Gisela Bornowski vor Ort

Die Regionalbischöfin in der Erstaufnahmeeinrichtung

Vor der Erstausnahmeeinrichtung: Regionalbischöfin Gisela Bornowski (r.) erhält von der Leiterin Maria Antoinette Graber erste Informationen; links: Diakoniewerk-Vorstand Jochen Keßler-Rosa u. Dekan Oliver Bruckmann

Schweinfurt, Fr. 16. Okt. 2015. Gisela Bornowski, die Regionalbischöfin des Kirchenkreises Ansbach-Würzburg, besuchte die Erstaufnahmeeinrichtung in der ehemaligen Ledward-Kaserne. In Begleitung von Dekan Oliver Bruckmann und ihrem persönlichen Referenten, Dr. Philipp Hauenstein, wurde sie am Eingang Kasernenweg 1 von der Leiterin Maria Antoinette Graber, dem Diakoniewerk-Vorstand Jochen-Keßler-Rosa und von Uwe Kraus, Leiter der Abteilung Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit (KASA) im Diakonischen Werk, begrüßt und über das Gelände geführt.

Ursprünglich ging man maximal von 540 Asylsuchenden aus und renovierte zwei Wohnblöcke der ehemaligen US-Kaserne. Derzeit wird ein weiteres Haus bezugsfertig gemacht, denn inzwischen leben auf dem Gelände weit mehr als 1000 Personen. Übrigens werden auch die Conn-Baracks demnächst die Zahl 1200 erreichen. „Wir sind völlig überbelegt“, betont Frau Graber. Sogenannte Notfallplätze mussten bereitgestellt werden.

Sie führt die Besucher vorbei an der Menschenmenge vor der Essensausgabe, die sich jetzt zur Mittagszeit gebildet hat. Männern, Frauen, Kindern wird viel Geduld abverlangt. Die Wartezeit beträgt plus/minus drei Stunden. In der Kantine gibt es aber dann auch gleich Abendessen und Frühstück zum Mitnehmen.

Frau Graber zeigt den momentan leeren Wartebereich für Neuankömmlinge: „Heute Nacht sind nur 39 gekommen; es hat aber schon über 300 an einem einzigen Tag gegeben.“ Sie räumt ein, dass man „in guten Tagen“ nicht mehr als etwa 200 registrieren könne. Andere Asylbewerber fungierten dabei als Dolmetscher. Wichtig sei es, die familiären Zusammenhänge festzustellen, um diese dann bei der Verteilung auf die Unterkünfte zu berücksichtigen. 70 Prozent der Neuen stammten aus Syrien, die zweitgrößte Gruppe seien Afghanen. Ihre medizinische Untersuchung erfolge ein bis zwei Tage später. Ärzte befänden sich vor Ort. Gute Kooperation bestehe mit dem St. Josef-Krankenhaus. Ein Blick wird in die Gemeinschaftsküche geworfen, doch ein freies Unterbringungszimmer kann Frau Graber den Besuchern nicht aufschließen, denn restlos alle sind belegt.

„Transfer for 16.10. at 8.30“ steht an einem Hauseingang, darunter hängt eine Namenliste. Es sind diejenigen, die in dezentrale Unterkünfte verlegt werden. Dies erfolgt spätestens nach sechs Wochen. „Über 500 sind schon durchgeschleust worden“, so Frau Graber. Man ahnt, wie viel Logistik erforderlich ist.

Anschließend wird die Regionalbischöfin zu einem Gespräch in die Räume der Diakonie auf dem Campus geleitet. Vor dem Gebäude patrouillieren zwei Soldaten. Im Rahmen des Projektes „Helfende Hände“ sichern seit Anfang Oktober Angehörige der Bundeswehr das Gelände.

Frau Bornowski erhält Informationen von der hauptamtlichen Sozialberaterin Stefanie Bader, die von Anfang dabei ist. Sie hat Orientalistik und Politologie studiert und kennt durch längere Aufenthalte Länder wie Tansania, Marokko, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Israel/Palästina – und natürlich die dortigen Menschen. Vor Ort führt sie die Asylsozialberatung durch. Konkret ist sie mit Umverteilungsanträgen, Familienzusammenführung, Beratung in rechtlichen Fragen, Hilfe bei Schwangerschaften, Rückkehrwünschen und mit der Koordination der Ehrenamtlichen befasst.

Neben ihr werden in Kürze zwei Vollzeitmitarbeitende der Diakonie in der Erstaufnahme tätig sein, darüber hinaus arbeiten sieben weitere in den dezentralen Unterkünften in der Stadt sowie in den Landkreisen Schweinfurt und Rhön-Grabfeld. Diakonie-Chef Jochen Keßler-Rosa unterstreicht, dass das Diakonische Werk Schweinfurt gut mit eingebunden sei.

Die Regionalbischöfin gewinnt auch Einblick in die Tätigkeitsbereiche Ehrenamtlicher. KASA-Chef Uwe Kraus betont, dass ohne die zurzeit 80 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer die Arbeit nicht zu leisten sei. Inzwischen wurden auch 30 Behördenbegleiter qualifiziert ausgebildet.

Drei Ehrenamtliche stellen sich vor: Der 65-jährige Reinhard Geißler war von Beruf Kaufmann und führt nun den Fahr- und Begleitdienst durch. Regelmäßig holt er Neuankömmlinge vom Bahnhof ab. Er schildert, wie er um Vertrauen wirbt, da manche ängstlich reagieren, wenn er deren wenige Habseligkeiten, oft nur in einem Plastikbeutel befindlich, im Kofferraum verstaut.

Horst Schneider, Mitglied im Bayerischen Verband der Marktkaufleute und Schausteller und stadtweit bekannt als Organisator des Schweinfurter Fischmarktes, fungiert als Ansprechpartner für mannigfaltige Problemfälle. Beispielsweise ist er zur Stelle, wenn in einem Unterkunftsraum die Heizung nicht funktioniert, oder er kümmert sich darum, dass ein krankes Kind zügig medizinische Hilfe erhält. Sorgen bereitet ihm vor allem die täglich länger werdende Schlange der aufs Essen Wartenden. Angesichts der niedrigen Außentemperaturen sei „unmenschlich, was da abläuft“. Schneider plädiert für die Errichtung einer Überdachung und wäre sogar bereit, dafür tausend Euro selbst beizusteuern.

Gertrud Wolf organisiert die „Freizeitgruppen“: Sie will für die Menschen da sein und ihnen „ein Stückchen Schweinfurt“ zeigen, indem sie sie zu Fuß in die Stadt und zurück begleitet. Zugleich bringt sie ihnen ein wenig Deutsch und richtiges Verhalten im öffentlichen Raum bei und sensibilisiert darüber hinaus für die hiesige Verkehrssituation.

Alle drei opfern dafür nicht nur ihre Freizeit beziehungsweise ihren Ruhestand, sondern auch Geld, denn die Fahrten mit ihren Privat-PKWs gehen zu eigenen Lasten. Über die beherbergten Flüchtlinge sagen sie einhellig, dass es sich bei ihnen überwiegend um nette, dankbare, aber auch um verunsicherte und verängstigte Menschen handele.

Die Regionalbischöfin zeigt sich tief beeindruckt von der vielfältigen Arbeit und zugleich begeistert über das Engagement der Schweinfurter Diakonie. Diese sei „gut verzahnt“ und ziehe weite Kreise. Auf dem Rückweg zum Ausgang zeigt ihr Keßler-Rosa noch das soeben fertig eingerichtete Internet-Café als weiteren Ort der Kommunikation. „Einfach toll“, lautet das Resümee der Oberkirchenrätin. Demnächst wird sie ihre Eindrücke der Kirchenleitung in München schildern.