Sinnliches Feuerwerk zum Jahreswechsel

Silvesterkonzert in der Erlöserkirche heuer zum letzten Mal

Vierhändig über die drei übereinander angeordneten Manuale der Steinmeyer-Orgel zu fliegen, erforderte für Christine Stumpf und Jörg Wöltche nicht nur hohe Konzentration, sondern auch ein genau aufeinander abgestimmtes Spiel (Foto: P. Klopf)

Bad Kissingen, 31. Dez. 2014 (klk). Wer dem Stress des Silvesterabends entfliehen will, für den ist seit vielen Jahren die evangelische Erlöserkirche, zwei Stunden vor Jahreswechsel, ein Ort der Erholung und des Genießens geworden. So stand auch heuer wieder ein Orgelkonzert der besonderen Art auf dem Programm. Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche und Kantorin Christine Stumpf hatten sich wieder zusammengetan und anspruchsvolle, bezaubernde Musikstücke einstudiert, die sie gemeinsam an den zwei Orgeln der Kirche einzigartig interpretierten.

Im Gleichklang hörte man dabei die Steinmeyer-Orgel auf der Empore und die Stumpf-Orgel im Altarraum, die im Zwiegespräch die Melodie interpretierten. Die große Kunst lag darin, dass die Organisten beim Spiel an den rund 25 Meter auseinander stehenden Instrumenten den anderen Spieler weder hören noch sehen konnten und dennoch homogen die Werke intonieren mussten. Auch dieses Mal schafften es die beiden Organisten, sich dem Zuhörer als übereinstimmende Einheit zu präsentieren und brillant ihre Stücke zu Gehör zu bringen.

Besonderer Höhepunkt war dabei Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 5 in c-moll, op. 67 („Schicksalssymphonie“), welche auf der großen Steinmeyer-Orgel von beiden vierhändig und vierfüßig gespielt wurde. Da es zu dieser Sinfonie bisher keine Bearbeitung für Orgel vierhändig und vierfüßig gegeben hat, spielten sie aus einer eigens für dieses Konzert von Jörg Wöltche erstellten Notenausgabe. Vier Noten und sonst nichts. Dreimal G, dann Es. Ob es je ein einfacheres einprägsameres Thema gegeben hat? Ein ganzes gewaltiges sinfonisches Gebäude beruht auf diesen vier Noten. Und nicht nur auf ihnen, sondern auf ihrem Rhythmus, auf den Schlägen, mit denen „das Schicksal an die Pforten klopft“.

Der gesamte erste Satz ist auf diesem berühmten Anfangsthema aufgebaut. Im zweiten Satz begegnen wir dem Lyriker Beethoven. Der dritte Satz ist düster, voll geheimnisvoller Impulse. Ein Hymnus von unbesiegbarer Kraft leitete den letzten Satz ein. Auf einer Leinwand konnten die Zuhörer dank Videotechnik das filigrane Spiel der beiden Organisten mitverfolgen. Das Halbdunkel des Kirchenschiffes, die bewundernswerten Interpretationen, das beeindruckende Zusammenspiel beider Künstler erzeugten eine Atmosphäre des Wohlfühlens und das Gefühl, das alte Jahr in Harmonie zu beenden und das neue Jahr gelassen anzugehen.

Dieses war nach nunmehr zwölf Jahren das letzte Silvesterkonzert für zwei Orgeln, da die Stumpf-Orgel im Chorraum, die als Meisterstück des Garitzer Orgelbaumeisters Michael Stumpf seit 2002/2003 als Dauerleihgabe zur Verfügung stand, nach einem Beschluss des Kirchenvorstandes im Januar 2015 wieder abgebaut werden muss. Ein Gutachten einer Orgelsachverständigen der Evangelischen Landeskirche hat im Frühjahr diesen Jahres ergeben, dass die große Steinmeyer-Orgel bedauerlicherweise einen Reparaturstau von bis zu 100.000 Euro hat, wodurch die Kirchengemeinde nicht in der Lage ist, sich die Chororgel als zweites Instrument anzuschaffen. In evangelischen Kirchen in Bayern müssen die Kirchengemeinden den Unterhalt ihrer Orgeln ohne jegliche landeskirchliche Zuschüsse selber erarbeiten. „Das Konzert war vorerst das letzte am Silvesterabend.“ Wie Wöltche erklärte, sei der Arbeitsaufwand auch für ihn und seine Familie zu groß geworden.

(Text und Fotos: Peter Klopf)