Schweinfurt, 11. Jan. 2017. "Beim gemeinsamen Essen und Reden verschwimmen die Grenzen von Geber und Nehmer. Das ist Vesperkirche.“ So steht es im Begleitheft zur dritten Vesperkirche in Schweinfurt, die vom 22. Januar bis 12. Februar 2017 erneut in der evangelischen Kirche St. Johannis stattfindet. In Schweinfurt fand 2015 die erste Vesperkirche in Bayern statt, veranstaltet von evangelischer Kirche und Diakonie.
Vor zahlreichen Medien verkündeten St. Johannis-Pfarrerin Gisela Bruckmann und Jochen Keßler-Rosa, Diakonie-Geschäftsführer und Pfarrer, am Mittwoch inmitten der Kirchenbänke die Neuerungen und begleitenden Veranstaltungen.
Unter den 200 Ehrenamtlichen, die bei der Vesperkirche Gastgeber heißen, sind viele bewährte Kräfte, aber auch etliche „Neue“. Sie werden diese Woche geschult. Rund 50 Gastgeber sind täglich im Einsatz. Sie sitzen an der Kasse, sind Platzanweiser, arbeiten an der Essensausgabe, im Spültrupp oder in der Kaffee- und Kuchenbar. Erfreulich: Es haben sich Schulklassen und Konfirmandengruppen als Helfer angemeldet, eine sicher „tolle Erfahrung mit anzupacken“, meinte Bruckmann.
Jeden Tag um 10.30 Uhr erfolgt für die Gastgeber eine Einstimmung, um 11.30 Uhr öffnet die Kirche, bis 14.30 Uhr wird Essen ausgegeben, das wieder aus der Küche des Leopoldina-Krankenhauses kommt. Täglich um 13 Uhr ist ein Drei-Minuten-Innehalten für das „Wort in der Mitte“, das katholische und evangelische Seelsorger sprechen.
Über 10 000 Gäste wurden zur Premiere und 2016 begrüßt. Heuer rechnen die Veranstalter mit rund 8000 Gästen oder 400 Menschen pro Tag. Ausgeweitet werden die sozialen Dienstleistungen, die räumlich abgetrennt im Herrenchor angeboten werden. Dazu gehören Blutdruckmessen, Fußpflege und Haareschneiden und – neu – die Reparatur von Gegenständen durchs Repair Café.
Neu auch sind interaktive Aktionsstände, die täglich wechselnd Beratungen zu den Themen Energie, Sucht, Demenz oder Kultur für alle anbieten.
Die Vesperkirche 2017 kostet, weil Anschaffungen wie Stühle, Tische und Schürzen nicht mehr nötig sind, „nur noch“ rund 60 000 Euro. Sie wird durch Spenden finanziert. 8000 Euro sind bisher eingegangen, weshalb Keßler-Rosa auf eine Spendenbereitschaft wie in den ersten beiden Jahren hofft. Zweites Bein sind Benefizkonzerte, unter anderem mit Steffi List und der Inklusionsband Mosaik (26. Januar), einem Musikabend mit Pfarrern (2. Februar) und dem Gospelchor „Die KisSingers“ (8. Februar, alle um 19 Uhr in St. Johannis). Drittes Bein ist die Großzügigkeit vieler Gäste, die mehr als die 1,50 Euro pro Essen bezahlen.
Die Gustav-Adolf-Gedächtniskirche in Nürnberg kam 2016 als zweite große Vesperkirche in Bayern hinzu. [...] Weitere offizielle Vesperkirchen gibt es in Bayern derzeit nicht [...]
(aus: Schweinfurter Tagblatt vom 12.01.2017, S. 9; Text: Hannes Helferich; Fotos: S. Bergler)
"Am Geld scheitert es sicher nicht"
Drei Fragen an: Schweinfurts Diakonie-Chef und Vesperkirchen-Organisator Jochen Keßler-Rosa
epd-Gespräch: Daniel Staffen-Quandt
Schweinfurt (epd). Ab dem 22. Januar wird in der evangelischen Schweinfurter Kirche St. Johannis am Martin-Luther-Platz wieder getafelt: Bis zum 12. Februar öffnet dort die nunmehr Vesperkirche ihre Pforten. Im Kirchenraum wird dann wieder ein günstiges Mittagessen für 1,50 Euro pro Erwachsenen und 50 Cent pro Kind angeboten, Kaffee und Kuchen gibt es danach auch. Gut 60.000 Euro soll die Aktion dieses Jahr kosten, Schweinfurts Diakonie-Chef und einer der Vesperkirchen-Organisatoren, Pfarrer Jochen Keßler-Rosa, ist zuversichtlich, dass auch diesmal genug Spenden für das bayernweit beachtete Projekt zusammenkommen.
epd: Die erste Vesperkirche im Jahr 2015 war ein bayernweites Pilotprojekt, kofinanziert von Landeskirche und bayerischer Diakonie. Wie sieht die finanzielle Situation im dritten Jahr aus?
Keßler-Rosa: Zugegeben, wir gehen mit einer kleinen Anspannung in das dritte Jahr. Letztes Jahr standen wir finanziell auch schon auf eigenen Beinen, mit ein bisschen Zittern und Zagen hat es letztlich dann doch geklappt. Auf dem Konto war am Ende eine schwarze Null - dank vieler Spenden, die zum Ende der dreiwöchigen Vesperkirche hin erst kamen. Deswegen bin ich diesmal ganz guter Dinge, auch wenn wir die rund 30.000 Euro an Spenden, die wir zur Finanzierung benötigen, noch nicht beisammen haben. Den Rest finanzieren wir über die Einnahmen - und damit, dass viele Gäste eben mehr bezahlen als die 1,50 Euro pro Essen.
epd: Ist die dritte Vesperkirche nun einfach eine Neuauflage eines bewährten Konzepts oder wurde sie auch weiterentwickelt?
Keßler-Rosa: Sicher eine Mischung aus beidem. Zum einen ist das Konzept gut, wir sind von der Idee überzeugt - sonst würden wir das nicht zum dritten Mal in Folge machen, denn eine Vesperkirche ist eine Menge Arbeit und Aufwand. Was wir diesmal anders machen wollen, ist, die sozialen Themen, die wir ansprechen wollen, besser zu platzieren. Also, wenn wir beispielsweise an einem Tag über Altenpflege sprechen, dann sollte in St. Johannis auch ein Pflegebett stehen - damit das etwas plastischer wird für unsere Gäste. Unsere Beratungsdienste sollen außerdem jetzt jeweils zwei Tage statt nur einen vor Ort sein.
epd: Das klingt alles sehr positiv - und fast so, als stünde schon vor der dritten Vesperkirche fest, dass es sicher auch eine vierte geben wird...
Keßler-Rosa: Langsam, langsam. Also: Sicher ist, dass wir bisher keine Probleme haben, genügend ehrenamtliche Gastgeber zu haben, die das Essen austeilen, Geschirr abräumen und die vielen anderen Arbeiten bei der Vesperkirche übernehmen. Das ist keine Selbstverständlichkeit - und deshalb sollte man jedes Jahr aufs Neue prüfen, ob man sich damit nicht überfordert. Bislang ist die Prüfung jedes Mal positiv ausgegangen, weil wir eben genügend engagierte Ehrenamtliche haben, die viel Freizeit für das Projekt mitbringen wollen und können. Ich will es einmal so sagen: Eine vierte Vesperkirche würde auf keinen Fall am Geld scheitern! (00/0098/11.01.2017)
(epd-Nachrichten, Landesdienst Bayern, Nr. 8 vom 12.01.2017)
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