Fulminanter Kantatengottesdienst in der Erlöserkirche ging unter die Haut
Bad Kissingen, So., 25. Juni 2017 (klk). „Kantatengottesdienste in der Erlöserkirche und 'Kissinger Sommer' gehören zusammen. Seit Anfang an haben sie einen festen Platz im Rahmen des Festivalprogrammes", so Marie-Luise Biedermann, stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstandes der evangelischen Erlösergemeinde Bad Kissingen, bei ihrer Begrüßung zum diesjährigen Kantatengottesdienst.
Anlässlich des Jubiläumsjahres „500 Jahre Reformation“ stand die Kantate für Soli, Chor und Orchester „Ein feste Burg ist unser Gott“, BWV 80, von Johann Sebastian Bach auf dem Programm. Ausführende waren: Ilse Berner (Idar-Oberstein), Sopran, Katrin Edelmann (Premich), Alt, Stephan Scherpe (Leipzig), Tenor, Eric Fergusson (München), Bass, der Würzburger Madrigalchor und das um Oboen, Pauken und Trompeten erweiterte Kammerorchester Bad Kissingen. Die musikalische Gesamtleitung hatte Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche. Vorne weg: Was die Akteure zeigten, war professionell, bezauberte und verblüffte zugleich, denn sie schufen eine unerwartete Interpretation, die unter die Haut ging. Man konnte nur staunen, welche Perfektion die Musiker, Chor und Sänger den Zuhörern boten.
Die Geschichte der Kantate ist komplex. Ausgangspunkt ist eine Kantate „Alles, was von Gott geboren“, die Bach für einen Gottesdienst in der Weimarer Schlosskirche am Sonntag Okuli des Jahres 1715 komponierte. Mit dieser liturgischen Zuordnung war die Kantate in Leipzig nicht verwendbar, denn dort galt die Passionszeit als „tempus clausum“, in der keine festliche Kirchenmusik aufgeführt wurde. Die Sätze 2, 3, 4, 6 und 7 von BWV 80 stammen aus dieser Weimarer Kantate. Die Stadien zwischen 1715 und der uns bekannten Fassung von BWV 80 sind nur teilweise erschließbar. Es gibt ein Partiturfragment von Bachs Hand, das dem Papier nach wahrscheinlich aus den Jahren 1728-31 stammt. Hier steht im Eingangschor noch ein schlichter Choralsatz. In der finalen Fassung wurde in Nr. 2, die in Weimar noch eine Arie für Bass war, als zweite Singstimme ein Sopran mit der zweiten Strophe „Mit unserer Macht ist nichts getan“, aus dem Lied „Ein feste Burg“ hinzugefügt. Wilhelm Friedemann Bach hat die beiden großen Choralchöre, Nr. 1 und Nr. 5, für eine eigene Aufführung in Halle mit Trompeten und Pauken ergänzt. Die ersten gedruckten Ausgaben des Werkes enthielten diese Hinzufügungen. Der kunstvoll komponierte Eingangschoral wird als einer der Höhepunkte der Bach‘schen Choralbearbeitungskunst angesehen. Er trägt die erste Strophe in Form einer „colla parte“ begleiteten Choralmotette vor, in der die Singstimmen jede einzelne Liedzeile fugiert vortragen. Insbesondere fängt das Stück mit einer Doppelfuge an: Nachdem der beginnende Tenor die erste Choralzeile zum ersten Mal abgeschlossen hat, folgt der Alt mit dem Comes, während der Tenor die zweite Choralzeile dagegen setzt. Nach den Durchführungen der einzelnen Liedzeilen taucht jeweils die Choralmelodie als doppelter, kanonisch zeitversetzter „Cantus firmus“ in den Oboen (bzw. in der Fassung des Sohnes in den Trompeten) und im Orchesterbass auf. Es fällt auf, dass im Gegensatz zu sonst geschriebenen Chor-Eingangssätzen kein Ritornell am Anfang steht, sondern direkt mit dem Chor-Vortrag begonnen wird. Im zweiten Satz wird die martialische Thematik durch von den Streichern gespielte Sechzehntelnoten unterstrichen. Satz 5 bringt über bewegtem Orchesterspiel, das die Schlacht zwischen den himmlischen und teuflischen Kräften versinnbildlicht, die Choralmelodie als „Cantus firmus“ im Chor, und zwar im Unisono, was die Geschlossenheit der Gemeinde symbolisiert.
Dekan Oliver Bruckmann rundete mit einer zu Herzen gehenden Predigt den überaus positiven Eindruck der Kantate ab. „Unsere Kirche gedenkt heute der Augsburger Konfession. Vor 487 Jahren am 25. Juni 1530 überreichten die evangelischen Reichsstände auf dem Augsburger Reichstag ihr Bekenntnis dem Kaiser. Von dem einen Gott ist darin die Rede, der alles geschaffen hat. Der in Jesus Christus zur Welt gekommen ist, um seine gute Schöpfung von allen bösen Mächten dieser Welt, auch von menschlicher Sünde zu befreien“, so Bruckmann. Gott sei nicht gegen, sondern für die Menschen, die sich ihm anvertrauen. Wir seien Gott recht, und er sei uns gut – so der Dekan. „Von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, kann uns nichts trennen. Denn: ‚Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen“, sagte Oliver Bruckmann zum Abschluss.
(Text und Fotos: Peter Klopf)