man dürfe nicht nur sich selbst sehen, sondern auch die anderen. Andererseits müsse man aber auch sich selbst anschauen, um den eigenen Schuldanteil zu sehen. Exemplarisch würdigt er die „Schürzenträger“ in der Vesperkirche: Sie würden bewusst dienen wollen und hätten auch noch Freude an diesem Dienst.
Dann geht der Landesbischof von Stand zu Stand, vom Küchen- zum Bedienungspersonal, und wird schließlich an einen Tisch gesetzt, leider auch da von journalistischem Blitzlichtgewitter begleitet. Im Nachhinein berichtet er, dass sich das Tischgespräch um das evangelisch-katholische Verhältnis gedreht habe, doch gebe es keinen katholischen oder evangelischen Christus. Â
In der abschließenden Mitarbeitenden-Feedback-Runde auf der Empore der St. Johanniskirche erhält natürlich zuerst der Landesbischof das Wort. Er dankt allen, die an diesem Tag im Einsatz waren, für ihr Engagement, und lobt die einladende, inspirierende Atmosphäre, für ihn eine „tolle Erfahrung“: „Dies ist wunderbarer Ausdruck meiner Vision von Kirche.“ In der Gesellschaft bestehe die Klischeemeinung, dass jeder heutzutage nur noch an sich denke. Aber hier in der Vesperkirche könne man das lebendige Gegenbeispiel erleben. „Liebe und Glück sind Dinge, die größer werden, wenn man sie teilt!“ Denn Gottesliebe- und Menschenliebe gehörten zusammen.
Bedford-Strohm sieht es als seine Aufgabe an, dieses Projekt in die Entwicklung einer Gesamtvision von Kirche einzubringen. Dies sei die Kirche der Zukunft, eine Kirche für alle und nicht nur für bestimmte Menschen. Eine Kirche, die Freude mache und dabei trotzdem nicht die dunklen Seiten verdränge.
Als letztes Highlight stehen am Sonntag zum Abschluss der Vesperkirche noch der Besuch und die Predigt von Regionalbischöfin Gisela Bornowski an. Bestimmt wird es da noch einmal so richtig voll werden, ehe in St. Johannis der Alltag wieder einkehrt.