Verabschiedung von Pfr. Andreas Duft in Euerbach
Euerbach, So. 4. Dezember 2016. Fast 15 – lange – Jahre wirkte Pfarrer Andreas Duft in Euerbach und Geldersheim. Nun hieß es Abschied nehmen. Auf dem verteilten Liedblatt verriet nur ein Wort den eigentlichen Anlass des Tages: „Lied nach der Entpflichtung“. Auch in seiner Begrüßung legte der Scheidende Normalität an den Tag: „Das Wichtigste, was heute ansteht, ist: Wir feiern den zweiten Advent.“ Deshalb fand auch kein Einzug von PfarrerInnen des Dekanatsbezirkes und Kirchenvorstandes statt. Unspektakulär nahm Dekan Oliver Bruckmann vorne Platz.
Genauso unprätentiös begann der Gottesdienst: Konfirmanden kamen in den Altarraum und bauten in aller Ruhe aus einem Haufen farbiger Bauklötze ein erkennbares Häuslein. Erläuterung des Pfarrers: Wir dürfen gestalten, aufbauen, weil dies unseren Wert als Menschen bei Gott ausmacht. Er möchte, dass das Haus unseres Lebens weiterhin fein gebaut werde. Immer wieder eröffne sich uns eine neue Welt, eine neue Dimension.
Doch dann zerstörte der Pfarrer mutwillig das Holzsteinhaus mit erneuter Kommentierung seiner geradezu prophetischen Zeichenhandlung: „Wir sind böse, wenn jemand zerschlägt, was wir aufgebaut haben. Alles umsonst! Wie gemein! Nun müssen wir von vorn anfangen. Aber: Jetzt können wir‘s ja anders aufbauen, ein neues Gebilde schaffen.“
Geschickt und in gewohnt freier, rhetorisch versierter Rede flocht Pfr. Duft den aktuellen Predigttext ein: Jesus kündigt die Zeichen der Endzeit und das Ende der Welt an (Matthäus 24,1-14): „Weltuntergangsstimmung – eine Adventsvorstellung der ganz anderen Art! Unsere Erwartung ist doch, dass es schön weitergeht, auf Weihnachten zugeht.“ Doch habe nicht schon jeder von uns zumindest kleine Weltuntergänge erlebt? Des Pfarrers Worte klangen autobiographisch gefärbt: beispielsweise eine Krankheit, oder das Klassenziel wird nicht erreicht, ein Projekt geht nicht auf, eine Freundschaft, eine Ehe zerbricht. „Die Kommunikation danach ist wie Waffengewalt. Du steckst mitten drin und musst da manchmal durch.“
Doch dann die Wende zum Positiven: „Da ist längst einer, der bereits wieder aufbaut.“ Ab und an brauche es deshalb den Zusammenbruch, damit man begreife, ein neuer Mensch zu werden. In den Wehen stecke schon der Neubeginn drin. „Schluss mit dem Chaos, dem Nicht-Leben!“ Niemand solle aber fragen, wann es denn so weit sei, sondern einfach behutsam daran festhalten: „Ich werde nicht untergehen. Der will mich leben sehen.“ So seien wir alle auf den Advent Gottes hin unterwegs - „zum Aufblühen, zur neuen Liebe, zur neuen Zeit. Dein Gott kommt!“
Der Pfarrer ließ es sich sodann nicht nehmen, am Keyboard, unter Begleitung von Claudia Dettmar (Gesang) und der Kirchenband „Grenzenlos“, den Gottesdienst musikalisch, teils mit eigenen Kompositionen, zu bereichern, etwa: „Das Laufen ist zu Ende jetzt, es ist Sonntag, das macht Sinn. Die Woche war viel Rennerei und kaum was für dich drin.“ Andererseits intonierten Heidrun Kirchner an der Orgel und der Posaunenchor unter Leitung von Johannes Krüger Adventslieder. Zudem hatte sich spontan ein Singkreis gebildet, der zwei englische Weisen zum Besten gab: „Amazing grace“ und „Hallelujah, salvation and glory“.
Dekan Bruckmanns Rede kreiste um das Stichwort „Sehnsucht“: Dieses habe im Advent seinen besonderen Platz: „die Sehnsucht nach Liebe, Glück, nach Wahrheit, die hilft, nach Halt im Zweifel, nach einem Ort, wo man zu Hause ist.“ Natürlich hätten auch Pfarrer ihre Sehnsucht. An Pfarrer Duft gewandt: „Mit welcher Sehnsucht sind Sie gekommen? Was ist geglückt? Was blieb aus? Gekommen sind Sie als Familie. Umziehen werden Sie allein. Was sind Sie den anderen schuldig geblieben? Was haben Sie geerntet?“ Kirchengemeinden seien Orte, an denen Sehnsucht laut werden könne und wo man auch Erfüllung, wenigstens Spuren der Erfüllung, erleben dürfe.
Unter anderem würdigte der Dekan Dufts Fähigkeiten, Gottesdienste in der ihm eigenen Art gestalten und von Gottes Wort zugleich singen und sagen zu können, überhaupt seine musische, poetische, lyrische, gewiss auch theatralische Art, mit der man ihn aber als authentisch erlebe. Er dankte für den Dienst in der Gemeinde und wünschte ihm Freude, Glück und Gelingen auf seiner neuen Pfarrstelle in Schonungen. Danach entband er ihn von allen Aufgaben und Pflichten in der alten Gemeinde inklusive Geldersheim und sprach ihm Gottes Segen zu. Applaus der Gemeinde!
Markante Grußworte folgten: Als Erste überbrachte diese für die katholische Pfarreiengemeinschaft St. Martin im Oberen Werntal Gemeindereferentin Julia Butz, die sich für das ökumenische Miteinander bedankte: „Ihr gelebtes Glaubenszeugnis prägte viele“.
Landessynodale Renate Käser, selbst Euerbacher Gemeindeglied, erinnerte sich an eine ansprechende, spannende Kirchenführung für Grundschulkinder mit Pfr. Duft. Abgesehen von seinem schauspielerischen Talent betreibe er hervorragende Zielgruppenarbeit.
Euerbachs stellvertretender Bürgermeister Emil Schirmer sowie Gelderheims Bürgermeister Oliver Brust richteten die Grüße der beiden politischen Gemeinden aus, in denen sich Dufts Hauptwirken abgespielt hatte.
Des Weiteren zog Ute Valentin, die Vertrauensfrau des Kirchenvorstandes, eine Bilanz der Pfarrertätigkeiten seit seinem Dienstantritt am 1. Februar 2002: „Seine Spuren haben die Kirchengemeinde geprägt.“ Eines seiner Markenzeichen seien die verschiedenen Gottesdienstformen und seine lebensnahen Predigten gewesen – und zwar nicht von der Kanzel aus, sondern unten auf Augenhöhe mit der Gemeinde. Auch jedes Gemeindefest mit ihm sei ein besonderes Erlebnis gewesen. Ja, die HörerInnen konnten schier Bauklötze staunen angesichts des Multitalents: Manager, Werbeträger, Bauherr, Vakanzvertreter in Obbach, Bandgründer und -leader, die DuDett-Konzerte; auch Ökonom, weil er eine Kaffeerösterei in der Gemeinde etablierte, die ihr stattliche Einnahmen bescherte. Kurzum: „Du hast mehr als gute Arbeit geleistet.“
Wie es sich gehört, setzte den Schlusspunkt der Dank des Pfarrers: „Ich bin hierher gekommen, um mit euch zu leben und ein Teil mit euch zu sein.“ Zwar sei er selbst immer wieder ein Suchender, doch habe er in Euerbach die Erfüllung seiner Sehnsucht gefunden. Für gemachte Fehler bat er um Vergebung - „Ich bin nur ein Mensch. Ich bin einfach“ - und befahl die Gemeinde dem Segen Gottes an: „Sucht Neues. Baut auf!“
Freilich ist jetzt erst einmal eine Vakanzzeit zu überstehen. Pfr. Johannes Jurkat wird sie überbrücken helfen. Und wenn dann mal eine Neue oder ein Neuer kommen wird, wartet ihrer/seiner schon die Innenrenovierung der Kirche. Pfarrer Duft wird am 15. Januar 2017 in der Christuskirche Schonungen installiert werden und sicher schon da neue Ideen realisieren. Man darf also im Vorhinein (Bauklötze) staunen.