Süddeutsche Zeitung vom 19.1.2015, S. 29:
Vespern für alle
Die Dame, mit der Günter Appel Kaffee trinkt, hat er gerade erst kennengelernt. Bei Spießbraten mit Knödeln sind sie ins Gespräch gekommen, im Altarraum der St.-Johannis-Kirche in Schweinfurt. "Sonst wäre ich nur allein daheim geblieben", sagt Appel. "Also bin ich hergekommen." Zum Mittagessen in Schweinfurts Stadtkirche. "Menschen zusammenbringen, die sonst nicht zusammensitzen", so beschreibt Mit-Organisator Uwe Kraus, der Leiter der Spozialarbeit bei der Diakonie, die Idee von Bayerns erster Vesperkirche. [...]
"Jeder soll hier sein können", sagt Uwe Kraus, "es soll aber keine Armenspeisung sein." So sieht es auch nicht aus am Sonntag, viele Besucher geben mehr Geld in die Kasse. Wie Petra Müller und Marita Holzner. Die beiden sind Arbeitskolleginnen in einem Schweinfurter Architekturbüro, beim Mittagessen in der Kirche haben sie sich zufällig getroffen. "Das muss man unterstützen", sagt Petra Müller. Ihr gefällt die Idee, dass sich diese Mahlzeit auch Leute mit wenig Geld liesten könnten. [...]
Dekan Oliver Bruckmann denkt schon länger an so etwas. Eine Umfrage brachte ihn darauf, bei der er 2012 die Leute seines Dekanats befragen ließ, die aus der Kirche ausgetreten waren. Viele hätten als Grund angegeben, dass sich die Kirche zu wenig um Gerechtigkeit kümmere. "Wir waren total verwundert", sagt der Dekan, "schließlich haben wir doch die Diakonie." Offenbar habe die allerdings niemand der Kirche zugeschrieben. Die Vesperkirche nun soll für alle offen sein." [...]
Karolina Sängerlaub hat an diesem Sonntag auch schon ein paar Leute gesehen, die sonst nicht in die Kirche kommen. Sie kocht den Kaffee, mit extra Vesperkirche-Schürze und Namensschild, das sie als Helferin ausweist, steht sie hinter den großen Kaffeekannen. [...] Die 60-jährige Sängerlaub engagiert sich schon lange in der Diakonie, vor allem in der Seniorenarbeit. Die Idee mit der Vesperkirche fand sie gleich toll, erzählt sie. Auch wenn sie erst ein bisschen skeptisch gewesen sei, wie sie angenommen würde. Der Franke sei da doch eher zurückhaltend. Aber so sieht es nicht aus vorne im Altarraum. [...]
Diakon Norbert Holzheid, der die Vesperkirche maßgeblich organisiert, formuliert es so: "Nur das Beste ist für unsere Gäste gut genug, daher kann es eigentlich keinen anderen Raum geben als das Gottteshaus, das Gebäude, auf das wir alle in der Stadt sehr stolz sind. Ich kann mir vorstellen, Jesus hätte es genauso gemacht."
(Text: Katja Auer)
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Mainpost vom 18.01.2015:
Mein Wochenende: Welturaufführung
Schweinfurt nennt sich Stadt des Sports, der Kunst und Kultur. Wer ankommt, erfährt (Ortsschild) oder sieht (Fabriken), dass wir Hochschul- und Industriestadt sind, dass Schweinfurt halt „viel auf Lager hat“. Seit Sonntag nun noch ein Titel: die erste Vesperkirche – zumindest in Bayern. Das lockte jede Menge Medien und Neugierige an. Vertreten war der Landkreis, der eine oder andere Stadtrat war auszumachen. Zu vieler Verwunderung nicht aber das offizielle Schweinfurt.
Aber darum soll es gar nicht gehen, sondern um das absolut erwähnenswerte „Werbetrommelrühren“ von Oliver Bruckmann für eine erste Veranstaltung, die im Rahmen der Vesperkirche stattfindet. Am Donnerstag, 22. Januar, um 19 Uhr werde Schweinfurt eine „Welturaufführung“ erleben. Die Pfarrerinnen und Pfarrer des Dekanats treten als Chor auf, spielen auf ihren Instrumenten. Schier „unbeschreiblich“ sei, welche „Begabungen es da gibt“, animierte der Dekan schmunzelnd zum Besuch dieses „Ohrenschmaus in der Vesperkirche“.
Den Chor leitet übrigens Kirchenmusikdirektorin Andrea Balzer. Sie habe sich „nicht abschrecken lassen“, merkte Bruckmann am Ende schmunzelnd an, wohl merkend, wie dick er aufgetragen hatte. Also: Donnerstagabend, Vesperkirche, vielleicht hat auch einer der drei Bürgermeister Zeit für die Premiere.
(Text: Hannes Helferich)
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epd-Meldung vom 19. Januar 2015:
Erste bayerische Vesperkirche in Schweinfurt eröffnet
Schweinfurt. Diakon Norbert Holzheid ist sprachlos. "Ich hatte schon mit Zuspruch gerechnet, aber dass so viele Menschen kommen, das ist wirklich toll", sagt der Schweinfurter hörbar überrascht. In der St. Johanniskirche ist am Sonntag die erste bayerische Vesperkirche offiziell eröffnet worden. Das Organisations-Team um Norbert Holzheid hatte zunächst "mit etwa 200 Essen" kalkuliert. "Am Freitag haben wir dann auf 250 erhöht, weil wir so viele positive Rückmeldungen bekommen haben, und heute mussten wir dann noch mal 20 Essen nachbestellen", erzählt er. […]
Holzheid ist begeistert, dass schon bei der offiziellen Eröffnung das Publikum aus einer "typischen Vesperkichen-Mischung besteht". Gut Situierte säßen neben Hartz-IV-Empfängern, Junge neben Alten, treue Kirchgänger neben völlig unbekannten Gesichtern. "Das Schöne ist: Es sind auch Leute gekommen, die total gegen unser Projekt Vesperkirche waren", erläutert der Diakon. Einigen Schweinfurtern sei es zuerst nicht recht gewesen, dass im Kirchenraum gegessen wird. "Einige waren heute da, waren begeistert und wollen sogar wiederkommen", sagt er. […]
Das Pilotprojekt soll nach dem Willen der Organisatoren keine einmalige Sache bleiben. "Wir wollen das auch kommendes Jahr wieder machen", sagt Holzheid bereits am Premierentag. Dazu braucht die Vesperkirche aber nach wie vor noch Spenden. Um die 20.000 Euro fehlen nach wie vor, damit die erwarteten Gesamtkosten gedeckt sind. "Und wenn wir mehr zusammenbekommen, ist es auch gut - dann haben wir gleich das Startkapital für 2016", sagt der Diakon.
(epd lbm dsq dj; Text: Daniel Staffen-Quandt)
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Schweinfurter Tagblatt:
Run auf die erste Mahlzeit
 „Lasst uns Vesperkirche sein“. Diese Worte stellte Dekan Oliver Bruckmann am Sonntagmorgen an den Anfang seiner Begrüßung zu einem besonderen Gottesdienst: der Eröffnung der ersten Vesperkirche in Bayern. Exakt eine Stunde später stellte er mit Diakoniechef Jochen Keßler-Rosa die Kirche Sankt Johannis für die nächsten drei Wochen „in den Dienst einer Vesperkirche“. Um ein 22-tägiges friedliches Fest bat Keßler-Rosa. […]
Diakoniepräsident Michael Bammessel aus Nürnberg beschrieb die Vesperkirche in seiner Predigt als einen „Ort menschlicher Wärme mitten im kalten Winter“, als ein „Gastmahl für Menschen, für die es nicht selbstverständlich ist, als Gäste willkommen zu sein“. […]
Bammessel stellte aber klar, dass eine Vesperkirche keine Armenspeisung, sondern eine Bewirtung mit Stil sei. Es bestehe neben der Zeit zum Gespräch auch die Möglichkeit, Ruhe zu finden für den, der sie sucht. „Ja, die Vesperkirche ist auch für Leute, die sich keinen Restaurantbesuch leisten können“, sagte er. Sie seien nun aber in St. Johannis willkommen, wenn es hier auch „aus guten Gründen“ keinen Alkohol, keinen Wein gebe. […]
„Das ist eine gute Sache und ich habe Zeit“, „ich finde das toll“ und „engagiere mich deshalb für diese gute neue Sache“, sind Aussagen der drei Helferinnen Beate Riedel, Irmtraud Schleemilch und Karolina Sängerlaub. Ähnlich hat es Erna Gründwald formuliert, die 13-mal Dienst schieben wird und acht Kuchen backen will.
Unter den Gästen waren Adolf und Ingrid Schwach auszumachen. Sie sind katholisch, wollen mehrere Male kommen, um diese „gute Idee zu unterstützen“. Dietrich Josef Pressing war auch nicht nur zum Auftakt da, weil er meint, mit Gesprächen dem einen oder anderen helfen zu können.
(Schweinfurter Tagblatt vom 19.1.15; Text: Hannes Helferich)
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t-online.de vom 19.01.15:
Bayerns erste Vesperkirche in Schweinfurt eröffnet
Wo sonst der Pfarrer predigt und der Kirchenchor singt, stehen Esstische und Stühle: Mit einem Gottesdienst wurde in Schweinfurt die erste Vesperkirche eröffnet. Drei Wochen lang verwandelt sich der Innenraum der evangelischen St.-Johannis-Kirche in ein christliches Gasthaus.
Für einen symbolischen Beitrag von 1,50 Euro bekommen die Gäste ein Mittagessen sowie Kaffee und Kuchen. Diakon Norbert Holzheid hofft, dass nicht nur Bedürftige das Angebot nutzen. Stattdessen sollen Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft an den Tischen gemeinsam essen und Gespräche auf Augenhöhe führen.
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Neue Presse Coburg vom 17.01.15:
Kirchenbänke raus, Esstisch rein
Die Schweinfurter Vesperkirche ist ein Pionierprojekt des Diakonischen Werks Bayern und der Evangelischen Kirche. Etwa ein halbes Dutzend Kirchen hatte sich vor zwei Jahren auf die Ausschreibung beworben. "Wir haben in Baden-Württemberg gesehen, dass Vesperkirchen eine sehr gute Möglichkeit sind, Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten zusammenzubringen und Themen wie Armut und Zuwanderung auf eine begreifliche Art und Weise an viele Menschen heranzubringen", sagt Martin Dorner vom Diakonischen Werk Bayern. Er war federführend an der Ausschreibung beteiligt und begleitete das Projekt während der mehr als einjährigen Vorbereitungszeit. […]
Vesperkirche steht und fällt aber auch mit der Unterstützung von Freiwilligen. Vom Kuchenbacken und Kaffeekochen über die Tischdekoration, das Servieren, das Kassieren und das Abwaschen bis hin zum Waschen der Wischtücher - mehr als 170 Menschen helfen in Schweinfurt drei Wochen lang ehrenamtlich. "Ohne deren Herzblut und deren Begeisterung wäre das Projekt unmöglich", sagt Diakon Holzheid.
[…] Nicht alle Kirchenvorstände befürworten die Idee einer Vesperkirche. Sie können sich nicht damit anfreunden, den sakralen Raum für ein gemeinsames Essen zu öffnen. "Es ist nach wie vor sehr ungewöhnlich, in einer Kirche zu essen. Man muss seinen Kirchenvorstand mit auf die Reise nehmen, man muss sich das trauen. Wir hoffen, dass die Schweinfurter Vesperkirche nun eine Initialzündung sein wird", sagt Dorner. Kirchengemeinden in der Nürnberger Region, in Landshut und Würzburg planten bereits ein solches Angebot.
Katholische Kirchen sind indes bei diesem Thema vorsichtiger. Der Liturgiereferent des Bistums Würzburg, Stephan Steger, geht nicht davon aus, dass eine mehrtägige Vesperkirche in einer katholischen Kirche möglich ist. "Das Sättigungsmahl und die Eucharistiefeier sind für uns zwei getrennte Dinge. Deshalb wird man auf unserer Seite immer zurückhaltend sein."
(Text: Christiane Gläser)
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Kleines Video gefällig? http://www.br.de/nachrichten/unterfranken/inhalt/vesper-kirche-schweinfurt-100.html