Von den Schweden lernen?

Frühjahrstagung der evangelischen Dekanatssynode

Engagierter Redner: Heinz Dunkenberger-Kellermann, Spezialist für die schwedische Kirche

Schweinfurt, Sa., 16. April 2016. Die Frühjahrssynode des evangelischen Dekanats Schweinfurt fand in der Christuskirche, Maibacher Straße, statt und befasste sich diesmal thematisch mit der Kirche Schwedens (Svenska kyrkan). Dies hat folgenden Hintergrund: Die evangelisch-lutherische Landeskirche in Bayern (ELKB) unterhält eine Partnerschaft mit der Diözese Skara, Schwedens ältestem, über 1000 Jahre bestehendem Bistum, 150 Kilometer nordöstlich von Göteborg. Skaras (evangelischer) Bischof Åke Bonnier hatte am 22. November letzten Jahres in St. Johannis die Eröffnungspredigt zur Herbsttagung der Landessynode 2015 in Schweinfurt gehalten. Dekan Oliver Bruckmann hielt es daher für angezeigt, sich eingehender mit dieser Partnerkirche zu befassen und konnte als Referenten Heinz Dunkenberger-Kellermann, Leiter der ökumenischen Studienarbeit im Landeskirchenamt München, gewinnen.

Dieser prognostizierte eingangs, dass sich die derzeitige Struktur der ELKB kaum aufrechterhalten lasse. Jedes Jahr würde durch Kirchenaustritte in Bayern ein ganzes Dekanat verschwinden (2014: 30.586; 2015: 25.641 Ausgetretene). Gravierend komme hinzu, dass ab 2018 viele PfarrerInnen, etwa 800, in den Ruhestand treten werden. Hingegen kämen nur etwa 50 bis 70 junge ausgebildete Theologen pro Jahr in den Gemeindedienst. Zudem würden die Kirchenfinanzen knapper. Auch werde viel zu kleinräumig gedacht, die einzelnen Gemeinden als unabhängige Inseln angesehen. Überhaupt sei die ELKB mit rund 2500 Geistlichen eine pfarrerzentrierte Kirche. Dunkenberger-Kellermann: „Wir sind nicht überlebensfähig, wenn‘s so weitergeht. Aber noch stehen wir nicht am Abgrund.“

Was also lässt sich von Schweden lernen? Die dortige evangelisch-lutherische Kirche weist eine ähnliche soziale, gesellschaftliche Struktur auf, zeigt aber eine andere Grundhaltung als die bayerische Landeskirche. Sie „tickt ganz anders“ - so der Referent -, denn sie pflegt eine Kultur des „Tillsammans“, deutsch: „des Zusammen“, der Zusammenarbeit und des Gemeinschaftsgefühls. Großgeschrieben wird „Fika“, etwa mit „Kaffeepause, Kirchenkaffee“ zu übersetzen, womit aber intensive Kommunikation gemeint ist.

Bis zum 1. Januar 2000 war Schweden eine Staatskirche, „eine Aufpasser- und Moralwächterkirche“ laut Dunkenberger-Kellermann. Seitdem ist sie dank seitens der Kirchenleitung notwendig erachteter Veränderungen auf dem Weg zu einer „normalen“ Kirche im partnerschaftlichen Zugehen auf die Menschen, um ihnen das Evangelium zu verkündigen. Jeweils mehrere Gemeinden wurden „zusammengeschoben“ zu einem Gesamtverbund, „Pastorat“ genannt, mit einem zentralen Kirchenhaus, in dem sich die Büros aller Mitarbeiter und Angestellten befinden. „Es wird also in größeren Zusammenhängen gedacht.“ Pfarrhäuser wurden dagegen verkauft, das heißt, die PfarrerInnen wohnen dezentral und haben anders als in Bayern keine Residenzpflicht.

Zudem arbeiten sie mit PädagogInnen, DiakonInnen, KirchenmusikerInnen, auch ErgotherapeutInnen berufsübergreifend zusammen – und zwar jede Gruppe in etwa gleich großer Zahl. Es gibt keine Solisten, Alleskönner, somit keine Pfarrerdominanz. Beispielsweise gestalten ein Pfarrer, ein Pädagoge und ein Kirchenmusiker im Team den Konfirmandenunterricht und bringt durch gabenorientiertes Arbeiten ihre verschiedenen Fähigkeiten ein. Diakone eignen sich als Spezialisten für begleitende Jugendarbeit oder für die Arbeit mit Flüchtlingen, PfarrerInnen hingegen für Kasualien und Gottesdienste. Keiner muss alles können und machen. Teamgeist, partnerschaftliches Miteinander, klare Zuständigkeiten und qualitative Kommunikation sorgen für Entlastung, für ein Klima der Gelassenheit und für hohe Zufriedenheit der Hauptamtlichen.

Und noch eine Besonderheit: Die schwedische Kirche kennt keine Ehrenamtlichen: Alle Mitarbeitenden werden bezahlt, alle haben eine ihnen garantierte 40-Stunden-Arbeitswoche. Zum Vergleich: Der ELKB-Pfarrerbildprozess schreibt PfarrerInnen 48 Stunden vor.

Im Anschluss reflektierten die 45 anwesenden Synodalinnen und Synodalen in drei Gruppen den Vortrag unter der Fragestellung: „Was spricht für, was gegen die Kultur des tillsammans?“ Ihr Fazit: Zwar sei das schwedische Modell in vielen Punkten einleuchtend, etwa was die Begrenzung des Verantwortungsbereiches jedes Mitarbeiters und die zentrale Anlaufstelle anbelange, doch letztlich sei keine Gemeinde gern bereit, etwas ab- und aufzugeben. Sie möchte auch weiterhin ihren vertrauten Pfarrer vor Ort haben. Gehen beim schwedischen Konzept nicht die zwischenmenschlichen Beziehungen verloren? Kirche sei eben keine Großindustrie.

Am Ende wusste auch der Referent keine Patentlösung anzubieten. Er hielt Schweden nicht für das Paradies, denn auch die schwedische Kirche verliere jedes Jahr ein Prozent ihrer Mitglieder (Gesamtzahl 2015: 6.250.00). Aber Dunkenberger-Kellermann empfahl den anwesenden Gemeindevertretern, kreativ zu sein. Man könne auf jeden Fall etwas punktuell ausprobieren. Grundhaltungen seien nur mit Geduld und in Begleitung veränderbar. „Es müssen Leute die Initiative ergreifen und Verantwortung übernehmen.“ Die Frage, die Dekan Bruckmann ventiliert hatte, blieb unbeantwortet: „Nur vier Prozent der Kirchenmitglieder besuchen regelmäßig unsere Gottesdienste. Wie aber erreichen wir die restlichen 96 Prozent?“

Im Regularienteil der Synode wurde der Haushaltsplan 2016 des Dekanatsbezirks vorgestellt; er beläuft sich in Einnahmen und Ausgaben auf 474.142 Euro. Ferner ging es um die Planung des Reformationsjubiläums 2017, wo zugleich 475 Jahre Reformation in Schweinfurt gefeiert werden. Am 11. Juni 2017, dem Tag der ersten evangelischen Predigt in Schweinfurt 1542, wird Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm in St. Johannis predigen. Eine Übersicht über bereits feststehende Veranstaltungstermine im Lutherjahr findet sich unter: www.schweinfurt-evangelisch.de/luther2017.