Erster Schweinfurter Diakonie-Pflegekongress
Schweinfurt/Maininsel, Sa., 18. Jan. 2014. Kein vergleichbarer Pflegekongress fand bisher in Bayern statt. Von daher trifft der Begriff „Pionierleistung“ voll zu. Und kein Geringerer als der Präsident der Diakonie Bayern, Pfarrer Michael Bammessel, nahm ihn in den Mund. Nicht etwa nur aus der Region, sondern praktisch aus ganz Bayern waren Interessierte in Pflegeberufen der Einladung gefolgt: Orte wie Regensburg, Aschaffenburg, Nürnberg, Coburg, Wolnzach prangten auf der über 200 Namen umfassenden Teilnehmendenliste. In Schweinfurt verfügt nur das Konferenzzentrum Maininsel über die entsprechende räumliche Kapazität zur Durchführung einer solchen Großveranstaltung.
Immerhin hat sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland zwischen 1999 und 2011, d.h. innerhalb von zwölf Jahren, um eine halbe Million, von 2,01 auf 2,5 Mio., erhöht. Die Prognose geht von 2,9 Mio. im Jahr 2020 und von 3,4 Mio. 2030 aus.
„Eine gute Altenpflege ist wichtig“. Es gelte, den Wert der Pflege und den Altenpflegeberuf in der Öffentlichkeit zu positionieren, betonte deshalb Pfr. Jochen Keßler-Rosa (DW-Vorstand) in seiner Begrüßung. 350 Personen seien allein im Diakonischen Werk Schweinfurt in der Altenpflege tätig. Hinzu kämen über 300 Beschäftigte bei anderen, dem DW assoziierten Rechtsträgern in den drei Landkreisen Schweinfurt, Rhön-Grabfeld und Kitzingen. Fachkräftemangel in Schweinfurt sei also nicht das Problem, betonte der Diakonie-Chef auch später vor Pressevertretern. Von Pflegenotstand könne schon gar keine Rede sein.
„Diakonie macht Sinn“. Man wolle „der Pflege ein Gesicht geben“, „ein Informationspodium“. So umriss die Hauptverantwortliche für diesen Tag, Dr. Barbara Mayerhofer (Geschäftsleitung Altenhilfe im DW), den Zweck des Kongresses. Man habe bewusst Themen gewählt, die für ambulante wie stationäre Pflegekräfte interessant und vor allem praxisbezogen seien.
Diakoniepräsident Bammessel überbrachte die Grüße des Landesverbandes. Er nannte die Altenpflege „ein großes Gesellschaftsthema“. Bisher habe es leider die Politik auf „des Teufels liebstes Möbelstück“, nämlich „die lange Bank“, geschoben. Den großen Worten folgten keine großen Taten. Jedoch setze er seine Hoffnung auf die in Berlin gebildete Große Koalition, denn im Koalitionsvertrag gebe es konkrete Aussagen über Pflege und einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Die Beiträge für die Pflegeversicherung sollen um 0,5 Prozent angehoben werden – immerhin 6 Mrd. Euro pro Jahr.
Des Weiteren wies Bammessel darauf hin, dass Verhandlungen zwischen der Diakonie in Bayern, gemeinsam mit anderen Wohlfahrtsverbänden, und Bezirken sowie Kommunen um einen besseren Personalschlüssel erfolgversprechend verlaufen seien. „Eine gute Pflege kostet Geld.“ Aber letztlich dürfe es nicht um Finanzierungsfragen gehen, sondern „die Pflege hängt an der Person!“
Bereits am Vormittag gab es vor versammeltem Plenum mehrere hochkarätige Vorträge. So widmete sich Professor Dr. Christa Büker von der Münchener Hochschulfakultät für angewandte Sozialwissenschaften dem Case-Management (CM), das sie als „Lotsendienst im Hilfenetz“ definierte. Ihr geht es um die Verbesserung der Versorgungsqualität pflegebedürftiger Menschen zu Hause, also um eine auf den Einzelfall ausgerichtete Hilfe mit längerfristiger Begleitung. CM trage unter anderem zum Erhalt von Eigenständigkeit und Selbstbestimmung bei, vermeide Krankenhaus-Einweisungen, verringere stationäre Aufenthalte, zögere Heimeinweisungen hinaus, steigere die subjektive Befindlichkeit und unterstütze pflegende Angehörige, denn „die Familie ist der größte Pflegedienst.“
Ein anderer Vortrag drehte sich um das „wertvollste Kapital“, nämlich um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wobei diesmal nicht die Personalkosten im Zentrum standen. Sondern Dr. Dana Janas (competence consulting Karlstadt) hielt ein Plädoyer für Mitarbeiterorientierung und eine bessere „Pflege“ der Ressource Mitarbeiter. Eine „gesunde“, motivierende Unternehmenskultur müsse geprägt sein von gegenseitigem Respekt, Anerkennung, Gerechtigkeit, Vertrauen, Ehrlichkeit und Verbindlichkeit. Jede und jeder dürfe seine individuellen Fähigkeiten einbringen und auch Fehler machen („Fehlerfreundlichkeit“). Hingegen würden Äußerungen wie „Ich kann gut alles selber machen“ nicht gerade das Betriebsklima fördern.
Nach der Mittagspause mit opulenter Verpflegung verteilten sich die Anwesenden auf drei Workshops: Zum einen ging es um „die Kunst des Verkaufens“ von pflegerischen und hauswirtschaftlichen Leistungen, zum zweiten um Herausforderungen in ambulanter und stationärer Pflege von Demenzerkrankten und drittens um gelungene Gesprächsführung primär mit und für Angehörige von Demenzkranken.
Kurzum: Der gegen 17.00 Uhr endende lange Tag war „ein Sinnbild für Akzeptanz und Wertschätzung“, wie Frau Dr. Mayerhofer resümierend bekundete. Sobald die Evaluierungsbögen ausgewertet seien, werde sie einen Folgekongress im Jahr 2015 planen. Immerhin sei das Sponsoring schon sichergestellt.