(Fast) wie bei der Hochzeit zu Kana

Offizielle Eröffnung der ersten Vesperkirche in Bayern

Einwandfrei! Auftakt der Vesperkirche mit würzigem Spießbraten, Klößen und Krautsalat

Schweinfurt, 18. Januar 2015. Ein normaler Sonntagsgottesdienst – und doch nicht wie sonst auch. Erwartungsvolle, gespannte Unruhe vor einem ungewöhnlichen Event! Der Altartisch vorn in der Mitte fehlt. Stattdessen, bis hinauf in den Chorraum vor dem Hochaltar, lauter neue, einladend gedeckte Tische. Aber noch muss sich die Gemeinde in der überfüllten St. Johanniskirche auf ihren gewohnten Bänken zusammendrängen. Denn Bayerns erste Vesperkirche wird erst im Verlauf dieses besonderen Gottesdienstes aus der Taufe gehoben.

„Lasst uns Menschen werden, die miteinander teilen, was wir zum Leben brauchen. Lasst uns Vesperkirche sein, miteinander für Leib und Seele!“ Mit diesem Aufruf begrüßt Dekan Oliver Bruckmann, der dieses Projekt nach Schweinfurt geholt hat, die Gemeinde: „Gott segne die Vesperkirche!“ Unter den vielen Ehrengästen befinden sich Unterfrankens Landtagsabgeordnete Kathi Petersen, der stellvertretende Schweinfurter Landrat Peter Seifert und Landessynodale Renate Käser. Sie wollen sich die Premiere nicht entgehen lassen.

Kirchenmusikdirektorin Andrea Balzer an der Orgel hat für diesen Morgen eigens „ihre“ jungen stimmen schweinfurt aktiviert: „Heut feiern wir ein Fest, wir wünschen euch das Beste ...“, schallt es hell von der Empore.

Die Festpredigt hält Pfarrer Michael Bammessel, Präsident der Diakonie Bayern/Nürnberg. Auch wenn die Vesperkirche eine baden-württembergische Erfindung sei – dort gebe es schon länger 20 solcher Einrichtungen in der kalten Jahreszeit –, so müsse er, der Präsident, doch seine Bewunderung für die Schweinfurter ausdrücken: dass hier zum allerersten Mal auf bayerischem Boden diese wunderbare Idee eines Essensangebotes in der kalten Jahreszeit realisiert werde.

Und wie für den Tag geschaffen, handelt der offizielle Predigttext vom Hochzeitswunder in Kana, wo Jesus Wasser in Wein verwandelte (Johannes 2,1-12). Dieses Freudenmahl für alle – ein Zeichen des Messias! „Auch eine Vesperkirche kann man nicht machen, wenn man nicht auch ein bisschen an Wunder glaubt.“ Euphorisch fühlt sich Pfarrer Bammessel in die Anfangszeit der Kirche zurückversetzt: Wie in der Urchristenheit verbinde sich gottesdienstliches Feiern mit gemeinsamem Essen, also Seelenspeise mit Nahrung für den Leib. Wundersam habe sich hier ein gotischer Raum in einen Gastraum verwandelt. So wie das Kreuz oder der Fisch könne auch der Tisch ein Symbol für das Christentums sein.

Damit einhergehend verwandle sich auch der Charakter der Gemeinde: Üblicherweise eine Mittelschichtskirche, träfen sich nun hier Menschen, die bei kirchlichen Veranstaltungen nicht zu sehen seien. Die Johanniskirche setze ein Zeichen dafür, dass Not nicht daneben stattfinden dürfe. Doch wohlgemerkt handle es sich um keine Armenspeisung!

Und außerdem finde eine Verwandlung von anfangs leeren Händen in ein Riesenereignis am Ende statt: „Aus wenig wird ganz viel.“ Bammessel würdigt die rund 180 ehrenamtlich Mitarbeitenden, die Spenderinnen und Spender sowie die vielen Ideengeber. Sein Schlusswort: „Wenn man etwas im Namen Jesu Christi tut, dann darf man allemal mit Wundern rechnen. Letztlich ist Jesus selber der Erfinder der Vesperkirche.“

Dann aber ist es so weit: Dekan Bruckmann und Pfr. Jochen Keßler-Rosa, Vorstand des Diakonischen Werkes Schweinfurt, eröffnen offiziell die Vesperkirche. Das heißt, sie widmen die St. Johanniskirche in eine Vesperkirche um und schließen die „22 Festtage“ ins Fürbittengebet und in ihren Segen mit ein.

Wein wie einst in Kana gibt's dann zwar (leider) nicht, aber was als Drei-Gänge-Menü, wahlweise vegetarisch, aufgetischt wird, kann sich sehen, vor allem schmecken lassen: Vorsuppe – ein würziger Spießbraten mit Krautsalat oder Tortellini – Kaffee und Kuchen, zumindest solange der Vorrat an diesem Sonntag reicht. Denn der Hauptverantwortliche und eigentliche Hauptakteur des Projektes, Diakon Norbert Holzheid, geht im Schnitt von täglich 200 Essen, geliefert vom Catering-Service des Leopoldina-Krankenhauses, aus. Heute aber sind es gleich 270. 50 ehrenamtliche HelferInnen sind im Einsatz. Die 120 Tischplätze sind im Nu belegt. Die übrigen Hungrigen müssen sich erst einmal in den Kirchenbänken gedulden.

Unruhig bleibt es bis zuletzt. Nicht verwunderlich angesichts dieses Andrangs am Premierentag und des Großaufgebotes von Kameras und Pressemikrofonen – vom Bayerischen Rundfunk und Fernsehen bis zum Lokalsender TVtouring. „Das ist mal was anderes“, meint einer der Journalisten und stellt seine Linse gleich wieder scharf.

 

P.S.: Am kommenden Donnerstag (22. Januar, 19.00 Uhr) wird es – laut Dekan – in St. Johannis eine Welturaufführung und trotzdem ein nur einmal stattfindendes Benefizkonzert geben, nämlich wenn Pfarrerinnen und Pfarrer aus dem Dekanat ihre musischen Talente gebündelt zum Einsatz bringen. Herzliche Einladung zu diesem „Ohrenschmaus“. Man sieht sich in der Vesperkirche.