Die Vesperkirche ist aus

Abschlussgottesdienst mit Dekan statt Regionalbischöfin

Anstelle von Regionalbischöfin Gisela Bornowski legt Dekan Oliver Bruckmann die Jahreslosung 2015 aus

Schweinfurt, So. 8. Februar 2015. Mit virtuosem Orgelspiel von Dr. Olaf Brischwein begann der letzte Tag. Die Regionalbischöfin hütete leider wegen Fieber und Grippe ihr Bett in Ansbach. Aber auch so war die Kirche bereits eine halbe Stunde vorher brechend voll, so dass die Plätze an den Esstischen freigegeben mussten. Noch einmal brachte damit das Gottesdienstpublikum seine Akzeptanz der Vesperkirche überdeutlich zum Ausdruck.

Regionalbischöfin Gisela Bornowski hatte über die Jahreslosung 2015 predigen wollen. Ihre Idee griff Dekan Oliver Bruckmann, der nun selbst auf der Kanzel gefordert war, auf: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob“ (Römer 15,7). Im Alltag höre man eher das Gegenteil: „Der soll mich mal gern haben.“ Selbst in der Kirche herrsche immer mal wieder Streit. So argumentierten Kritiker der Vesperkirche, dass man dort nicht essen oder gar die Haare schneiden dürfe. Doch dieser Raum erzähle und erinnere uns gerade daran, wie gern uns Christus annehme. Von daher reize dieser Raum förmlich dazu, auch einander anzunehmen. „Hier sitzen und leben wir im Angesicht Gottes.“

Der Dekan wies auf Jesus als Vorbild hin: Denn der gab sowohl Wasser für den Leib als auch „lebendiges Wasser“ für die Seele, genauso Brot für den Magen wie „Brot des Lebens“, „damit der Mensch satt und heil wird“. Auch habe sich Jesus zuständig erklärt für körperliche Gebrechen und zugleich für verwundete Seelen.

Um Gastfreundlichkeit und Tischgemeinschaft sei es Jesus und Gott zu tun: Genau „das hat die Vesperkirche drei Wochen gemacht!“ „Christus hat Sie alle angenommen mit Ihren unterschiedlichen (Lebens-)Geschichten“. „Das hat geknistert hier in der Kirche.“

Und der Dekan wurde noch euphorischer mit Spitzensätzen wie diesen: „Wir haben hier ein Stück vom Himmelreich gefunden.“ Die Vesperkirche sei „Zeugnis eines lebendigen Glaubens“ weil sie „ganz nah am Leben dran“ sei. „Es ist wichtig, dass niemand draußen bleiben muss.“ „Ein Lob Gottes ist das und gibt ihm die Ehre.“

Abschließend ermutigte der Dekan alle, von der Wärme und Freundlichkeit auch mit nach Hause zu nehmen, um sie dort weiterzugeben. Die Kraft und die Fähigkeit, sich überhaupt anderen zuwenden zu können, erwachse daraus, dass Gott uns selbst gelten lasse.

Und der Dekan lud schon für das kommende Jahr zur nächsten Vesperkirche ein, „wenn es wieder heißt: ‚Miteinander für Leib und Seele’.“ Passend das folgende Lied „Wenn aus Fremden Freunde werden“, was drei Wochen lang selbstredend unter Beweis gestellt worden war. Der Gottesdienst schloss aber – wie eigentlich nicht anders zu erwarten – mit dem Choral „Nun danket alle Gott“. Denn dass die Vesperkirche erfolgreich wirken und ein so positives Echo weit über Bayern hinaus erfahren durfte, lag nicht bloß an den 250 ehrenamtlichen Gastgeberinnen und Gastgebern oder gar am Organisationskomitee.

Nahtlos erfolgte per gewohntem Gongschlag zum letzten Mal der Ãœbergang vom Gottesdienst zur Essensausgabe. Und wieder bildete sich eine schier endlose Schlange an der Kasse. 522 Mahlzeiten sollten es diesmal werden.

„All Morgen ist ganz frisch und neu“ hatten zwar ebenfalls alle gesungen, so als ginge es jeden Tag so weiter. Aber es gibt halt auch ein Leben jenseits der Vesperkirche. Morgen früh wird leider die Kirchentür verschlossen bleiben. Wetten, dass sich trotzdem Leute einfinden und auf Januar nächsten Jahres vertröstet werden müssen?